Test | Evacuation
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die immer stärker werdende Sonnenstrahlung die Menschheit zwingt, unseren Heimatplaneten endgültig zu verlassen. Die Vorkehrungen, einen neuen Planeten zu besiedeln, sind bereits in Gange.
Es müssen nach und nach Menschen und Fabriken umgezogen werden und gleichzeitig die Versorgung auf beiden Planeten sichergestellt werden. Wird die Menschheit in der Lage sein, solch ein Megaprojekt zu stemmen?
Das Spiel wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf die Bewertung hat dies keinen Einfluss!
Eine logistische Herausforderung!
Dem Namen entsprechend ist das Spielziel die Evakuierung der Erde, die mit dem Aufbau der für das Überleben der Menschheit notwendigen Infrastruktur auf dem neuen Planeten einhergeht. Der Spielplan zeigt zu Beginn entsprechend die Erde, mit einer funktionierenden Industrie, die die Menschen dort versorgt, und den noch leeren, neu zu besiedelnden Planeten.
Mit der Zeit werden Fabriken und ganze Orte von der Erde per Raumschiff in die neue Heimat transportiert, wodurch dort mit der Zeit die Bevölkerung und die Produktion ansteigt.
Sind genug Ressourcen auf dem neuen Planeten verfügbar, können neue Fabriken, Raumschiffe, Stadien (die Unterhaltung der Bevölkerung wird als sehr wichtig erachtet und ist entsprechend eines der Spielziele) und sogar Klone direkt dort produziert werden. Es gilt, dass alles dort eingesetzt wird, woher auch die Ressourcen kommen. Ein Mischen ist nicht zulässig. Aus diesem Grund sind in „Evacuation“ zwei Ressourcen-Pools zu verwalten.
Für die Umsiedlung stehen vier Jahre, also Runden, zur Verfügung. Innerhalb eines Jahres können abwechselnd durch das Spielen von Karten Aktionen ausgelöst werden. Anfangs sind diese noch kostenfrei, je mehr Aktionen aber durchgeführt werden, desto teurer wird dies, indem hierfür mit Energie gezahlt werden muss.
In der Basis-Variante stehen nur die Aktionen des Spiel-Tableaus zur Verfügung, in der für Fortgeschrittene können die Karten selbst als alternative Aktionen entsprechend Ihres Aufdrucks verwendet werden.
Die Aktionsauswahl umfasst unter anderem den Bau von Fabrikanlagen, Raumschiffen und Stadien, sowie das Platzieren von Fabriken und Siedlern auf dem neuen Planeten. Es können Auftragskarten genommen werden, die durch eine bestimmte Anordnung von belegten Feldern durch Fabriken und Siedlern in der neuen Heimat die Produktion zusätzlich erhöhen. Durch Forschung können Bonuseigenschaften freigeschaltet werden, die verschiedene Vorteile bringen.
Sobald ein Jahr beendet ist, können Raumschiffe Fabriken bzw. Bevölkerung evakuieren und Stadien, Fabriken und Ressourcen in die neue Welt fliegen. Dies kostet Energie, sowohl für den Hin- als auch den Rückflug.
Jede Aktion hat einen Stärke-Wert, dessen Summe am Rundenende für zwei Elemente relevant ist. Passt die Summe genau zu einer der zwei vorgegebenen Werte einer Bonuskarte für die Runde, gibt es eine Belohnung. Außerdem befinden sich auf zwei parallelen Ellipsen um unseren alten und neuen Heimatplaneten je Person zwei Raketen, die um die erreichte Summe vorwärts bewegt werden müssen und den Fortschritt der Evakuierung symbolisieren. Werden dabei Kontrollpunkte passiert, werden auf dem neuen Planeten zusätzliche Regionen freigeschaltet, auf denen ab dann erst Siedler und Fabriken platziert werden dürfen. Diese ermöglichen bessere Platzierungsboni. Manche Positionen auf Ellipsen zeigen Symbole, die als Voraussetzung besetzt sein müssen, um teils stärkere Felder auf dem neuen Planeten zu besiedeln.
Nachdem alle gepasst haben, wird zum Jahreswechsel produziert, die Bevölkerung auf beiden Planeten ernährt und geprüft, ob bereits ausreichend Stadien gebaut wurden. Nicht erfüllte Anforderungen der jeweiligen Runde werden mit Minuspunkten bestraft.
