TEST // GRAMMARGON

TEST // GRAMMARGON

Lernspiele sind nichts neues. In ein PC- oder Brettspiel gekleidet versuchen verschiedenste Autoren immer wieder, das Lernen von langweiligen oder komplizierten Themen interessant zu machen. Auch die Autorin von GRAMMARGON Jessica Hair hat sich daran gestört, dass es für sie keine guten Englisch-Lernspiele auf dem Markt gibt. Aber wie sieht ihr Ansatz aus?

 

infos zum spiel

Für diesen Test wurde uns eine Kopie des Spiels GRAMMARGON vom Verlag zur Verfügung gestellt.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!

 

Darum geht es im Spiel

 

Den Kern von GRAMMARGON bilden 5 verschiedene Grammatikkartenarten, die in verschiedenen Spielmodi eingesetzt werden können. Diese unterteilen sich in Tense-Karten (Zeitform), Example-Karten (diese geben einen Beispielsatz in einer Zeitform an), Usage-Karten (Wann wird diese Zeitform gewählt), Clue-Karten (Hinweiskarten mit Tipps) und Form-Karten. Das Ziel der drei enthaltenen Spielvarianten ist es, diese Kartentypen aneinanderzulegen, wobei meist keine Karte der gleichen Art nebeneinander liegen darf. Der Clou ist, dass diese Karten in zwei Zeitformen unterteilt sind, die es im Vorfeld zu überprüfen gilt, da nur Karten der gleichen Zeitform aneinandergelegt werden dürfen.

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In der Strategieversion des Spiels gestaltet sich dieses System so, dass die Spieler Fünferreihen legen müssen und im Bestfall so viele Kartenreihen miteinander verknüpfen wie möglich. Jeder Spieler erhält dafür 4 Handkarten (die immer wieder auf 4 aufgefüllt werden) und muss diese an die vorhandenen Feldkarten anlegen, sodass sich nach und nach ein Gittermuster bildet. Gelingt es einem Spieler, eine Reihe aus allen 5 Kartenarten zu bilden, so kann er diese 5 Karten sowie alle Karten, die mit diesen verbunden sind, aufnehmen und mit ihnen einen Siegpunktestapel bilden.

Legt ein Spieler eine Karte in eine Reihe, hat der andere Spieler die Möglichkeit, diese Karte anzuzweifeln, sollte er meinen, dass diese dort nicht hineingehört. Geschieht dies, muss der anzweifelnde Spieler „CHALLANGE“ ausrufen und das beiliegende Grammatikblatt nach der Lösung überprüfen. Passt die angezweifelte Karte nicht in die Reihe, kann der anzweifelnde Spieler diese Karte sowie alle verbundenen Karten aufnehmen und seinem Siegpunktestapel hinzufügen. Passt sie doch, muss der anzweifelnde Spieler eine Runde aussetzen. Damit kein Spieler Karten zurückhalten kann, ist jeder Spieler dazu verpflichtet eine Karte zu legen, wenn er eine Karte legen kann. Kann er keine Karte legen, muss er solange Karten ziehen, bis er eine Karte legen kann.

Das Spiel endet, sobald der Nachziehstapel aufgebraucht ist.

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Die zweite Variante ist für 2-Spieler, bei der es um Angriff und Verteidigung geht. Die Spieler bilden mit 6 Karten eine Pyramide, die es vom Gegner zu zerstören gilt. Das Prinzip bleibt dabei das gleiche wie bei der anderen Variante: Es gilt Kartensets aus den 5 vorhandenen Kartentypen und der gleichen Zeitform an die gegnerische Pyramide anzulegen, um diese dann zu entfernen. Das Kartendesign gibt dabei Auskunft darüber, welche Karte welchem Spieler gehört (also ob es sich dabei um eine Angreifer- oder Verteidigerkarte handelt).

Im Zentrum der Karten befindet sich der Name der Kartenart in zwei unterschiedlichen Farben. Ist die Karte so angelegt worden, dass der Spieler die farbige Schrift lesen kann, ist es eine eigene, während Karten, die so ausgerichtet sind, dass die schwarze Schrift lesbar ist, zum Gegner gehören. Die Spieler müssen also während des Spiels darauf achten, wie sie ihre Karten ausrichten, sodass sie ihre Karten nicht zufällig dem Gegner übergeben. Verteidiger können Karten mit anderen Karten der gleichen Art überschreiben, solange auch diese die gleiche Zeitform besitzen, um die Kartensets des Gegners zu unterbrechen.

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Die dritte und letzte Variante ist eine Solitär-Variante, die 1 zu 1 die bekannten Spielmechaniken von SOLITAIR übernimmt, wobei die Symbole von normalen Spielkarten mit den GRAMMARGON-Karten ausgewechselt werden.

