Leben in Reterra Award Nachhaltigkeit

Erstes Brettspiel erhält FSC Nachhaltigkeitsaward - ein kritischer Blick auf Preis und Preisträger

Leben in Reterravon Hasbro erhält als erstes Brettspiel überhaupt den FSC Sustainability Leadership Award. Der FSC, Forest Stewardship Council, hat das erste System zur Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft entwickelt und verleiht das FSC-Siegel an nachhaltig produzierte Waldprodukte wie Holz und Papier. Der FSC und seine Siegel stehen allerdings auch in der Kritik, so dass zum Beispiel Greenpeace seine dortige Mitgliedschaft 2018 beendet hat, weitere Infos dazu findet ihr hier.

Mit den Leadership Awards werden dem FSC zufolge „branchenübergreifend herausragende Leistungen bei der Verwendung von FSC-zertifizierten Produkten und Materialien sowie das Engagement für eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung ausgezeichnet.“ Als Begründung für die Auswahl von „Leben in Reterra“ nennt der FSC die Nachhaltigkeitsthematik des Spiels und die Tatsache, dass das verwendete Papier und Holz aus FSC zertifizierten Quellen stammt. Über die diesjährigen Preisträger im allgemeinen sagt Sarah Billig, Präsidentin des FSC USA: „Diese bemerkenswerten Organisationen sind führend auf dem Weg von der Waldbewirtschaftung zum Endprodukt und inspirieren uns alle mit ihrem Engagement für eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung.“ 

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Das klingt nach einem recht überschwänglichen Lob für ein Spiel, welches auch Plastikteile enthält und außerdem in China produziert wird. Und auch Hasbro engagiert sich zwar im Bereich Nachhaltigkeit, was ihr hier nachlesen könnt, bleibt aber ein riesiger Hersteller von Plastikspielzeug, der viele Produkte in China produzieren lässt. Wieso genau dieses Spiel eben dieses Verlags den Award erhält, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Im Vordergrund scheint die Verwendung des FSC-Siegels für das verwendete Material und weniger das zukunftsweisende Engagement zu stehen. Dabei gibt es deutlich ambitioniertere Brettspiel-Verlage, die eine echte grüne Vorreiterrolle einnehmen und uns „mit ihrem Engagement inspirieren“.

Wir nehmen die Preisverleihung zum Anlass, uns einige Positivbeispiele und Entwicklungen zum Thema Nachhaltigkeit in der Brettspiel-Branche anzuschauen. Um diese richtig einordnen zu können, müssen wir uns zunächst die üblichen Praktiken und Umweltsünden der Brettspielindustrie vor Augen führen:

  • Überwiegend Spielmaterial aus Plastik, vor allem viele neue Kickstarter-Projekte übertrumpfen sich geradezu mit großen Mengen an Plastikminiaturen oder ähnlichem
  • Plastikkarten und Plastikbeschichtungen, sowie Plastiktüten und Einschweißfolien
  • Häufige Verwendung von Holz und Papier aus nicht zertifizierten Quellen
  • Verschwenderisch große, statt kompakte Kartons und somit mehr Materialverbrauch und umweltschädlichere Transporte und Lagerung
  • Herstellung in Ländern mit schlechten Arbeitsbedingungen und mit sehr langen Transportwegen, vor allem in China.

Doch kommen wir nun zu den Beispielen, wie es auch anders geht. Ein echter Vorreiter in Sachen nachhaltige Produktion ist der Verlag „Earthborne Gamesmit seinem Spiel „Earthborne Rangers“. 

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 „Earthborne Games“ wurde 2020 vom Branchenveteran Andrew Navaro gegründet, der zuvor als Creative Director bei Fantasy Flight Games Spiele wie „Arkham Horror: Das Kartenspiel“ oder „Marvel Champions“ ins Leben gerufen hat. Mit der Gründung seines eigenen Verlags wollte er sich seinen lang gehegten Traum wirklich nachhaltig produzierter Brettspiele erfüllen, seine Vision der Zukunft der Brettspielbranche verwirklichen und verfolgt dieses Ziel außergewöhnlich konsequent. Zum einen beinhaltet schon das Thema von „Earthborne Rangers“ Nachhaltigkeit, da es letztendlich darum geht, wieder mit der Natur in Einklang zu leben. Zum anderen wird jedes Earthborne-Produkt so nachhaltig wie möglich hergestellt mit einer bemerkenswerten Transparenz und Einblicken während des gesamten Prozesses von der Produktion bis zur Auslieferung. Das bedeutet konkret bei „Earthborne Rangers“:

  • vollständiger Verzicht auf Plastik: die Karten sind in Papier eingeschlagen und haben eine umweltfreundliche, plastikfreie Beschichtung. Keinerlei Plastikverpackungen, dadurch vollständig recycel- und kompostierbar, eine absolute Ausnahme bei modernen Brettspielen!
  • Verwendung von Tinte auf Pflanzenbasis
  • lokale Produktion komplett in Deutschland mit kurzen Transportwegen und fairen Löhnen
  • 100% FSC zertifiziertes Material

