Test | Tiny Epic Dungeons (+Stories)
Die Küste der Goblins wird von einem Übel belagert, das in den nahegelegenen Hügeln lauert. Der Ruf nach Helden und Heldinnen, die dem Spuk ein Ende bereiten, geht an eine Gruppe von Abenteurern und Abenteurerinnen. Sie sollen die Region von Verderbnis säubern und den Frieden wieder herstellen. Dafür müssen sie tief in das Verlies eintauchen, um die Katakomben von abscheulichen Monstern zu befreien, magischen Fallen auszuweichen und die Quelle des Übels zu besiegen.
„Tiny Epic Dungeons“ will ein waschechter Dungeon-Crawler im Miniaturformat sein. Ob das Spiel seine selbstauferlegte Quest meistern kann oder unsere Erwartungen doch eher im Dunkel des Verlieses zurückbleiben, erfahrt ihr in unserem Test.
Das Spiel wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf die Bewertung hat dies keinen Einfluss!
Der Dungeon erschließt sich – Karte für Karte
In „Tiny Epic Dungeons“ tun die Spielerinnen und Spieler genau das, was man in einem Dungeon-Crawler zu tun hat. Der Dungeon will Stück für Stück erkundet, Monster wollen besiegt und Loot gesammelt werden. Dazu steht allen Mitspielenden ein eigener Charakter zur Verfügung. Diese unterscheiden sich in den üblichen Kategorien wie Stärke, Magie, Lebenspunkte, Bewegungsreichweite, Spezialfähigkeiten und so weiter.
In einem Spielzug können sich die Charaktere je nach Bewegungswert mehrere Felder weit bewegen. Gerade zu Beginn einer Partie kommt es dabei häufig vor, dass neue Räume aufgedeckt werden müssen, um voranzuschreiten. Dort lassen sich häufig spezielle Aktionen durchführen, die zu den unterschiedlichsten Effekten führen können. Beispielsweise kann man durch eine Skill-Probe mehr Loot finden, sich per Portal teleportieren lassen oder sich heilen. Nicht selten trifft man aber auch auf größere (Minions) oder kleinere Gegner (Goblins), die dann die eigene Bewegung unterbrechen.
Kämpfe sind schnell und simpel. Je nach Fertigkeitswert und eventuellen Zusatzeffekten durch Waffen oder Zauber wirft der Charakter ein bis drei Würfel und, falls der Gegner über einen Konterangriff verfügt, einen der roten Gegnerwürfel. Der Schaden ergibt sich dann aus der Differenz von erwürfelter Stärke und dem Verteidigungswert. Nach dem Kampf erhält man dabei je nach besiegtem Gegner das genretypische Loot. Dabei kann es sich um mächtige Waffen, Rüstungen, Zaubersprüche oder Ähnliches handeln.
Nachdem die Heldinnen und Helden es geschafft haben, die Minions des Bosses zu besiegen und den Eingang zum Boss-Raum zu finden, findet der zweite Akt des Spiels statt. Nun gilt es, den Endboss zu bekämpfen. Der Kampf gegen diesen Boss läuft aber etwas anders ab als die sonstigen Scharmützel. Zunächst gibt es verschiedene Felder um den Boss herum, auf die sich die Charaktere bewegen können. Diese bringen meistens bestimmte Vor- oder Nachteile für den Kampf. Außerdem kann der Boss nicht einfach platt gemacht werden, denn er muss zunächst auf bestimmte Felder des Dungeons „gelockt“ werden, die Altarmarker aufweisen. Erst danach können seine Lebenspunkte unter einen bestimmten Wert fallen. Fallen sie schließlich auf Null, gewinnt die Heldengruppe.
Die Stories-Erweiterung
Die Erweiterung fügt dem Grundspiel drei Dinge hinzu. Erstens gibt es eine Reihe neuer Charaktere, Gegner, Gegenstände und Zauber. Also mehr von dem, was das Grundspiel bietet. Optional können auch die namensgebenden „Stories“ hinzugefügt werden, die den Helden und Heldinnen zusätzliche Ziele während ihrer Abenteuer geben, die sie vor dem Bosskampf erfüllen müssen. Dabei handelt es sich meistens um extra Aktionen, die unter bestimmten Bedingungen in einem Raum des Dungeons ausgeführt werden müssen oder um einen besonderen Gegner, der besiegt werden will.
Alternativ lässt sich „Tiny Epic Dungeons“ mit der Erweiterung aber auch als eine Art Kampagne spielen. Dann müssen die Charaktere drei Level eines Dungeons hintereinander durchlaufen und auf ihrem Weg mehrere Bosse besiegen.
