TEST // ANNO 1800

TEST // ANNO 1800

Mit der analogen Version von ANNO 1800 trifft eine altbekannte PC Strategie-Serie, die 1998 erstmals erschienen ist, auf den altbekannten Spieleautoren MARTIN WALLACE, der seine Karriere als Autor 1996 startet. ANNO 1800 ist zwar nicht der erste Versuch, die Serie auf den Spieltisch zu bringen, aber die Mischung von Autor und Thema machen Hoffnung auf einen großen Wurf. Wie groß dieser ausfällt, wollen wir nun klären.

 

info anno1800

Darum geht es in ANNO 1800

Wer schon einmal mit einem Teil der ANNO-Serie zu tun hatte, wird die Prämisse des Spiels kennen: Besiedelt eine Insel, baut die Infrastruktur aus, entwickelt die Industrie und die Bevölkerung weiter. Zusätzlich gilt es, mit dem Schiff andere Inseln zu entdecken, Handel zu treiben und sogar zur neuen Welt aufzubrechen. All das lässt sich im Brettspiel erleben, wenn auch zum Teil sehr abstrakt.

 

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Der Spielablauf

Das Hauptspielfeld von ANNO 1800 besteht aus einer großen Auslage, auf der sich massig Plättchen befinden. Die Spieler verfügen jeweils über ein Tableau, das die eigene Insel mit einigen Grundgebäuden zeigt. Farbige Holzwürfel repräsentieren die Bevölkerung, pro Holzwürfel wird eine Bevölkerungskarte gezogen.

Ziel des Spiels ist es, alle Karten aus der Hand auszuspielen und damit das Spielende einzuleiten. Gewonnen hat derjenige mit den meisten Punkten. Punkte bringen ausgespielte Bevölkerungskarten, Expeditionskarten, Gold, Auftragskarten und das Feuerwerksplättchen, welches derjenige erhält, der das Spielende einleitet.

 

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So spielt sich ANNO 1800

Wie für ANNO-Spiele üblich, hat der Spieler ein großes Repertoire an Aktionsmöglichkeiten. Pro Runde darf jeweils nur eine davon gewählt werden. Folgende Aktionen stehen zur Verfügung:

 

AUSBAUEN // Ausbauen bedeutet, dass aus der Auslage ein Gebäude genommen wird, sofern die benötigten Rohstoffe vorhanden sind. Diese werden ausgegeben, indem Bevölkerungssteine in bereits vorhandene Produktions-Gebäuden platziert werden. Sie müssen farblich passen, denn es gibt Bauern, Arbeiter, Handwerker, Ingenieure und Investoren. Jede Insel hat eine eigene Bevölkerung, die als Vorrat dient. Zudem gibt es Werften, die gebaut und ausgebaut werden können, um bessere Schiffe zu bauen. Pro Werft kann ein Schiff gebaut werden. Schiffe sind wichtig, um an Waren zu kommen, die auf der eigenen Insel nicht vorhanden sind, und um auf andere Inseln und in die Neue Welt zu expandieren. Schiffe bringen Handels- und Erkundungsmarker. Die Erkundungsmarker werden vornehmlich für das Erschließen und Erkunden verwendet. Handelsmarker dürfen abgeworfen werden, um Waren von Produktionen anderer Spieler zu verwenden, sofern die Gebäude noch frei sind. Der Mitspieler erhält dafür Gold.

 

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BEVÖLKERUNGS-KARTE AUSSPIELEN & AKTIVIEREN // Mit dieser Aktion können Karten von der Hand ausgespielt werden. Wie beim AUSBAUEN müssen bestimmte Waren produziert werden (wieder durch das Einsetzen von Bevölkerungssteinen auf Produktionsstätten), um die entsprechende Karte zu erfüllen. Diese Karte bietet dafür Boni, die sofort oder auch zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt einmalig genutzt werden dürfen. Verwendete Karten können umgedreht an die Seite gelegt werden.

