Test | Stardew Valley
2021 sorgte die Ankündigung eines Brettspiels für das bekannte Videospiel „Stardew Valley“ für großes Aufsehen. Scheinbar aus dem Nichts tauchte das Spiel auf und ging genauso flott über die Ladentheken, sodass es innerhalb weniger Tage komplett ausverkauft war. Während die erste Auflage des Spiels exklusiv für den amerikanischen Markt bestimmt war, hat es nun die zweite Auflage auch über den großen Teich auf die europäischen Spieltische geschafft. Höchste Zeit also, das Spiel auf unseren Tisch zu werfen und uns die Möglichkeiten des Sternentautals einmal genauer anzusehen.
Wir haben "Stardew Valley" selbst gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Darum geht es in dem Spiel
In „Stardew Valley – The Board Game” spielt die Spielgruppe kooperativ gegen das Spiel. In 16 Spielrunden werden verschiedene Aktionen auf dem Spielfeld erledigt, um unterschiedliche Spielziele erreichen zu können. Ähnlich wie in der Videospielvorlage kann die Spielgruppe Pflanzen einpflanzen, sich um Tiere kümmern, Freundschaften schließen oder in die Mine gehen. Jede Spielfigur hat dafür genau zwei Aktionen, die sie an einem Ort oder, inklusive einer Bewegung, an zwei miteinander verbundenen Orten nutzen kann. Jeder Tag beginnt und endet am eigenen Farmhaus, bei dem sich die Spielgruppe über den Plan der Spielrunde unterhalten kann. Ohne Bewegungen zu nutzen, können so alle Spielfiguren beliebig auf dem Spielplan verteilt werden, um den Plan in die Tat umsetzen zu können.
Als kleine Hilfestellung verfügt jede Spielfigur über eine Profession und ein Startwerkzeug, die mit der Zeit aufgewertet werden können und damit individuelle Vorteile verleihen. So können sich bestimmte Personen auf spezielle Aufgabenbereiche zu Spielbeginn spezialisieren und die Gruppe damit aktiv unterstützen.
Die Jahreszeitenwechsel des Videospiels sind ebenfalls im Brettspiel abgebildet. So wird zu Beginn jeder Runde eine Jahreszeitenkarte aufgedeckt, die kleine Ereignisse für die derzeitige Spielrunde auslösen oder die derzeitige Jahreszeit verändert. Gibt es einen Jahreszeitenwechsel verändern sich damit sogar manche Plättchen auf dem Spielfeld, wie Baumfelder oder sammelbare Gegenstände, die durch Bewegungsaktionen der Spielfiguren eingesammelt werden können.
Die Große Aufgabe des Spiels ist es, das Community Center wiederaufzubauen und die vier Missionen zu erfüllen, die der Großvater der Spielgruppe hinterlassen hat. Während die Aufgaben des Großvaters offen ausliegen, müssen die Aufgaben des Community Centers erst durch bestimmte Ressourcen freigeschaltet werden. Alle Aufgaben sind auf die Spielgruppengröße angepasst, sodass eine große Spielgruppe mehr für das Erfüllen einer Aufgabe tun muss als eine kleinere.
Nach insgesamt 16 Spielrunden endet das Spiel mit einer Niederlage für die Spielgruppe. Wurden alle Missionen vor Ablauf der Zeit erfüllt, gewinnt die Spielgruppe und sie können ihr Leben im Sternentautal weiterhin genießen.
Wer sich bereits etwas mit „Stardew Valley – The Board Game” auseinandergesetzt hat, wird bemerkt haben, dass das Bewertungspendel bei diesem Spiel scheinbar besonders stark in unterschiedliche Richtungen ausschlägt. An und für sich ist „Stardew Valley – The Board Game” kein schlechtes Brettspiel. Es bietet Abwechslung, alle Personen der Spielgruppe haben etwas zu tun und es sieht wirklich fantastisch aus. Die unterschiedlichen Assets des Videospiels wurden grandios auf das Brettspiel übertragen, sodass alle Fanherzen höherschlagen dürften. Besonders gut fand ich, dass ein Feedbackpunkt zur Erstauflage umgesetzt wurde, da eine weitere Sortiereinlage dem Spiel beigefügt wurde, um das vielfältige Spielmaterial geordnet in der Spielschachtel unterzubekommen.
Auch die möglichen Aktionen des Brettspiels ziehen direkte Parallelen zum Videospiel, was schon sehr stark so wirkt, als hätte man sich hier viele Gedanken über die Umsetzung gemacht.
