TEST // ARTEMIS PROJEKT
Das ehrgeizige ARTEMIS PROJEKT steht kurz vor dem Abschluss. Über Jahrzehnte hinweg terraformte die Menschheit Jupiters Eismond „Europa“ zu einem lebensfreundlicheren Planeten. Für den Aufbau von Kolonien werden Fachleute von der Erde auf den Trabanten geschickt, um dort unter der Eisoberfläche Gebäude zu errichten. Diese schaffen die nötige Infrastruktur, um autark weitere, noch ehrgeizigere Strukturen auf der Oberfläche zu bauen.
Das vorliegende Rezensionsexemplar von ARTEMIS PROJEKT (2019) wurde der Redaktion von brettspiel-news.de vom Verlag GRIMSPIRE zur Verfügung gestellt.
Auf unsere Bewertung hat das keinen Einfluss.
Die Besiedelung des Alls
In ARTEMIS PROJEKT übernehmen die Spieler jeweils die Rolle eines Anführers von Wegbereitern, deren Ziel es ist, eine erfolgreiche Kolonie auf dem Mond „Europa“ zu errichten. Dazu müssen Gebäude aufgebaut, Siedler angeworben und Expeditionen erfolgreich abgeschlossen werden. Nur, wer seine Kolonie entschlossen und schnell entwickelt, kann das Wettrennen für sich entscheiden und der Menschheit eine neue Heimat erschaffen.
Die Besiedelung des neuen Planeten geht erstaunlich einfach von statten. Pro Runde werfen die Spieler ihre fünf Würfel und setzten diese, einen nach dem anderen, auf die verschiedenen Aktionsfelder des Spielplans. Mit Hilfe von Werkzeugmarkern können die Würfelwerte dabei nach oben oder unten manipuliert werden.
Im zweiten Schritt werden die gewählten Aktionen in vorgegebener Reihenfolge abgehandelt. Angefangen bei den Expeditionen, die, um als erfolgreich zu gelten, eine bestimmte Summe an Würfelwerten aller beteiligten Spieler voraussetzen. Erfolgreiche Expeditionen liefern Ressourcen und Abzeichen, die für die Endwertung relevant sind.
Weiter geht es zu den Ressourcen-Abbaufeldern „Energie“ und „Mineralien“. Beim Einsetzen der Würfel in Phase 1 wurden diese gemäß ihren Augenzahlen in die stetig wachsende Reihe einsortiert und in Phase 2 in eben dieser Reihenfolge abgehandelt. So lange noch Ressourcen vorhanden sind, bedienen sich die Spieler in Höhe ihres Würfelwertes, bis das Feld komplett leergeräumt wurde.
Als nächstes werden Gebäude errichtet. Derjenige Spieler, der mit dem höchsten Würfelwert auf eines der Gebäude bietet, erhält den Zuschlag und darf dieses Gebäudeplättchen zum Preis seines Gebotes in Mineralien neben seinem eigenen Spielertableau errichten. Kann oder will der Spieler nicht bezahlen, erhält der Spieler mit dem nächst höheren Würfelwert die Möglichkeit, das Gebäude zu bauen.
Auf den beiden letzten Aktionsfeldern können Siedler angeworben bzw. umgeschult werden. Ersteres kostet je Siedler 2 Energiewürfel. Letzteres einen Siedler vom eigenen Tableau, der umgeschult werden soll. So können Pioniere, Ingenieure, Soldaten oder Verwalter in einen anderen Siedlertypus ausgetauscht werden.
Die erworbenen Siedler beziehen direkt die vorhandenen Gebäude des Spielers oder werden in Notunterkünften untergebracht, welche aber am Rundenende mit Energie befeuert oder wieder abgegeben werden müssen.
Wer auf einem Aktionsfeld komplett leer ausgeht, schreitet auf einer Hilfsgüterleiste voran und erhält immerhin noch verschiedene Trostpflaster.
In der dritten Phase des Spiels, aktivieren die Spieler ihre voll besetzten Gebäude, um so bereits während des Spiels ein paar Siegpunkte zu generieren oder Sondereffekte zu nutzen. Außerdem wird der Spielplan aufgeräumt und für die Folgerunde neu aufgebaut.
Das Spiel endet nach sechs Runden und der Spieler mit den meisten Siegpunkten aus Gebäuden, Expeditionsabzeichen, Siedlern und Ressourcen erhält die Vorherrschaft über den kleinen Eisplaneten und gewinnt das Spiel.
Material, aus dem die Sterne sind
Das Spielmaterial des ARTEMIS PROJEKTs ist aus hochwertigem Holz und dicker Pappe. Die Werkzeugmarker empfinde ich, im Vergleich zu dem übrigen Material, als zu groß. Lobenswert ist die Spielrundenübersicht. Sie ist sowohl auf einer Standard-Skat großen Karte als auch auf der Rückseite der Anleitung abgedruckt. Nach den ersten ein bis zwei Runden wird diese aber maximal noch für die Unterhaltsphase benötigt.