 

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BEVÖLKERUNGS-KARTEN AUSTAUSCHEN // Da die Anzahl von vielen Gebäuden auf zwei begrenzt ist und die Insel selbst nach Erkundung nur begrenzt Platz bietet, kann kein Spieler alle Gebäudetypen bauen. Handel ist umständlich und teuer, was dazu führt, dass manche Kartenbedingungen nur sehr schwer erfüllbar sind. Ist dies der Fall, können Karten getauscht werden. Bis zu drei Karten dürfen abgelegt, drei neue dafür gezogen werden.

 

ARBEITSKRAFT ERHÖHEN // Die Produktion läuft an und die Fabriken produzieren. Mit der Zeit und den gestiegenen Möglichkeiten ist es unausweichlich, neue Bevölkerung auf die Insel zu holen. Bis zu drei neue Bevölkerungssteine dürfen genommen werden, dafür müssen aber je nach Typ unterschiedliche Rohstoffe / Waren abgegeben werden. Für jeden Stein muss dann aber auch eine entsprechende Bevölkerungskarte gezogen werden.

 

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AUFSTEIGEN // Die Bevölkerung partizipiert vom Aufstieg der Insel und kann sich kontinuierlich weiterentwickeln. Aus einem Bauern kann ein Arbeiter werden und später ein Handwerker und so weiter. Für den Aufstieg werden Waren benötigt und maximal drei Bevölkerungssteine können in einer Runde aufsteigen.

 

ALTE WELT ERSCHLIESSEN // Diese Aktion benötigt Erkundungsplättchen und ermöglicht, die Alte Welt weiter zu erschließen. Neue Tableaus ermöglichen mehr Baufelder, mehr Schiffe und Werften.  Zudem bringen sie gleich ein Gebäude oder einen Bonus mit.

 

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NEUE WELT ERKUNDEN // Die Neue Welt zu erkunden, ist die Möglichkeit, drei Neue-Welt Karten zu ziehen und für sich exklusiv Waren zu haben, die von anderen Spielern nicht per Handel erworben werden dürfen.

 

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EXPEDITIONSKARTEN NEHMEN // Gegen die Abgabe von zwei Erkundungsplättchen dürfen sich die Spieler 3 Erkundungskarten nehmen. Diese bringen am Spielende zusätzliche Einflusspunkte.

 

STADTFEST FEIERN // Wer hart arbeitet, braucht irgendwann Entspannung. Jederzeit darf ein Stadtfest abgehalten werden, die Arbeiter entspannen sich und kehren zurück in ihre Häuser. Danach stehen sie wieder für neue Aufgaben zur Verfügung und die Gebäude sind wieder alle frei und können neu genutzt werden.

 

Das Spielmaterial

Das Spielmaterial ist sehr üppig, denn es befinden sich allein 120 Bauplättchen und 102 Bevölkerungskarten in der Box sowie zahlreiches anderes Spielmaterial.

Die Box hat leider weder ein Inlay noch ist sie bedruckt. Da bin ich in den letzten Jahren bei Kosmos schon einen höheren Standard bei der Produktion gewöhnt. Das gilt auch für den Spielplan, der aus zwei riesigen Puzzleteilen besteht. Da bieten selbst kleinere Verlage bei Spielen mit einer Auflage von 1.000 Spielen eine deutlich bessere Qualität. Bei einem ausgerufenen UVP von knapp 50 € ist dies nicht mehr ausreichend.

Keine Blöße gibt sich der Verlag aber bei der Anleitung, die alle Bereiche kurz und verständlich auf den Punkt bringt. Lediglich ein paar Formulierungen sind uneindeutig und werfen Fragen auf, was durch ein Erratum bereits gefixt wurde. Das gilt ebenfalls für die Grafik, die hübsch und übersichtlich zu gleich ist.