„Tiny Epic Dungeons“ ist mal wieder eines dieser Spiele, die mich überrascht haben – bzw. nicht dem entsprachen, was ich erwartet hatte. Als Freund von Spielen wie „Mage Knight“ (zugegeben, kein wirklicher Dungeon-Crawler) und „Gloomhaven“ konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass in eine so kleine Box ein richtiger Crawler passt. Ich hatte mit eklatanten Einschnitten in die Kernmechaniken und ganz deutlichen Grenzen des Spieldesigns gerechnet. Aber weit gefehlt: In dieser kleinen Schachtel steckt ein richtiger Dungeon-Crawler mit vielem, was dazu gehört.
Zum einen ist da der Erkundungsmechanismus, der simpel und effektiv ist. Dadurch, dass nie alle Karten genutzt werden und diese auch immer wieder in einer anderen Reihenfolge auftauchen und dann jedes Mal neu ausgerichtet werden können, wird wohl nie der gleiche Dungeon zweimal entstehen. Außerdem kann taktisch unkluges Zusammenbasteln des Dungeons zur Niederlage führen. Ob sich diese zufällige Generierung irgendwann abnutzt, kann ich aber jetzt noch nicht sagen. Da werde ich wohl noch ein paar zig Partien spielen müssen.
Ein besonders wichtiger Aspekt in diesem Genre ist für mich das „Looten“, also die Progression durch neue Gegenstände. Damit ein Dungeon-Crawler wirklich Spaß macht, muss es sich gut anfühlen, wenn ich neue Gegenstände finde oder neue Fähigkeiten bekomme. Wenn dieser kleine Dopamin-Ausstoß funktioniert, dann ist es für mich sogar meist in Ordnung, wenn die Aufgaben und Gegner, die man dafür erledigen muss, etwas mühsam sind. Und genau das funktioniert in „Tiny Epic Dungeons“ wunderbar. Neue Waffen fühlen sich im Vergleich zu den Startwaffen meistens richtig stark an. Einen neuen Zauber aufzudecken löst nicht selten ein vergnügliches Raunen am Tisch aus, wenn es sich um einen mächtigen Feuerball handelt, der über weite Entfernungen gleich vier Schaden (!) anrichten kann.
Aber es ist natürlich nicht alles perfekt an diesem kleinen Spiel. Denn so viel Variation bei den Bossgegnern, Charakteren, Gegenständen und Dungeon-Layouts besteht, so gering ist die Vielfalt vor allem bei den kleinen Goblin-Gegnern. Durch die Handvoll verschiedener Goblins hat man sich meistens innerhalb von nur wenigen Spielrunden komplett durchgeschnetzelt und dann trifft man immer und immer wieder auf die gleichen Widersacher. Das nutzt sich schon innerhalb von nur einer einzigen Partie ab. Diese Abnutzungserscheinungen treten ebenfalls bei den Spielzügen auf, vor allem in den früheren Runden. Denn die laufen oft gleich ab: Neues Feld aufdecken, Goblin erscheint, Goblin besiegen, Zug vorbei. Da bleibt nicht viel Spielraum, denn den Goblin nicht zu besiegen (und damit die Aktion pro Zug zu verbrauchen) ist einfach ineffizient und meistens eher kontraproduktiv.
Ebenfalls nicht besonders angetan bin ich von der Boss-Mechanik, mit der man den Endgegner in mehrere Ritualräume locken muss, damit dieser weitere Lebenspunkte verlieren kann. Zwar wird dadurch der Boss etwas herausfordernder als er sonst wäre, aber es fühlt sich ein bisschen nach künstlicher Spielzeitverlängerung an, wenn man den Gegner an der Nase noch einmal durch den halben Dungeon führen muss. Ebenfalls über das Ziel hinaus schießt meiner Ansicht nach die Erweiterung mit ihrem epischen Dungeon. Dieser fügt ein Maß an extra Spiellänge hinzu, das ich persönlich wirklich nicht für nötig halte. Die restlichen Bestandteile der Erweiterung sind nett, sorgen aber maximal für etwas mehr Abwechslung – was dem Spiel langfristig wohl gut tun wird.
Insgesamt bin ich aber dennoch beeindruckt, wie viel Spiel in diese kleine Box passt. Denn mit „Tiny Epic Dungeons“ bekommt ihr einen echten Dungeon-Crawler, der im Kern das bietet, was man von dieser Art Spiel erwartet. Abstriche bei der Komplexität müssen natürlich gemacht werden, aber bei dem Preis und der Größe sollte man auch nichts anderes erwarten. Ein bisschen in die Länge gezogen fühlt sich das Spiel an einigen Stellen dann aber trotzdem an.
