Test | Boonlake

Verfasst von Alex & Wandee Steinmaier am 11. Mai 2022. Veröffentlicht in Brettspieltest

Abseits der modernen Zivilisation zu leben, das können sich die meisten gar nicht mehr vorstellen, doch für manche ist dies besonders verlockend. In „Boonlake“ versucht eine Gruppe im Einklang mit der Natur zu leben und in einer verlassenen Region eine Gemeinschaft aufzubauen. 

Das Spiel wurde gekauft. Auf die Wertung hat dies keinen Einfluss.

In der Wildnis zu Hause

Der Spielplan von „Boonlake“ zeigt das in Hexfelder eingeteilte entlegene Land, das im Laufe des Spiels entdeckt und erschlossen werden soll, sowie einen Flussverlauf.

Die mitspielenden Personen sind abwechselnd am Zug und dürfen in Ihrem Zug eines der sieben Aktionsplättchen vom Aktionstableau nehmen, auf dem diese untereinander angeordnet sind. Die Plättchen zeigen in der Regel zwei Aktionen, von denen die erste nur die aktive und die zweite alle Personen ausführen dürfen.

Die Position des gewählten Plättchens auf dem Aktionstableau ist dabei entscheidend für die Anzahl der Felder, die das eigene Schiff am Ende des Zuges auf dem Fluss weiter bewegt werden darf. Für die oben liegenden Plättchen gibt es mehr Schritte als für die weiter unten liegenden. Durch den Fortschritt auf dem Fluss werden Boni vergeben und beim Überqueren von Schleusen werden Zwischenwertungen- bzw. die Endwertung ausgelöst. Das gewählte Aktionsplättchen wird dann abschließend ganz unten auf das Tableau gelegt und die Plättchen so zusammengeschoben, dass die zuvor entstandene Lücke wieder geschlossen wird. Anschließend ist die nächste Person dran.

Die Aktionsmöglichkeiten in „Boonlake“ sind umfangreich. Eine Vielzahl von Handkarten kann gezogen und gegen Bezahlung von Ressourcen ausgespielt werden, um sofortige Einmaleffekte, Punkte zum Spielende oder permanente Verbesserungen zu erhalten.

Es gibt sammelbare Ressourcen wie Münzen, Bewohner und Vasen, aber auch einen Mechanismus, der eine gewisse Anzahl anderer Ressourcen pro Runde verfügbar macht, die durch Felder auf dem Player-Board festgelegt werden. Hier können Produktionsgebäude für bestimmte Ressourcen errichtet und später auch aufgewertet werden und zwei Schiffe können auf einem abgebildeten Fluß bewegt werden wobei die Flussfelder bestimmen, welche Ressource durch das dort liegende Schiff gerade verfügbar ist. Die Schiffe können kostenfrei flussabwärts, also nach rechts, auf andere Ressourcenfelder bewegt werden, das Bewegen flussaufwärts zurück kostet aber Geld.

Durch die Entdecken-Aktion werden Landschaftsplättchen auf die Hexfelder des Spielbretts gelegt, deren Effekte dann durch Einsetzen von Bewohner-Meeple aktiviert werden können. Für beide Aktionen gibt es Belohnungen beispielsweise in Form von Ressourcen, oder den Bau oder Ausbau von Produktionsgebäuden. Besondere Landschaftsplättchen sind Weiden, auf denen Viehzucht betrieben werden kann, indem Rinder eingesetzt werden. Diese können bei den Wertungen zusätzliche Siegpunkte einbringen.

Die Aufwertungs-Aktion wandelt eingesetzte Bewohner in Häuser um, die zu Siedlungen weiterentwickelt werden können. Die eingesetzten Gebäude werden vom Player Board genommen und die dadurch offengelegten Felder generieren bei den Wertungen dann Einkommen und Siegpunkte. Wurde so eine ganze Reihe offengelegt, gibt es zusätzliche Belohnungen.

Es gibt noch weitere Elemente, wie Leisten, auf denen vorgerückt werden kann, um ebenfalls Einkommen und Siegpunkte zu erhöhen, oder die Aktivierung von Regionen, wodurch alle Spielerinnen und Spieler für eingesetzte Personen, Häuser, Siedlungen oder Rinder Münzen erhalten. Als besonderes Element sei noch die Aktion Fortschritt zu erwähnen: es können Hebel auf das Player Board gelegt werden, wodurch persönliche Spezialaktionen freigeschaltet werden, die einmalig pro Zwischenetappe aktiviert werden können.

Wurde die letzte Schleuse überquert, wird die Endwertung eingeleitet. Die Person mit den meisten Siegpunkten hat sich am meisten für die Gemeinschaft von „Boonlake“ eingesetzt und gewinnt das Spiel.