Das Spiel endet im Rennmodus (alternativ gibt es auch einen Punkte-Modus) nach vier Jahren, oder sobald eine Person drei Stadien in der neuen Welt und die Produktion von Nahrung, Energie und Stahl je auf mindestens Stufe 8 hat. Es werden noch Bonus- und Strafpunkte vergeben, die sich auf die Produktions-Marker auswirken, beispielsweise für nicht evakuierte Orte auf der Erde. Wer nun am besten mit den Produktionsmarkern steht, gewinnt.
Vladimir Suchy hat sich als Spielautor durchaus einen Namen gemacht. Sein größter Erfolg „Underwater Cities“ befindet sich auf BGG konstant in den Top100 und auch sonst liefert er immer wieder Erfolge wie etwa „Praga Caput Regni“ oder „Woodcraft“ ab. Entsprechend neugierig waren wir auf das neue Spiel von ihm.
Mit „Evacuation“ liegt uns das wohl komplexeste Spiel von Herrn Suchy vor. Das Managen der Ressourcen-Pools und der Produktionslevel auf zwei Planeten ist durchaus herausfordernd und verlangt einiges an Weitsicht. Die Regeln empfinden wir erfreulich intuitiv und auch die Ikonographie ist gelungen, aber das Zusammenspiel der Optionen zu überschauen, hat es in sich. Schnell wird übersehen, dass es noch Menschen zu versorgen gibt, oder ein Plan geht nicht auf, da die Ressourcen im falschen Pool sind. Es ist durchaus möglich, sich durch Fehlentscheidungen in eine schwierige Situation zu manövrieren.
Thematisch gibt es Licht und Schatten. Der Evakuierungsprozess mit dem Bau von Raumschiffen, dem Balancieren der Produktionskapazitäten in beiden Welten und der stete zeitliche Druck, möglichst alle Orte rechtzeitig zu evakuieren, ist wunderbar umgesetzt, innovativ und baut Spannung auf. Doch warum sind ausgerechnet Stadien so besonders wichtig? Als ob es gerade keine anderen Sorgen gibt, wie zum Beispiel die armen Seelen, die nicht evakuiert werden konnten. Brauchen wir wirklich Klone in einem solchen Setting? Dies hätte sicherlich thematischer gelöst werden können, ist allerdings Jammern auf hohem Niveau.
Spielerisch gibt es von der Spielmechanik wenig zu kritisieren. „Evacuation“ bietet ein interessantes und unverbrauchtes Konzept, das geschickt verbirgt, dass die einzelnen Aktionen alleine betrachtet eher Euro-typisch sind und wenig Neues bieten. Lediglich die Endwertung empfinden wir als gewöhnungsbedürftig, wenn die Produktion nachträglich verändert wird und die Interaktion hätte etwas umfangreicher ausfallen dürfen. Das größte Spielvergnügen sehen wir bei zwei bis drei Personen. Zu viert kommt wenig zusätzliche Dynamik ins Spiel, dafür aber mehr Wartezeit, die auf Grund der Spieltiefe durchaus länger ausfallen kann. Positiv ist allerdings anzumerken, dass Züge sehr gut vorausgeplant werden können, da der Spielzug der anderen wenig Auswirkungen auf die eigene Spielweise hat.
Uns hat das gut gefallen. Die innovativen Elemente mit den zwei Ressourcen-Pools und dem Verschieben der Produktionskapazitäten wiegen die kleineren Schwächen in unseren Augen auf. Die Möglichkeiten sind groß, Glück spielt kaum eine Rolle und es ist ungemein erfüllend, wenn eine sorgfältige Planung am Ende aufgeht und alles wie gewollt ineinander greift. Letztendlich ist es ein herausforderndes Puzzle, das gelöst werden möchte und bei dem von Partie zu Partie immer ein wenig mehr Fortschritt zu erkennen ist, bis es irgendwann gelingt, sogar alle Menschen zu retten.
Eine deutsche Version von „Evacuation“ ist beim Pegasus Spiele Verlag erschienen.
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Bilder zum Spiel
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Tags: 1-4 Personen, Expertenspiel, Ressourcenmanagement, Eurogame