Wer nicht immer Platz für eine Partie „Gloomhaven“ oder „Sword & Sorcery“ hat, aber ein Fan des Genres ist, ist hier genau richtig. Ebenfalls kann ich mir „Tiny Epic Dungeons“ unheimlich gut für den Urlaub oder unterwegs vorstellen. Gamelyn Games haben also ihre Quest völlig zufriedenstellend abgeschlossen und einen Dungeon-Crawler im Miniaturformat erschaffen, der sich zwar nicht immer episch anfühlt, aber die Fackel des Genres selbstbewusst hochhält.
Falls es an dieser Stelle noch nicht aufgefallen sein sollte, dann sei gesagt: „Tiny Epic Dungeons“ ist brutal schwer. Es ist möglich den Dungeon zu erkunden und vor dem Ende keine offenen Stellen mehr zum Anlegen zu haben. Schon ist die Partie verloren. Ein Held geht K.O. und muss dadurch seinen Zug sofort beenden und den nächsten Aussetzen. Sollte das mehrfach geschehen, ist es fast aussichtslos noch zu gewinnen. Der Endgegner wird zu Beginn der Partie verdeckt gezogen und erst beim Betreten des Verstecks wird die Karte aufgedeckt. Wenn die Gruppe unvorbereitet oder mit wenig Ausrüstung hinein stürmt, ist der Tod fast garantiert. Das Herauslocken des Bosses ist eine besondere Herausforderung. Und dann wäre da noch die Zeit…
Dieses Spiel bietet jede Menge Möglichkeiten für Frustrationstoleranz. Niederlagen sind ein ständiger Begleiter, die spärlichen Siege fühlen sich dadurch aber umso epischer und belohnender an. Als Hausregel wird daher häufig auch im Spiel mit weniger Helden die Fackel trotzdem auf dem Startfeld für eine Partie mit vier Personen positioniert. Das lässt der Gruppe mehr Zeit und die Gegner aktivieren nicht ganz so häufig.
Abseits des Schwierigkeitsgrades bietet „Tiny Epic Dungeons“ alles was ein Dungeon Crawler haben sollte. Die Miniaturen sehen gut aus und die Heldinnen und Helden erfordern unterschiedliche Spielstile. Schätze warten an jeder Ecke und das Sammeln von Themenrüstungen macht das Plündern noch besser. Das Erkunden des Dungeons geht schnell von der Hand und ist man erst einmal mit der Ikonographie vertraut, geht das sprachneutrale Konzept auf. Die bedruckten Holzmeeple für die Gegner sind wieder eine günstige und zugleich kompromisslose Liebeserklärung an das Konzept einer kleinen Schachtel mit großem Inhalt. Selbst das Würfelsystem bietet taktische Möglichkeiten und macht immer wieder Spaß. Dadurch wird „Tiny Epic Dungeons“ zu einem der besten Spiele der gesamten Reihe. Dank der geringen Größe und des überschaubaren Preises ist es ein guter Einstieg für alle, die gerne einmal einen Dungeon erforschen möchten, ohne dafür eine Hypothek aufnehmen zu müssen. Die deutsche Version des Spiels erscheint bei Asmodee.
Enttäuschende Erweiterungen
Die „Stories“-Erweiterung lohnt sich nur für die zusätzlichen Gegner und die acht neuen Heldinnen und Helden samt ihrer Miniaturen. Die sogenannten ‚Stories‘ sind schlicht Karten mit Szenarien. Da die Belohnung dafür allerdings immer die gleiche ist, und sich diese obendrein unbefriedigend anfühlt, bleibt dieser Teil der Erweiterung am besten in der Schachtel. Noch mehr Schwierigkeiten braucht die Gruppe ohnehin nicht. Das gleiche gilt für den möglichen zweiten Bossgegner und die zusätzliche Dungeonebene.
Die Minierweiterung „Potions and Perils“ ist leider ebenfalls verschwendete Zeit. Sie bringt verfluchte Tränke ins Spiel und neue Goblins, die Tränke fallen lassen, wenn sie getötet werden. Diese Tränke sind durchaus hilfreich. Es ist immer gut einen Heiltrank in der Tasche zu haben. Nur leider ist jeder Trank mit einem Fluch belegt. Sobald jemand einen Trank zieht, tritt der Fluch ein. Ein Heiltrank der einem Charakter fünf Lebenspunkte bringt, aber alle anderen in der Gruppe drei Lebenspunkte verlieren lässt, fühlt sich nicht nur blöd, sondern auch unnütz an. Bisher blieb auch dieser zusätzliche Spielinhalt immer in der Schachtel.
Die großen Holzmeeple für die Bossgegner sind zwar eine weitere Investition, sehen aber besser aus als die Platzhaltermeeple aus dem normalen Spiel. Sie sind nur für die Ästhetik. Aber das machen sie gut.
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Bilder zum Spiel
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