Das mitgelieferte Schüttelschiff, das den Stoffbeutel ersetzen soll, ist einfach nur ein schlechter Witz! In der Anleitung wird es als „super Alternative zum Stoffbeutel“ beworben und soll das Ertasten bestimmter Siedlerfiguren beim Herausziehen aus dem Stoffbeutel verhindern. Die Siedlerfiguren werden in das Schiff geladen und bei Bedarf die benötigte Menge herausgeschüttelt! Ertastbar sind die Figuren zwar nicht mehr, aber nützlich ist das Schüttelschiff dennoch nicht! Wird es nicht im perfekten Winkel geschüttelt, fallen zu viele Siedler heraus und alle müssen für einen erneuten Versuch zurück ins Schiff steigen. Es wird neu geschüttelt und geschüttelt, bis die korrekte Anzahl an Siedlern herausgeschüttelt werden konnte! Ein Geschicklichkeitselement, das das Spiel nicht braucht! Ein Glück, dass der Stoffbeutel im Lieferumfang enthalten blieb!
Die Anleitung ist gut strukturiert und verständlich geschrieben. Beispiele sind farblich hinterlegt und zum Verstehen der Regeln nicht zwingend erforderlich. Ein Inlay gibt es nicht. Ein gefalteter Karton teilt die Schachtel in zwei Bereiche auf, sodass das Spielbrett flach obenauf eingelegt werden kann.
Als ich das Spiel bei der Spieleschmiede zum ersten Mal gesehen hatte, konnten mich das Thema und die wunderschönen Illustrationen bereits begeistern. Nach dem Lesen der Anleitung folgte die erste Ernüchterung. Ich hatte mir irgendwie… mehr vorgestellt… aber gut. „Jetzt liegt es auf dem Tisch und wird natürlich ausprobiert!“. Die Kennenlernpartie war überraschend Gut. „Ja, das Spiel hat was! Einfach, schlicht und schnell erklärt… es muss nicht immer komplex sein…“ Leider hat dieses Gefühl in nachfolgenden Partien immer weiter abgenommen.
Manche der Einsatzfelder fühlen sich deutlich stärker als andere an und wurden daher von allen bevorzugt verwendet. Gebäude bauen und diese mit den richtigen Siedlern zu besetzten ist das wichtigste im Spiel. Siedler umschulen sollte nicht allzu häufig eingesetzt werden, denn neue Siedler anzuwerben bringt einem deutlich mehr, vorausgesetzt es steht eine ausreichende Menge an Gebäuden zur Verfügung, um diese unterzubringen. Falls es einen Mangel an eigenen Gebäuden gibt, gerät man ohnehin schnell ins Hintertreffen und kann dann noch über Expeditionen versuchen, Punkte zu machen.
Expeditionen können eine Menge Würfelaugen verbrauchen und Gegenspielern zu einem geschenkten zweiten Platz verhelfen. Die Ereigniskarten sind nicht gerade kreativ, dafür aber sehr schön illustriert und variieren die Spielrunden etwas.
Enttäuscht hat mich vor allem das Schüttelschiff, das in der Anleitung gelobt wird, dieses in meinen Augen aber überhaupt nicht verdient hat!
Wenn das Schiff wie ein Zuckerspender konstruiert worden wäre, sodass immer nur ein paar wenige Siedler pro Schüttelaktion aus dem Schiff purzeln würden, dann könnte ich dieses Gimmick vermutlich gutheißen. In der beigelegten Variante ist es einfach nur unnötiges Zusatzmaterial! Es wegzulassen, wäre vermutlich die bessere Entscheidung gewesen…
Die Auslieferung des Spiels sollte im Dezember 2019 stattfinden. Mit vier Monaten Verspätung wurde es im April 2020 an die Kunden verschickt. Für ein Crowdfunding Projekt liegt das damit aber noch in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen.
Das Spiel konnte mich durch Optik und die einfachen und gut nachvollziehbaren Regeln überzeugen. Das interessante Thema lässt sich leider nur an den Namen der Gebäude, sowie deren Personalbesetzung erkennen, drängt sich dort aber nicht in den Vordergrund. Das restliche Spiel könnte auch in eine andere Schachtel sortiert werden.
Leider reicht eine hübsche Illustration und funktionierende Mechaniken in der heutigen Spielewelt nicht mehr aus, um aus der Masse der Neuheiten herauszustechen. DAS ARTEMIS PROJEKT greift nach den Sternen, wird dabei aber leider von innovativeren Spielen überholt.
Bilder vom Spiel
Tags: Ressource Management, 60-75 Minuten, Würfelplatzierung, Weltraum, Science Fiction, 1-5 Spieler, Eurogame