 

Was ist in der Box?

 

In der Spielschachtel von GRAMMARGON befinden sich 110 Spielkarten, 2 Grammatikblätter und eine Anleitung. Das Material der Karten entspricht dem heutigen Brettspielstandard und kann als solide betitelt werden, bei den Grammatikblättern und der Anleitung handelt es sich jedoch um gefaltete DIN A4 Blätter, die bereits bei unserer Kopie nach kurzem Gebrauch an den Knickstellen Gebrauchsspuren entwickelt haben. Ein kleines gebundenes Regelheft oder Papier mit besserer Qualität hätte diesem Problem sicher Abhilfe geschaffen.

Das Artwork von GRAMMARGON beschränkt sich auf die gewählte Schriftart der Karten, da keine Bilder oder Grafiken im Spiel verwendet werden. Die Schriftart wurde so gewählt, dass sie auch jüngere Spieler anspricht. Durch die Farben bringt die Schrift etwas „Leben“ in das Spiel, welches ansonsten nur aus weißen Karten mit schwarzer Schrift bestanden hätte.

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Die Anleitung ist ein größerer Knackpunkt bei GRAMMARGON. Es versucht die Regeln sehr ausführlich zu erklären, benutzt dabei aber sehr verschachtelte Sätze und sehr wenig Grafiken, sodass es sich bei den Regeln der Varianten hauptsächlich um große Textblöcke handelt, die es zuerst zu bewältigen gilt, bis mit dem Spiel begonnen werden kann.


Die Bewertung von GRAMMARGON ist eine Aufgabe, die uns vor einige Schwierigkeiten gestellt hat. Generell gibt es zwei unterschiedliche Bereiche, die Beachtung finden sollten: der Bereich Brettspiel und der Bereich wissenschaftliche Englischdidaktik. Jedoch können wir uns hier nur um einen dieser Bereiche kümmern. Dieses Fazit wird daher den Brettspielanteil in den Fokus nehmen, der in GRAMMARGON steckt, da ich von dem Bereich der Englischdidaktik zu wenig Expertise besitze, um mich dazu äußern zu können.

Damit ich aber nicht völlig aufgeschmissen bin, habe ich mir für diesen Test einen angehenden Englischlehrer an den Tisch gesetzt, damit wir das Spiel auf Herz und Niere überprüfen können. Leider habe ich keine guten Nachrichten, was den Brettspielanteil des Spiels anbetrifft.

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Das Kernproblem scheint zu sein, dass GRAMMARGON davon ausgeht, dass Grundkenntnisse und am besten auch bereits erweiterte Kenntnisse zu seinem Thema vorhanden sind, um das Spiel überhaupt spielen zu können. Zwar sagt GRAMMARGON, dass es sich gut für Anfänger mit geringen Kenntnissen eignet, aber diesen Eindruck konnten wir ganz und gar nicht teilen, da selbst wir große Probleme hatten, zu verstehen, was das Spiel eigentlich von uns verlangt. Die Regeln geben nur eine kleine Einführung in die Thematik und erklären die Karten kurz, wodurch anscheinend jedoch ausreichend Infos gegeben worden sein sollen, um das Spiel spielen zu können. Ohne weitere Lektüre oder andere Hilfsmittel der Grundregeln dieser Zeitformen kommen die Spieler aber nicht sehr weit, da auch die Kontrollinstanzen im Spiel fehlen.

Nehmen wir als Beispiel die Strategie-Variante, bei dem die Spieler die Kartenreihen in das Gitter legen müssen. Problem 1: Das Spiel sagt, Spieler müssen Karten auslegen, wenn sie es können und wenn sie es nicht können müssen sie solange Karten nachziehen, bis sie es können. Es gibt aber keinerlei Hilfe, die erkennen lässt, ob Karten gelegt werden können, da das Grammatikblatt im Spiel laut Regeln nur zur Hilfe gezogen werden soll, wenn eine „CHALLANGE“ ausgerufen wird. Ich hatte irgendwann einfach 20 Karten auf der Hand, da ich bei den meisten Karten keine Ahnung hatte, welchen Karten diese zuzuordnen waren. Meinem Englischlehrerkollegen ging es zeitweilen nicht besser, da die Informationen der Karten ebenso widersprüchlich sind (manche Signalwörter werden auf Karten in unterschiedlicher Zeitformen verwendet, was dazu geführt hat, dass wir diese nicht eindeutig identifizieren konnten).

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Problem 2: Es gibt keinerlei Fehlerkontrolle, bis auf das Grammatikblatt. Karten werden angelegt, solange diese aber nicht angezweifelt werden, werden diese nicht überprüft und können damit falsch eingeprägt werden.