Zum Thema Produktion in China, wo der überwältigende Anteil moderner Brettspiele produziert wird, sagt Andrew Navaro Folgendes:
Die Verlockung, nach China zu gehen, ist groß. Ich kann verstehen, warum die Leute diese Entscheidung treffen, oder? Das ist reine Ökonomie. Es macht allen Sinn der Welt, wenn es Ihnen um die Maximierung Ihrer Einnahmen geht. Ich habe mir Angebote für den zweiten Druck (von „Earthborne Rangers“ Anm. d. Red.) von verschiedenen Stellen eingeholt, auch von chinesischen Herstellern, und es ist viel billiger. Weniger als die Hälfte von dem, was es anderswo kostet. Das ist Wahnsinn. Wenn ich mir also diese Zahlen ansehe und denke: Okay, wenn wir nach China gehen, können wir Hunderttausende von Dollar einsparen - sollten wir das tun? Aber als es darauf ankam, dachte ich: Ja, wir könnten mehr Geld verdienen, aber habe ich dieses Unternehmen gegründet, um den Gewinn zu maximieren? Nein. Das habe ich nicht. Ich wollte versuchen, die Dinge anders zu machen, also werden wir auch weiterhin versuchen, die Dinge anders zu machen.

Für wen das alles nach Greenwashing klingt, dem sei diese ausführliche Analyse der BGG-Userin und Klimawissenschaftlerin Haley S. empfohlen, in der sie auf alle Nachhaltigkeitsaspekte von „Earthborne Games“ eingeht und zu dem Schluß kommt, dass es sich hierbei um einen wirklich grünen Verlag mit echten, authentischen Ambitionen handelt. Also ein echter Visionär, der hoffentlich viele Menschen in der Branche inspiriert. Hierfür wurde „Earthborne Rangers“ nachvollziehbarerweise mit dem „Green Games Guide - Nachhaltigkeitspreis 2024“ ausgezeichnet.

 

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Der Green Games Guide ist ein weiteres Beispiel dafür, welche Veränderungen in der Brettspiel-Branche möglich wären. Eine Gruppe von Brettspiel-Publishern, Designern, Herstellern und Spielern hat sich zusammengetan, um einen Leitfaden zu erstellen, der Brettspiel-Herstellern helfen soll, nachhaltiger zu produzieren. Der „Green Games Guide“ bietet unter anderem Ratschläge zur Minimierung der CO²-Emissionen, Reduzierung von Ressourcen sowie für eine faire und lokale Produktion mit kurzen Transportwegen. Die Macher des Leitfadens erklären hierzu auf ihrer Website: „Lassen Sie uns das Offensichtliche benennen: Die Klima- und Umweltkrise ist eine dringende und tödliche planetarische Bedrohung. Dies ist die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte. Ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem wir alle, die in jedem möglichen Sektor arbeiten, die Art und Weise, wie wir über unsere Arbeit und unser tägliches Leben denken, radikal ändern müssen. Der Green Games Guide ist unsere Antwort auf diese Krise. Er enthält konkrete, umsetzbare Schritte, die wir alle unternehmen können - Hersteller, Herausgeber, Designer, Spieler und andere, die Teil der Welt der Brett- und Kartenspiele sind.“ 

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 Weitere positive Entwicklungen in der Brettspielbranche sind zum Beispiel auch:

  • Das Gamechanger Kollektiv: Ein Zusammenschluss von ökologisch produzierenden Verlagen, denen es um echte Nachhaltigkeit sowohl bei der Produktion als auch bei der Themenauswahl geht.
  • Die Fair Toys Organisation e.V., die ein Siegel entwickelt hat und damit umweltfreundliche Spielwaren auszeichnet.
  • CGE Games, die eine neuartige Plastikalternative aus Holzabfällen namens Re-Wood verwenden, zuletzt beim dieses Jahr erschienenen „Seti“.
  • Das letztes Jahr erschienene Spiel „e-mission“ von Schmidt Spiele, welches komplett plastikfrei und CO²neutral in Deutschland hergestellt wird.
  • Das neue Nachhaltigkeitslabel „Greenline“ von Lookout Spiele, unter dem sie plastikfreie Spiele herausbringen.
  • Die „Boardgame Road“, ein von Uwe Rosenberg unterstützes Programm, bei dem sich mehrere deutsche Brettspielverlage zusammengetan haben, um Bäume in Ghana zu pflanzen und nachhaltig zu bewirtschaften.

Es gibt noch viele weitere Beispiele, die zeigen, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Die Auszeichnung des ersten Brettspiels mit dem „FSC Leadership Award“ sendet sicher ein Signal in die Branche und spornt Verlage an, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Aber es lohnt ein genaueres Hinschauen, welche Projekte echten Vorbildcharakter haben und sich auch dadurch unsere Unterstützung verdienen. Denn auch wir als Spielende oder Content Creators können einen Beitrag leisten, indem wir nachhaltig produzierten Spielen und engagierten Verlagen mehr Aufmerksamkeit schenken und vielleicht die Notwendigkeit plastiküberfrachteter Spiele zumindest kritisch hinterfragen und so mehr Bewusstsein für dieses wichtige, uns alle betreffende Thema schaffen.

 

Quellen:

Boardgamewire
FSC Leadership Award
SPIEGEL
Hasbro
Earthborne Games
Kickstarter Earthborne Games Produktionseinblicke
BGG Haley S
Haley S
Green Games Guide
Game Changer
Fair Toys Organisation e.V.

Tags: Branche

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