Neben dem Mehrpersonen-Spiel wird auch ein Solomodus angeboten, der in vier Stufen in der Schwierigkeit anpassbar ist. Der Verwaltungsaufwand hält sich in Grenzen und es wird ein vergleichbares Spielgefühl generiert.

Mit „Boonlake“ hat Alexander Pfister, der Autor von „Great Western Trail“ oder „Maracaibo“, ein weiteres Expertenspiel herausgebracht, das geschickt verschiedene Spielmechanismen kombiniert und durch eine enge Verzahnung der verschiedenen Elemente für eine große Spieltiefe mit etlichen Strategiemöglichkeiten sorgt.

Bereits vor dem Aufbau fällt die Verpackung von „Boonlake“ auf. Zum einen fängt eine hübsche Blume im blauen Wasser den Blick ein. An den Rändern wird es auf dem Cover aber deutlich dunkler, dadurch ergibt sich eine eher düstere Vorahnung. Die Siedlung im Hintergrund ist noch oder schon in der Dämmerung, und ob die Sonne im Hintergrund auf oder untergeht ist ungewiss. Das Titelbild möchte nicht so recht zum Spielthema passen, aber es ist ungewöhnlich, in unseren Augen gelungen und macht neugierig, was ja schließlich die Hauptaufgabe eines Covers ist.

Während des Spiels kommt das Thema nur untergeordnet zur Geltung, wir haben uns nie so richtig wie Pioniere gefühlt, obwohl die einzelnen Aktionen in der Theorie durchaus dieses Leben durch Entdecken und Erschließen von Landschaften, dem Bau von Häusern und Siedlungen, etc. widerspiegeln. Es ist auch etwas irritierend, dass von einem See die Rede ist, auf dem Spielplan aber nur ein Fluss zu sehen ist.

Das Spielmaterial ist qualitativ gut und umfangreich, sticht aber auch nicht besonders hervor. Ausnahme sind die Double Layer Boards, für die eine clevere Lösung gefunden wurde, indem diese selbst geklappt und dann geklebt werden. Bei unseren war eines leider leicht schräg geschnitten, aber dies war nicht weiter problematisch.

Spielerisch finden einige interessante Mechanismen Einzug. Jedes Element hat seine Daseinsberechtigung und kann, muss aber nicht genutzt werden. Auch erfahrene Brettspielsüchtige werden sich daher nicht über eine mangelnde Auswahl an Möglichkeiten beschweren.

Ein besonderes innovatives Element ist die Nutzung der Schiffe, um Ressourcen zu beschaffen, die dringend zum Ausspielen der Karten benötigt werden. Hier muss gut überlegt werden, ob ein Schiff kostenfrei weiter flussabwärts gesetzt wird, um eine andere Ressource zu erhalten, denn das Zurücksetzen flussaufwärts ist teuer. Einige Karten werden auch gar nicht spielbar sein, da sie zu viele Ressourcen einer Art benötigen. Für solche Fälle gibt es aber immer wieder Möglichkeiten, Karten gegen eine Belohnung abzuwerfen. Eine weitere Stärke ist die Möglichkeit, durch Forschung zusätzliche Aktionen freizuschalten und dadurch das Spiel an die eigene Strategie anzupassen.

„Boonlake“ bietet eine beachtliche Spieltiefe und fordert von allen Teilnehmenden, sich eine gute Strategie zurechtzulegen. Das Ressourcenmanagement ist eine Herausforderung, denn die Ressourcen sind eher rar und durch die Vielzahl an unterschiedlichen Arten, kann es zuweilen knifflig sein, stets die passenden parat zu haben.

Auch wenn sich all dies durchaus kompliziert anhört, sind die Regeln für ein Expertenspiel erstaunlich intuitiv. Nur selten mussten wir später noch ins Regelwerk schauen. Die Komplexität ergibt sich vor allem durch die Vielzahl an Möglichkeiten und deren Auswirkungen. „Boonlake“ lädt zwar durchaus zum Grübeln ein, da die Aktionsplättchen aber immer auch Aktionen für alle nicht aktiven Personen auslösen, entsteht keine erhöhte Downtime - eine der großen Stärken des Spiels.

Unterm Strich ist „Boonlake“ absolut einen Blick für alle wert, die nicht vor etwas komplexeren Spielen zurückschrecken. „Boonlake“ funktioniert gut mit jeder Anzahl an Personen und auch der Solomodus ist gelungen. Einzig das Thema konnte uns nicht so richtig abholen, aber das ist eher subjektiv und Jammern auf hohem Niveau.

Bilder zum Spiel

Tags: 1-4 Personen, Expertenspiel, Solospiel