
30 Jahren Catan - vom Protoyp zum Meisterwerk
Zum 30. Jubiläum von „Die Siedler von Catan“ blicken wir auf drei Jahrzehnte zurück, in denen das Spiel einen nachhaltigen Einfluss auf die Welt der Brettspiele hinterlassen hat. Vor 30 Jahren, im Jahr 1995, stellte Klaus Teuber ein Spiel vor, das – dank eines ausgewogenen Zusammenspiels von Strategie, Taktik und Verhandlung – eine neue Ära des geselligen Spielens einläutete.
Unser Report als Video
In zahlreichen Haushalten, bei Spieleabenden und internationalen Turnieren haben sich Mitspielende immer wieder an den Inseln von Catan versammelt, um Ressourcen zu handeln, Siedlungen zu errichten und gemeinsam das Wachstum einer neuen Zivilisation voranzutreiben. Jetzt möchten wir die Entstehung des Spiels nachzeichnen, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nachempfinden und ergründen, was die Faszination des Spiels ausmacht.
Der Prototyp
Es ist das Jahr 1990 oder 1991, als Klaus Teuber mit der Entwicklung eines der bedeutendsten Spiele der letzten 50 Jahre begann. Zu diesem Zeitpunkt sahen moderne Apple-Laptops noch aus wie Plastikklumpen, und erst 1991 wurde die Nutzung von HTTP frei verfügbar und bot die Basis für das Internet, wie wir es heute kennen. Statt Video-Streaming gab es VHS-Kassetten, und Musik erklang von Schallplatten oder Kassetten. Es ist eine Zeit weit vor der digitalen Revolution, in der Abenteuerlust und Entdeckersinn Klaus Teuber dazu brachten, einen ersten Prototyp zu entwickeln.
„Kriege kosten Kraft, es geht ewig hin und her, bis Sieger und Verlierer am Boden liegen“, sagte Klaus Teuber der Brettspielbox 1995 im Interview. Entsprechend wollte er ein Spiel erfinden, das den Schwerpunkt auf Handel, Kooperation und allenfalls wirtschaftliche Blockaden legte. Doch diese Prämisse allein reichte anfangs nicht aus, um daraus ein vollständiges Spiel zu entwickeln.
Erst zwei Jahre später, im Jahr 1993, kam ihm die zündende Idee: Nachdem er quadratische Felder ausgeschnitten und drei Landschaftstypen aufgemalt hatte, bemerkte er, dass sich Hex-Felder in der Mitte zu einem Punkt zusammenfügen, zu dem drei Kanten führen – ideal für den Standort einer Siedlung, die Erträge aus drei Feldern generiert. Kurz darauf hatte Klaus Teuber die Idee mit der zufälligen Zuordnung der Ertragsplättchen: So gab es auf der Insel Regionen, die mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit Einkünfte brachten.
Noch 1993 bastelte er einen ersten Prototyp und nannte ihn „Kolonisation“, wie er im erwähnten Interview preisgab. Dabei lagen die Landplättchen zu Beginn einer Partie verdeckt und wurden erst nach dem Platzieren aller Siedlungen umgedreht; nur drei Plättchen durften vorher geheim angeschaut werden. „Das befriedigte zwar meinen Entdeckergeist, führte aber oft zu Frust […]“, sagte Klaus Teuber der Spielbox 1995. Feedback von Freunden und Familie sorgte dann für entscheidende Änderungen im Spielablauf. Für Teuber war die von Reiner Müller erdachte Anleitung der Schlüssel, der das Spiel besonders zugänglich machte. Als Krönung der Entwicklung sah er die Einführung der Entwicklungskarten – damit war das Spielsystem abgerundet und komplett.
Die Suche nach einem Verlag
Obwohl das Spiel so gut geschliffen war, gestaltete sich die Suche nach einem Verlag alles andere als einfach. Rund vier Jahre Entwicklungsarbeit steckten im Spiel, doch zwei große Verlage jener Zeit lehnten es ab: „Es sei zu langweilig, altmodisch und allenfalls ‘nett’.“ Unglaublich! Bis heute dürften sich die Entscheidungsträger über die verpasste Chance geärgert haben.
Bemerkenswert war, dass Klaus Teuber damals bereits einen eigenen kleinen Verlag führte, den TM-Verlag – benannt nach Teuber und Müller. Müller war der Redakteur, der von Anfang an am Spiel beteiligt war. Doch die finanziellen Mittel von 50 000 bis 60 000 DM fehlten, um eine Erstauflage von 5 000 Exemplaren eigenverantwortlich zu produzieren. Drohte das Projekt zu scheitern?
Heute wissen wir: Am Ende war der noch kleine Franckh-Kosmos Verlag bereit, eine abgespeckte Version herauszubringen. Das Spiel wurde für vier statt für sechs Personen ausgelegt, um Kosten zu sparen. Den endgültigen Titel „Die Siedler von Catan“ fand man aus heutiger Sicht goldrichtig – so umging man das heikle Thema der Kolonisation fremder Länder und konzentrierte sich auf das Besiedeln einer fiktiven Insel.
Endlich am Markt
Im Frühjahr 1995 war es soweit: Die Erstauflage von „Die Siedler von Catan“ wurde auf der Spielwarenmesse präsentiert. Für etwa 59 DM war das Spiel erhältlich. In der Spielbox 1/95 erhielt „Catan“ eine Doppelseite und wurde ausführlich vorgestellt. 3 000 Exemplare wurden produziert und schnell vergriffen. Den ersten großen Erfolg krönte die Auszeichnung „Spiel des Jahres 1995“.
