TEST // KANBAN EV
Willkommen zur Einweisung der neuen Mitarbeiter! Ich bin Sandra, Leiterin dieses Produktionswerkes für Elektro-Automobile. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die betrieblichen Fortbildungsmöglichkeiten nutzen, um sämtliche Arbeitsabläufe aller Abteilungen zu beherrschen. Ihre Leistungen überprüfe ich täglich und hoffe, dass Sie mich in den Firmenmeetings mit Ihren Präsentationen überzeugen. Folgen Sie mir! Von der Verwaltung gehen wir zunächst zur Designabteilung, wobei die entsprechenden Autoteile in der Logistikabteilung beschafft werden. Hier sehen Sie die ersten Fahrzeuge der neuen Sportwagen-Linie vom Fließband rollen, die gleich in der Forschung und Entwicklung auf der Teststrecke begutachtet werden....
Wir haben KANBAN EV selbst gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Erlange den schwarzen Gurt in Prozessoptimierung!
In KANBAN EV verkörpert jeder Spieler einen Fabrikarbeiter in einem Produktionswerk für Elektroautos. Jede Runde bildet einen Arbeitstag ab, der aus zwei Phasen besteht: In der Auswahlphase stellt jeder Spieler seinen Arbeiter in eine der fünf möglichen Abteilungen. In jeder Abteilung kann der Arbeiter entweder zwei oder drei Schichten erledigen. Um Überstunden zu machen, können die Spieler auch ihr mühsam angespartes Zeitkonto räumen. Entsprechend viele Aktionen dürfen in diesem Bereich dann durchgeführt werden.
Ab dem zweiten Arbeitstag darf der Spieler zuerst einen neuen Arbeitsplatz wählen, dessen Spielfigur am weitesten oben auf dem Spielbrett zu finden ist. Genau wie die Wahlreihenfolge wird auch die Spielerreihenfolge zur Aktivierung der Aktionen von oben nach unten ausgelöst.
Jede Abteilung erlaubt andere Aktionen:
In der Designabteilung liegen Designblättchen mit verschiedenen Automodellen, die auch unterschiedliche Autoteile benötigen, aus. Mit einer Schicht darf der Spieler ein Design auf sein Spielertableau legen.
Die Logistikabteilung erlaubt dem Spieler die Autoteile auf dem Spielplan mithilfe seiner Bestellungskarten, von denen jeder Spieler stets zwei auf der Hand hat, aufzufüllen. Zudem können diese Autoteile abgeholt und auf dem eigenen Spielertableau gelagert werden.
In der Fertigungsabteilung können damit nun verschiedene Automodelle produziert werden. Wird ein Bauteil auf der Fertigungslinie hinter einem Fahrzeug platziert, setzt sich die Produktionskette in Bewegung und das vorderste Fahrzeug dieser Reihe fährt auf dem Fließband einen Platz nach vorne. Hinten wird nachgerückt und ein neues Auto desselben Modells nimmt den Platz ein. Sobald das vorderste Auto auf diese Weise das Fließband vollständig verlässt, fährt es zur Teststrecke und reiht sich hinter dem silbernen ,,Safety Car‘‘. In dieser Abteilung, der Forschung und Entwicklung, kann ein Spieler dieses getestete Auto beanspruchen. Das Modell wird danach auf eine freie Werkstatt auf dem eigenen Spielertableau gestellt und das Safety Car um ein Feld vorwärtsbewegt. Fährt das Safety Car zu irgendeinem Zeitpunkt über ein schraffiertes Feld, ist es Zeit für ein Meeting am Ende dieser Arbeitsphase. In dieser Abteilung besteht für die Spieler außerdem die Möglichkeit, bereits gelagerte Designs zu verbessern. Dafür wird das auf dem eigenen Designblättchen abgebildete Ressourcenteil auf ein Bonusfeld des entsprechenden Modells gelegt und der dazu passende Marker auf der Upgradeleiste ein Feld nach vorne gesetzt. Besitzt der Spieler das zum verbesserten Design passende Automodell, gilt es als ,,getestetes Design“ und gibt dem Spieler mehr Siegpunkte bei der Wochenwertung und am Ende des Spiels.
In der Verwaltung dürfen Aktionen aus allen anderen Abteilungen durchgeführt werden.