 

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meinung zum spiel DK

 

Ich muss zunächst darauf hinweisen, dass ich viele Spiele von Martin Wallace kenne und schätze, auch wenn die von ihm selbst verlegten Spiele vor allem oft am Ende sinnlos ausufern und nicht immer gut ausbalanciert sind. Doch was hier aus der Kombination eines erfahrenen Autors, einer  alten Strategie-Serie und einer sehr erfahrenen, routinierten, professionellen Redaktion entstanden ist, hat mich wirklich überrascht.

Ich spiele die ANNO-Serie seit dem ersten Teil und auch wenn ich diesbezüglich weit weg von einem Experten bin, kann ich feststellen, dass Martin Wallace genau das herausgearbeitet hat, was das Spiel ausmacht. Produktionsketten erstellen, mit der Bevölkerung als Ressource umgehen und diese stetig erweitern, weiterentwickeln und ihre Bedürfnisse befriedigen. Außerdem explorieren, expandieren und Handel treiben.

 

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Das alles findet in einer sehr abstrakten Ebene statt, denn durch die Limitierung des Mediums wäre eine riesige zufällige Insel umgeben von Meer pro Spieler wenig zielführend gewesen. Es hätte optisch vielleicht mehr hergemacht und hätte den Eindruck erzeugt, ein „echtes“ ANNO zu spielen, aber die hier erreichte Spieltiefe wäre kaum möglich gewesen. Deswegen bin ich sehr froh über die wohl bewusst getroffene Entscheidung, das Spiel auf das Wesentliche zu konzentrieren Und das auf einem brillanten Niveau.

Trotzdem werde ich unter diesen Test keine 90+ schreiben Neben der nicht mehr ganz zeitgemäßen Produktionsqualität gibt es weitere Schwächen, die berücksichtigt werden müssen.

Die Spielzeit könnte manche Spieler stören, denn sie ist durchaus lang und vor allem in den ersten Partien kann sie ausufern. Das liegt an der Vielzahl an Möglichkeiten, in die sich erst einmal hineingedacht werden muss. Durch die Reduzierung auf eine Aktion pro Zug dauert es manchmal einige Runden, bis das angestrebte kleine Zwischenziel erreicht werden kann. Das ist alles nicht schlimm. Aber wenn dann ein Mitspieler aus Überforderung und Optimierungszwang besonders lange nachdenkt, kann es sich negativ auf das Spielgefühl auswirken.

Außerdem findet kaum Interaktion mit den Mitspielern statt. Ja, es kann Handel getrieben werden, was sich aber auf das Nutzen eines Gebäudes, das Abgeben eines Markers und das Erhalten eines Goldes reduziert. Immerhin freut man sich eventuell, wenn ein Mitspieler einem unbewusst hilft, indem er ein Gebäude baut, was selbst dringend benötigt wird, und nun durch Handel an die Ware gelangt werden kann.

 

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Kommen wir noch zum dritten negativ anzusehenden Aspekt. Der Aufbau des Spieleplans mit dem Stapeln von 120 Bauplättchen – oft nur zu zweit auf einen Haufen – ist wirklich sehr aufwendig und bedarf einiges an Geduld.

Das ist aber letztlich alles Klagen auf hohem Niveau. Das Spiel kann auf dem Tisch überzeugen und es macht sehr vieles sehr richtig. Ich wünsche mir, dass Kosmos und Martin Wallace auch 2021 zusammenarbeiten und ein weiteres gut poliertes Spiel auf den Markt bringen.

Für Menschen, die gerne längere strategische Spiele spielen, ist ANNO 1800 ein Eldorado der Optionen und Vielfalt. Die Spielgruppe sollte gut ausgesucht sein und Grübler sollten an einem separaten Tisch unter sich bleiben. Dann kann das Optimieren von Taktiken beginnen und die Insel immer wieder besiedelt werden.

Für Fans der PC-Vorlage ist es vermutlich das beste analoge Multiplayer-Erlebnis, das sie haben können.

 

wertung anno 1800

 

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Bilder vom Spiel

 

Tags: Ressoucenmanagement, 120 Minuten, Videospielumsetzung, 1-4 Spieler, Wirtschaftsspiel, Strategie

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