TEST // ESCAPE THE DARK SECTOR
Jegliches Zeitgefühl ist euch längst abhandengekommen. Ihr wisst nicht, wie lange es her ist, seit euer Raumschiff gekapert wurde und ihr hier an diesen dunklen Ort verschleppt wurdet. Ihr schmort in euren Zellen und kämpft gegen die Angst vor dem euch umgebenden Grauen, die Langeweile und Wahnvorstellungen an. Das Surren der elektrischen Gitterstäbe treibt euch immer weiter in Richtung Wahnsinn. Doch plötzlich öffnen sich eure Zellen. Ohne das Warum und Weshalb zu hinterfragen, ergreift ihr die Gelegenheit beim Schopf. Ihr stürmt aus eurem Gefängnis und sucht den nächsten Lagerraum, schnappt euch alles was ihr tragen könnt und macht euch auf die Suche nach eurem Raumschiff. Doch leider steht ihr erst am Anfang eurer Flucht. Vor euch liegt eine riesige Raumstation voller Feinde und unbekannter Gefahren. Könnt ihr euch einen Weg in die Freiheit bahnen? Die Operation ESCAPE THE DARK SECTOR beginnt.
Wir haben ESCAPE FROM THE DARK SECTOR sellbst gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Verzweifelte Flucht
ESCAPE THE DARK SECTOR ist ein voll-kooperatives Science-Fiction Spiel für 1-4 Spieler.
Ziel ist es, gemeinsam aus dem Haftblock einer riesigen Raumstation auszubrechen, das eigene Raumschiff zu finden und letztendlich von dem feindlichen Stützpunkt zu fliehen. Dabei begegnen den Spielern schreckliche Gefahren, wie heimtückische Fallen und grimmige Feinde.
Eine Partie ESCAPE THE DARK SECTOR ist schnell aufgebaut. Jeder Spieler sucht sich einen der noch inhaftierten Lieutenants aus und nimmt sich dessen Charakterkarte sowie den entsprechenden Crew-Würfel. Dieser Crew-Würfel macht den Unterschied zwischen den einzelnen Charakteren aus. Lt. Smith verfügt zum Beispiel über rohe Körperkraft, d.h. das Kraftsymbol kommt auf seinem Würfel mit Abstand am häufigsten vor. Andere Charaktere, wie Lt. Tailor und Lt. Tanner, eigenen sich wiederum besser für Geschicklichkeits- bzw. Weisheitsproben.
Außerdem nimmt sich jeder noch ein Medical-Report-Blatt, auf dem die Lebenspunkte der Charaktere festgehalten werden, und ein Start-Item, eine Art Hirn-Implantat, welches dem Spieler eine besondere Fähigkeit verleiht, die sich im Kampf oder bei Würfelproben als äußerst nützlich erweist.
Das Spiel gliedert sich in drei Kapitel mit abschließendem Endbosskampf. Daher muss noch vor dem Spielbeginn ein Missionsdeck zusammengestellt werden. Dieses besteht aus einer Startkarte, den Kartenstapeln für die einzelnen Kapitel sowie einer Endbosskarte.
Nun kann die gefahrvolle Erkundung der Raumstation beginnen.
Eine Runde läuft folgendermaßen:
Es gibt keine feste Zugreihenfolge. Die Gruppe bestimmt jeweils den Spieler, der die nächste Karte des Missionsdecks aufdeckt. Oftmals wird der Spieler mit den am meisten verbliebenen Lebenspunkten oder der Spieler mit der besten Ausrüstung gewählt, da das Aufdecken der Karte mit besonderen Risiken (sogenannte „YOU-effects“) verbunden ist. Der Spieler liest nun den Kartentext vor und handelt die entsprechenden Auswirkungen der Karte ab. Sehr oft muss die Gruppe Kämpfe bestreiten oder Gefahrenproben bestehen. Manchmal gibt es aber auch die Möglichkeit, hilfreiche Item-Karten zu erwerben. Die Spieler müssen dafür aber bereit sein, Lebenspunkte zu riskieren.
Hinter den Item-Karten verbergen sich bessere Schuss- und Nahkampfwaffen, Medi-Kits, Granaten und leistungssteigernde Mittel. Daher lohnt es sich zumeist, ein Risiko einzugehen, falls sich die Chance ergibt, an diese wertvollen Karten zu kommen.
Bei Kämpfen muss eine bestimmte Anzahl an Symbolwürfeln der Gegner „weggewürfelt“ werden. Dabei können sich die Spieler entscheiden, ob sie in den Fern- oder Nahkampf gehen. Jede Kampfart ist mit Risiken und Chancen verbunden. Im Fernkampf wird mit jedem Schuss wertvolle Munition verbraucht und es muss mit Gegenfeuer in Form von schwarzen Feindwürfeln gerechnet werden. Im Nahkampf hingegen sollte von den Spielern möglichst ein Schildsymbol geworfen werden, da es sonst fiese Gegenschläge des Feindes hagelt. Ist ein Kampf überstanden und der Widersacher besiegt, winkt meist eine Belohnung in Form von neuen Item-Karten.
Oft müssen Proben bestanden werden, um gefährliche Situationen, wie z.B. das Entkommen aus einer Müllpresse (Star Wars lässt grüßen), zu überstehen . Dabei muss mit begrenzten Würfelwürfen ein bestimmtes Symbol erwürfelt werden. Je nach Art der Gefahr muss die Probe von einem oder von allen Spielern bestanden werden.