Problem 3: Das Grammatikblatt, das Regelblatt und die Karten sind viel zu voll und zu bunt (Stichwort: Cognitive Load- Theory). Auf jedem freien Feld werden die Spieler mit Informationen, Farben und Texten überschüttet, die einen präzisen Überblick im Spiel unmöglich machen. Besonders die Karten machten es uns unmöglich, alle Informationen zu erfassen, was irgendwann in einem Ratespiel endete, da uns nach einiger Zeit die Motivation fehlte, uns durch all diese Informationen immer und immer wieder zu kämpfen. Die Spielschachtel ist ein Sinnbild dessen. Allein schon herauszufinden, wie die genaue Bezeichnung des Spiels lautet, scheint unmöglich, da es 4 unterschiedliche Varianten gibt, die auf dem Front-Cover der Schachtel stehen.

Diese Überfülle an Informationen bringt zusätzlich das Problem mit, dass auch das Überprüfen von Einwänden mithilfe des Grammatikblattes einige Zeit in Anspruch nimmt, was den Spielfluss enorm einschränkt. Das geht sogar so weit, dass ich nicht einmal nebenbei beim Überprüfen eines Einwandes „schummeln“ konnte, um meine eigenen Handkarten einordnen zu können, weil das Finden der eigentlichen Information schon zu lange gedauert hat. Das Regelheft ist äußerst umständlich verfasst und durchmischt Sprachniveaus auf regelmäßiger Basis, was den Lesefluss ungemein einschränkt. Es macht den Anschein, dass die Qualitätskontrolle des Regelheftes nicht weit oben auf der Prioritätsliste stand, da die Sätze teilweise mitten im Satz von der „Sie“-Form in die „Du“-Form wechseln und Sätze unnötig verkompliziert ausgedrückt werden. Dadurch wirken manche Sätze, als wären sie durch ein Übersetzungsprogramm eines Computers geschickt worden, ohne dass ein Mensch daran beteiligt war.

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Die Karten haben neben ihren eigentlichen Kartentexten zusätzliche Informationen am Kartenrand, die aber nur als Boni gedacht sind und nicht zum eigentlichen Spiel gehört, was es jedoch weiter überfrachtet. Auch die nicht vorhandene Skalierung der Spielvarianten macht dem Spiel zu schaffen, da immer das gesamte Kartendeck verwendet wird. Das führt dazu, dass unsere Spielrunde bei der ersten Spielvariante ungefähr 1,5 Stunden dauerte und wir den Kartenstapel nur zur Hälfte gespielt hatten. Der Umstand, dass bei der Angriffs- und Verteidigungsvariante insgesamt 90 Spielrunden zu spielen gewesen wären (jeder Spieler spielt insgesamt 45 Karten aus, bis das Spiel endet), hat unter anderem dazu geführt, dass wir diese Spielvariante abgebrochen haben, weil wir keinen Spielspaß mehr hatten.

GRAMMARGON eignet sich unserer Meinung nach in keinem Fall als Alleinlernmittel für Anfänger, da dafür zu wenig Basisinformationen und Hilfestellungen gegeben werden. Die Probleme, die wir mit den Inhaltsfeldern des Spiels hatten, lassen erahnen, dass es mit einer Schülergruppe ab 10 Jahren (für die das Spiel angedacht ist) unmöglich umzusetzen wäre. GRAMMARGON kann nach unserer Meinung dann mit Mehrwert gespielt werden, wenn ein „Spielmeister“ mit sehr viel Ahnung von der Thematik die Spieler anleitet (ergo ein eigener Lehrer, der das Spiel überwacht) oder es von Lehrern oder Erwachsenen dafür genutzt wird, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen und dieses zu trainieren. Ob es dafür nötig und empfehlenswert ist, mit diesem Spiel anstatt eines anderen Lernmittels zu arbeiten, kann aber nur die didaktische Analyse beantworten, die ich hier, wie bereits gesagt, nicht leisten kann. Leider hat uns die Brettspielkomponente von GRAMMARGON aus den obengenannten Gründen nicht gefallen. Wir hatten wirklich Lust darauf, dieses Spiel zu spielen und zu testen, was von der Zielgruppe „Schüler“ (wahrscheinlich) nicht zu behaupten sein dürfte. Wir haben beim Spielen keinerlei Spielspaß entwickelt und meinen, dass das Spiel Schülern ohne starke Unterstützung wenig helfen wird.

 

Wertung zum spiel

 

Bilder vom Spiel

Tags: Gedächtnis, Lernspiel, 1-6 Spieler, Karten auslegen, Set sammeln

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