In jeder dieser Abteilungen können Schichten zur Weiterbildung aufgewendet werden. Entsprechend schreitet der eigene Fortbildungsmarker in der jeweiligen Abteilung voran. Überschreitet der Marker die erste Hürde, gilt der Arbeiter als zertifiziert und darf den dazu passenden Bereich auf seinem Spielertableau freischalten. So entsteht mehr Platz für das persönliche Lagern von Designs, Autos und Ressourcen.
Zu Spielbeginn können die Spieler entscheiden, ob Sandra, die Werksleiterin, eine gut gelaunte oder eine anspruchsvolle Chefin sein soll. Entscheidet man sich für die bestrafende Variante, beurteilt Sandra in der Abteilung, in der sie sich aufhält, immer denjenigen Fabrikarbeiter, der sich dort am wenigsten fortgebildet hat. Um einem Punkteabzug entgegenzuwirken, muss der Spieler bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die belohnende Chefin spendiert dem bestfortgebildeten Fabrikarbeiter ihrer aktuellen Abteilung Siegpunkte, wenn seine Leistungen stimmen.
Ist Sandra wieder ganz unten in ihrem Büro angekommen, findet am Ende der Runde eine Wochenwertung statt. Spieler bekommen für Autos in ihrer Werkstatt, die aufgewertete und getestete Designs sowie verbesserte und verbaute Autoteile aufweisen, Siegpunkte.
Wird ein Meeting am Ende einer Runde abgehalten, legen die Spieler ihre gesammelten Vortragsmarker abwechselnd auf die offen ausliegenden Präsentationskarten, um ihre Errungenschaften werten zu können. Auf den Karten ist nie Platz für alle Vortragsmarker, denn Sandra legt zwar großen Wert auf Leistung, aber je mehr über ein Thema geredet wird, desto weniger interessiert sie sich dafür. Daher werden nachfolgende Redner mit weniger Punkten belohnt.
Das Spiel endet, wenn Meetings und Wochenwertungen in einer bestimmten Anzahl abgehalten wurden. In der Schlusswertung werden Abschlusszielplättchen, überschüssige Überstunden, Boni, beanspruchte Automodelle, Positionen auf den Fortbildungsleisten und getestete Designs in Siegpunkte umgewandelt. Wer am Ende auf der Siegpunkteleiste vorne liegt, hat das Spiel gewonnen.
Insgesamt gibt es von Recyclingteilen oder Fabrikzielen, bis zu generischen Markern, Autoteil-Gutscheinen, Bücher und Vorgaben zum Einbau bereits verbesserter Autoteile noch einige weitere Regeln zu beachten, deren Erklärung aber an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden.
Stilvolles Fabrikdesign mit Elektroautos aus Holz
Wie bereits bei Lacerda-Vorgängern bietet Skellig Games auch hier eindeutig wieder großartige Materialqualität für einen stolzen Preis. Wie bei eigentlich allen Spielen des Autors bekommt der Käufer jede Menge fette (dick wäre noch untertrieben) Holztoken und in diesem Spiel sogar Holzautos. Diese finden ordentlich aufgereiht in einer Sortierbox ihren Platz, genau wie die anderen bemalten Holzteile. Das Plastik-Inlay mit Zwischendeckel unterstützt sowohl einen schnellen Aufbau, als auch eine sichere Aufbewahrung.
Zwei Regelhefte, für das normale Spiel und für das Solospiel, befinden sich in der riesigen Box. Die vielen Marker und Plättchen werden mit Fachbegriffen ausgestattet, was das Thema zwar gut einfängt, das Regellesen aber unnötig kompliziert gestaltet. Die zentralen Mechanismen und Abläufe hätten ausführlicher und bebilderter behandelt werden können, um einen reibungsloseren Spielablauf möglich zu machen.
