TEST // ANNO 1800 - Das Fazit, Wertung & weitere Bilder
Ich muss zunächst darauf hinweisen, dass ich viele Spiele von Martin Wallace kenne und schätze, auch wenn die von ihm selbst verlegten Spiele vor allem oft am Ende sinnlos ausufern und nicht immer gut ausbalanciert sind. Doch was hier aus der Kombination eines erfahrenen Autors, einer alten Strategie-Serie und einer sehr erfahrenen, routinierten, professionellen Redaktion entstanden ist, hat mich wirklich überrascht.
Ich spiele die ANNO-Serie seit dem ersten Teil und auch wenn ich diesbezüglich weit weg von einem Experten bin, kann ich feststellen, dass Martin Wallace genau das herausgearbeitet hat, was das Spiel ausmacht. Produktionsketten erstellen, mit der Bevölkerung als Ressource umgehen und diese stetig erweitern, weiterentwickeln und ihre Bedürfnisse befriedigen. Außerdem explorieren, expandieren und Handel treiben.
Das alles findet in einer sehr abstrakten Ebene statt, denn durch die Limitierung des Mediums wäre eine riesige zufällige Insel umgeben von Meer pro Spieler wenig zielführend gewesen. Es hätte optisch vielleicht mehr hergemacht und hätte den Eindruck erzeugt, ein „echtes“ ANNO zu spielen, aber die hier erreichte Spieltiefe wäre kaum möglich gewesen. Deswegen bin ich sehr froh über die wohl bewusst getroffene Entscheidung, das Spiel auf das Wesentliche zu konzentrieren Und das auf einem brillanten Niveau.
Trotzdem werde ich unter diesen Test keine 90+ schreiben Neben der nicht mehr ganz zeitgemäßen Produktionsqualität gibt es weitere Schwächen, die berücksichtigt werden müssen.
Die Spielzeit könnte manche Spieler stören, denn sie ist durchaus lang und vor allem in den ersten Partien kann sie ausufern. Das liegt an der Vielzahl an Möglichkeiten, in die sich erst einmal hineingedacht werden muss. Durch die Reduzierung auf eine Aktion pro Zug dauert es manchmal einige Runden, bis das angestrebte kleine Zwischenziel erreicht werden kann. Das ist alles nicht schlimm. Aber wenn dann ein Mitspieler aus Überforderung und Optimierungszwang besonders lange nachdenkt, kann es sich negativ auf das Spielgefühl auswirken.
Außerdem findet kaum Interaktion mit den Mitspielern statt. Ja, es kann Handel getrieben werden, was sich aber auf das Nutzen eines Gebäudes, das Abgeben eines Markers und das Erhalten eines Goldes reduziert. Immerhin freut man sich eventuell, wenn ein Mitspieler einem unbewusst hilft, indem er ein Gebäude baut, was selbst dringend benötigt wird, und nun durch Handel an die Ware gelangt werden kann.
Kommen wir noch zum dritten negativ anzusehenden Aspekt. Der Aufbau des Spieleplans mit dem Stapeln von 120 Bauplättchen – oft nur zu zweit auf einen Haufen – ist wirklich sehr aufwendig und bedarf einiges an Geduld.
Das ist aber letztlich alles Klagen auf hohem Niveau. Das Spiel kann auf dem Tisch überzeugen und es macht sehr vieles sehr richtig. Ich wünsche mir, dass Kosmos und Martin Wallace auch 2021 zusammenarbeiten und ein weiteres gut poliertes Spiel auf den Markt bringen.
Für Menschen, die gerne längere strategische Spiele spielen, ist ANNO 1800 ein Eldorado der Optionen und Vielfalt. Die Spielgruppe sollte gut ausgesucht sein und Grübler sollten an einem separaten Tisch unter sich bleiben. Dann kann das Optimieren von Taktiken beginnen und die Insel immer wieder besiedelt werden.
Für Fans der PC-Vorlage ist es vermutlich das beste analoge Multiplayer-Erlebnis, das sie haben können.
Bilder vom Spiel
Tags: Ressoucenmanagement, 120 Minuten, Videospielumsetzung, 1-4 Spieler, Wirtschaftsspiel, Strategie