Die ersten Jahre
Parallel zu seiner Arbeit im Dentallabor entwickelte Teuber Catan weiter. 1996 erschienen beim Kosmos Verlag die 5–6-Personen-Erweiterung sowie das Kartenspiel für zwei Personen. 1997 folgte die Erweiterung „Seefahrer“, 1999 „Städte und Ritter“ und „Historische Szenarien“. Wer die weiteren Erweiterungen im Detail erkunden möchte, findet umfangreiche Informationen auf BoardGameGeek.com.
Zeitenwende bei Familie Teuber
Da der Erfolg nicht nachließ, verkaufte Klaus Teuber 1999 sein Dentallabor und wurde hauptberuflicher Spieleautor. Seine Söhne Guido und Benjamin stiegen später ins Familienunternehmen ein. Noch 1999 erschienen mit „Die Sternenfahrer von Catan“ und „Die Siedler von Nürnberg“ zwei eigenständige Ableger. In den folgenden Jahrzehnten folgten Titel wie „Kampf um Rom“ (2006) oder „Candamir – Die ersten Siedler“ sowie Lizenzumsetzungen wie „Star Trek Catan“ (2012) und „A Game of Thrones Catan: Die Bruderschaft der Nachtwache“ (2017). 2002 gründete Klaus Teuber gemeinsam mit seinem Sohn Guido die Catan GmbH und übertrug ihr die Lizenzrechte.
Das ikonische Design
Das charakteristische Cover mit der Siedlung vor aufgehender Sonne wurde 2002/03 überarbeitet: Marion Potts Original von 1995 wich einem moderneren Entwurf von Tanja Donner und Michael Schelk. 2010 erhielt Michael Menzel den Auftrag, das Design erneut zu aktualisieren – erstmals fanden auch Plastikteile ihren Weg in die Box. Zum 20‑Jubiläum 2015 überarbeitete Menzel das Cover erneut und passte auch ältere Erweiterungen an. Anlässlich des 30‑Jubiläums 2025 wurde das Grundspiel und viele Erweiterungen von Eric Hibbeler und Quentin Regnes neu illustriert; verschließbare Faltboxen erleichtern nun die Aufbewahrung des Materials.
Erfolge im Ausland
International erschien Catan in 20 Sprachen und 40 Ländern und gewann zahlreiche Preise: 1996 den Origins Award (Best Fantasy or Science Fiction Board Game), 1998 „Board Game of the Year“ in den USA und Einzug in die Games Magazine Hall of Fame. In Japan erreichte Catan bei Beliebtheitsumfragen 2006 und 2007 Spitzenplätze, nachdem Landschaftsfelder in kleinerem Format speziell für dortige Tische angepasst wurden. 2012 gewann die brasilianische Ausgabe „Colonizadores de Catan“ den JoTa Critic Award.
Kritik – zu komplex für die Masse?
Anfangs wurde Catan für seine Komplexität im Vergleich zu anderen Neuerscheinungen kritisiert. Teuber räumte ein, das Spiel zunächst für zu anspruchsvoll gehalten zu haben. Dieser Nachteil wurde durch eine übersichtliche, einseitige Grundregeln-Anleitung und einen ergänzenden Almanach kompensiert – ein Konzept, das bis heute vielerorts Anwendung findet.
Computerspiel-Umsetzungen
Die digitale Geschichte reicht von der DOS-Version „Compu‑SIEDLER“ (1997) über Open‑Source‑Projekte bis zu kommerziellen Umsetzungen. Von 2007 bis Mai 2018 betrieb Kosmos die Online-Plattform „PlayCatan“. Seit 2017 ist Catan Universe verfügbar, eine plattformübergreifende Version für PC, Mac, iOS und Android. Darüber hinaus existieren Versionen für Nintendo DS, Xbox, Nokia N‑Gage, iPhone, iPad, Android und weitere Mobiltelefone.
Catan bei Prominenten
Bei den Golden Globes 2017 berichteten Kristen Bell und Dax Shepard, dass sie nach der Show lieber zuhause Catan spielen würden. Im Silicon Valley setzte sich das Spiel schnell durch: LinkedIn-Gründer Reid Hoffman nutzt Catan als Übung für Führungskompetenzen und ließ eine eigene Variante mit 200 Exemplaren anfertigen.
Der Tod von Klaus Teuber – kein Schlussstrich
Am 4. April 2023 starb Klaus Teuber im Alter von 70 Jahren. Neben Catan zählen zu seinen bekanntesten Werken u. a. „Löwenherz“ (1997), „Die Sternenfahrer von Catan“ (1999) und „Anno 1503“ (2003). Sein Vermächtnis lebt weiter: Noch immer kehren viele Menschen zurück nach Catan, um ihre friedliche Abenteuerlust auszuleben – ganz in seinem Sinne.
Unser Report als Podcast
Quellen
Wikipedia
Catan-News 2001
https://www.catan.de/sites/default/files/2021-11/dl_Catan-News-2001-1.pdf
Catan News 2000
https://www.catan.de/sites/default/files/2021-11/dl_Catan-News-2000-1.pdf
Spielbox 4/1995