„Lacerda-Kenner“ wissen bereits: In seinen Spielen liegt die Antwort auf die philosophische Frage, „Was war zuerst da: das Huhn oder das Ei – die Mechanik oder das Thema?“, auf der Hand. Man spürt sofort: Die einzelnen Mechanismen wurden erst nach der Themenfindung regelrecht komponiert, perfekt daran angepasst, statt umgekehrt. Die Mechanik transportiert das Thema. Vom Lesen der ersten Seite des Regelhefts bis zum letzten Setzen eines Ressourcenmarkers bin ich als Spieler Teil dieser Fabrik. Das simple Stellen der rosa Figur mit Klemmbrett auf das Spielfeld löst in mir das Bild der kaltschnäuzigen Chefin aus, die sich in allen Abteilungen über meine Fortschritte informiert und mir bei jedem Handgriff kleinlich über die Schulter schaut. Ein bunter Holzklotz berührt eine reduziert illustrierte Pappkarte und schon befinde ich mich in einem Konferenzsaal, einen Vortrag über meinen aktuellen Leistungsstand bezüglich der Verbesserung des Fahrassistentensystems unseres Kleinwagenmodells haltend. Sandra gähnt. Die Wochenwertung steht ebenfalls noch aus…
Brettspiele können im Idealfall Welten eröffnen und mir Rollen anbieten, in denen ich mich ausleben kann, ohne meinen Küchentisch zu verlassen. Diese Möglichkeit der Identifikation bietet uns Lacerda auf herausragende Weise, obwohl das Spiel an sich doch sehr mechanisch ist. KANBAN EV stellt dir daher nur die Frage: Wolltest du schon immer einmal Angestellter in einer Automobilfabrik sein? Erwischst du dich gerade bei einem vehementen Nicken, dann erhältst du mit KANBAN EV ein Expertenspiel, bei dem jedes noch so kleine Zahnrädchen (oder eher jedes Zahnriemchen) ineinandergreift, das unterschiedliche strategische Möglichkeiten und clevere Workerplacement-Mechanismen mit nur einem einzigen Arbeiter bietet, das ein intensives Regelstudium fordert, das wunderschön aussieht und bei dem du mit kleinen Holzautos spielen darfst.
Du bist mit deinem aktuellen Job sehr zufrieden und möchtest keine Überstunden in der Industriehalle schuften? Beim Lesen der Wortbedeutung des japanischen Wortes KANBAN, welches die Methode zur Prozessorientierung, die effiziente Fließbandarbeit, die zeitoptimale Fertigung und problemlose Arbeitsabläufe meint, empfindest du nur Anstrengung? Dann würdest du bei diesem Spiel wahrscheinlich auch genau das finden: Arbeit. Noch in der dritten Partie sind uns Regelfehler unterlaufen und wir haben Details vergessen, denn die einzelnen Schräubchen sind auch sehr kleinteilig. Die Regeln verlangen nach intensiver Beschäftigung. Wahrscheinlich fällt gerade den Spielern, die die Holzautos von der Fertigung zur Teststrecke stellen, anstatt zu fahren, auch auf, dass die Abfolge des Versetzens der Arbeiter in der Auswahlphase etwas verwirrend sein kann und dass es mit zwei Spielern mehr Aufwand bedeutet, unterschiedliche Fahrzeugmodelle vom Stapel zu lassen, als mit einer größeren Belegschaft. Jede Wochenwertung verlangt von ihnen einen genauen Blick in die Fabrikstatuten, was denn jetzt wieder wie und warum gewertet wird, weil die beigelegte Hilfstafel ihrer Funktion nicht gerecht wird. Die strenge Sandra kann diese Fortbildungsmuffel durch Minuspunkte zudem schnell frustrieren, die Ellenbogenkultur der Arbeitskollegen tut ihr übriges.
Machen diese Spieler sich von (ihrer Mitspieler-)Konkurrenz frei, um sich im Solospiel zu verwirklichen, konfrontiert sie KANBAN EV gnadenlos mit den beiden Abteilungsleitern Herrn Lacerda und Herrn Tuczi, die teilweise mehr Verwaltungsaufwand fordern, als der Spielspaß hergibt. Störfaktoren im ansonsten perfekten Arbeitsablauf.
Ein Lacerda-Spiel zu spielen, erfordert Übung und Auseinandersetzung. Man sollte immer beachten, dass es mit einer Partie noch lange nicht getan ist. Am Ende des (Arbeits)tages stellt sich für interessierte Expertenspieler, die vor dem Kauf eines seiner Spiele stehen, nur die Frage, welche Thematik das innere Kind besonders anspricht. Denn mechanisch ist jedes seiner Werke interessant und herausfordernd. KANBAN EV stellt hier keine Ausnahme dar.
Bilder vom Spiel
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Tags: Ressourcenmanagement, Workerplacement, 60-180 Minuten , 1-4 Spieler, Eurogame