Ist die Karte vollständig abgehandelt, beginnt eine neue Runde. Das wiederholt sich bis die letzte Karte des Missionsdecks gezogen wird. Unter dieser verbirgt sich einer von fünf knackigen Boss-Kämpfen. Wird dieser erfolgreich bestritten, gelangen die Spieler endlich zu ihrem Raumschiff und können damit aus dem DARK SECTOR entkommen. Sollten im Verlauf des Abenteuers die Lebenspunkte eines Spielers auf null fallen, verlieren alle Spieler gemeinsam.
Was ist in der Box?
ESCAPE THE DARK SECTOR beinhaltet mehr als 60 übergroße Kapitel-, Crew und Bosskarten sowie etwa 40 kleine Item-, Taktik- und Epilogkarten. Für Kämpfe und Würfelproben sind 34 Würfel enthalten. Außerdem werden noch Bleistifte und der „Medical-Report“-Block zum Führen der Lebenspunkte mitgeliefert. Die komplette Box und sämtliches Spielmaterial ist in stylischem schwarz-weiß gehalten.
An der Anleitung gibt es nichts zu meckern. Der einfache Spielablauf ist gut erklärt und es bleiben keine Frage offen. Durch die schönen Illustrationen und vielen Beispiele ist das Lesen der Anleitung ein großes Vergnügen.
ESCAPE THE DARK SECTOR schafft genau das, was es verspricht. Eine tolle, dichte Sci-Fi-Horror-Atmosphäre kombiniert mit einem einfachen und schnell gespielten Spiel. Das Thema ist passend umgesetzt. Ständig begleitet einen das Gefühl von Gefahr und Enge, da beinahe jede aufgedeckte Karte eine neue Bedrohung bedeutet und das Lebenspunktekonto beständig schmilzt.
Das Spiel ist blitzschnell aufgebaut und es reicht, wenn ein Spieler die intuitiven Regeln kennt. Es kann also direkt losgespielt werden. Die Erklärung kann ganz nebenbei nach und nach stattfinden, ohne dass der Spielfluss beeinträchtigt wird. So können auch Anfänger und Wenigspieler ohne Probleme an das Spiel herangeführt werden.
ESCAPE THE DARK SECTOR schafft es, einen sehr guten Spannungsbogen aufzubauen. Bei meinen Testspielen war meine Gruppe gegen Ende immer an der Schwelle des Todes und jede Partie wurde knapp gewonnen oder auch verloren. Langeweile durch einen klaren Sieg oder Frustration durch eine vernichtende Niederlage kam nie auf. Nach einem verlorenen Spiel war immer die Motivation da, es noch einmal zu versuchen, um diesmal dem dunklen Ort zu entfliehen.
Zugegeben: Sämtliche Science-Fiction Klischees werden in dem Spiel bedient. Dies ist aber durchaus Absicht und verleiht dem Spiel einen charmanten Trash-Faktor ohne je ins Lächerliche abzudriften. Die wunderschönen schwarz-weiß Illustrationen, die mich an die Spielbücher der 80er-Jahre erinnern, tragen ihren Teil dazu bei.
Downtime ist so gut wie keine vorhanden. Fast immer sind alle Spieler bei den einzelnen Kapitelkarten involviert, denn diese laden zu regen Diskussionen ein á la: Welcher Lieutenant stellt sich denn nun am erfolgversprechendsten der aktuellen Würfelprobe?
Rein mechanisch funktioniert ESCAPE THE DARK SECTOR wunderbar mit jeder Spielerzahl. Es hat mir jedoch deutlich mehr Spaß gemacht, mich mit Freunden durch die Station zu kämpfen. Aber auch eingefleischte Solo-Spieler mit Weltraum-Affinität kommen durchaus auf ihre Kosten.
Ich hätte mir noch mehr Kapitelkarten gewünscht, da sich bei 16 Karten je Kapitel, von denen pro Spiel 4 zufällig gezogen werden, die Ereignisse schnell wiederholen. Etwas mehr Abwechslung würde das Spiel bereichern. Doch noch während dieser Artikel geschrieben wird, läuft bereits eine Kickstarter-Kampagne mit Erweiterungen, die Fans des Spiels im Auge behalten sollten.
Achtung! Um das Spiel wirklich genießen zu können, sind gute bis sehr gute Englischkenntnisse erforderlich, da das Spiel sehr textlastig ist. Von einer deutschen Version ist mir leider nichts bekannt.
Spielmechanisch ist ESCAPE THE DARK SECTOR keine Offenbarung und bietet keine wirklichen Innovationen. Der Glücksfaktor ist enorm, da ständig die Würfel entscheiden. Vorausplanung und strategische Möglichkeiten sind auf ein Minimum begrenzt. Doch Überraschung! Das alles empfand ich als Science-Fiction Fan nicht als schlimm, da das Spiel genauso so gedacht ist: ein schnelles, spaßiges und atmosphärisches Weltraum-Spiel, das durch zahlreiche Anspielungen auf das Genre überzeugt. Für alle, die ebenfalls eine Leidenschaft für Star Wars, Battlestar Galactica oder auch The Orville haben, eignet sich dieses Spiel sehr gut als Einstieg oder Absacker für einen schönen Spieleabend.
Bilder vom Spiel
Tags: 20-60 Minuten, Press Your Luck, Storytelling, Weltraum, Science Fiction, 1-4 Spieler, Würfelspiel