Der größte Unterschied ist jedoch, dass die Freiheit, die das Videospiel so großgemacht hat, im Brettspiel beinahe völlig fehlt. Die 16 Spielrunden liegen der Spielgruppe permanent im Nacken, sodass es ein stetiger Wettlauf gegen die Zeit ist. Nahezu jede Aktion ist wichtig, also ist gemütliches Spielen nebenher kaum möglich, wenn man realistische Chancen auf den Sieg haben möchte. Besonders bemerkbar macht sich das, weil beinahe jede Aktion des Spielfeldes ein kleines Mini-Spiel beinhaltet, dass nahezu vollständig auf Glück basiert. In der Mine wird auf eine Tabelle geworfen, ob und was gefunden werden kann. Der Schmied bestimmt durch einen Würfelwurf per Zufall, was sich in einer Geode befindet und auch die Fische basieren auf einem kompletten Zufallsprinzip. Selbst das Treffen und hinzufügen von Freunden ist vom Zufall bestimmt.
Möchte eine Person nämlich einen Freund hinzugewinnen, wird eine Karte von einem verdeckten Stapel gezogen und die beliebten Geschenke der Freundeskarte überprüft. Hat die Person eines dieser Geschenke bei sich, ist alles prima und die Spielgruppe erhält zwei Herzen. Ist es sogar noch der passende Geburtstagsmonat der Freundeskarte, gibt es sogar noch ein Herz extra. Hat die Person jedoch nur Gegenstände von der Auflistung, die die Freundeskarte hasst, kann die Karte nicht hinzugefügt werden und die Freundeskarte kommt aus dem Spiel (die Aktion ist natürlich trotzdem aufgebraucht). Natürlich gibt es noch Gegenstände, die die Freundeskarte weder liebt noch hasst, womit sie auch hinzugefügt werden kann. Es basiert hier also nahezu vollständig auf Glück, ob die Aktion nun erfolgreich ist, oder komplett im Nichts verläuft. In einem Spiel, bei dem jede Aktion relevant sein kann, sorgt das schnell für Frust.
Besonders kritisch sind die Missionen des Spiels. Während manche Missionen relativ einfach zu erfüllen sind, können andere beinahe unmöglich erreicht werden. So müssen legendäre Fische pro Person gefangen werden, was vollständig darauf basiert, ob überhaupt die vier möglichen legendären Fische aus einem Beutel mit 56 anderen Fischen gezogen und dann als Aktion auch noch erwürfelt werden! Zwar kann einer der Fische gezogen werden, wird aber in der Zeit nicht das passende Ergebnis gewürfelt, wird der Fisch wieder in den Beutel geworfen und das Spiel geht von vorne los. Ähnliches gilt für die Mine. Hier gibt es eine Mission, bei der Ebene 12 der Mine erreicht werden muss. Da die Mine sehr viele Blankofelder besitzt, ist es hier sehr schnell möglich eine Aktion komplett im Nichts verlaufen zu lassen und die Aktionen damit komplett zu verschwenden. In einem meiner Spieldurchläufe habe ich es in 32 Aktionen in der Mine auf Level 8 geschafft. Kommen also nicht die richtigen Würfelwürfe hat man keine wirkliche Chance auf den Sieg.
Für ein kleines Spiel für Zwischendurch mag das lustig und problemfrei sein, jedoch gibt das Regelbuch von „Stardew Valley – The Board Game” an, dass ca. 40 Minuten pro Person an Zeit eingerechnet werden müssen, was wir so unterschreiben können. Unterm Strich ist es also möglich ein Spiel, das gut und gerne 3 Stunden dauern kann, durch ein paar unglückliche Würfelwürfe komplett zu verlieren.
In einem Spieldurchlauf, den wir zu zweit durchliefen, schafften wir es durch unser Pech nicht einmal die vier Hauptmissionen zu erfüllen, geschweige denn überhaupt eine Mission des Community Centers auch nur aufzudecken. Da das Herzen benötigt und wir nie das Glück hatten überhaupt Herzen zu erhalten, wurden wir damit komplett vom Sieg ausgeschlossen.
Zwar will das Spiel durch die skalierten Siegbedingungen ein angepasstes Spielerlebnis schaffen, jedoch ist eine Aktion einer Person viel mehr wert als eine angepasste Siegbedingung. Dadurch, dass permanent ganze Aktionen oder sogar ganze Runden im Sand verlaufen können, war es für uns viel angenehmer, auf einen größeren Pool von Aktionen zurückgreifen zu können. Irgendwann hat man dann halt mal Glück.
„Stardew Valley – The Board Game” wirkte auf uns, als hätte es ein passionierter Videospieler entworfen, der weiß welche Elemente ein gutes Brettspiel ausmachen, aber keine Ahnung hat, wie sie sich im Prinzip spielen und anfühlen sollten. Es ist irgendwie alles da… nur nicht in richtiger Dosierung.
Da sich das Thema Glück durch das gesamte Spielkonzept gezogen hat, konnte uns das Spiel in unseren Spieldurchläufen nicht überzeugen, was aber nicht heißen soll, dass andere Spielgruppen, die einen anderen Spielstil haben, nicht doch Spaß mit dem Spiel haben können. So sprach mein Kollege Thomas im BSN-Podcast über komplett andere Spielerlebnisse und dass er viel Spaß und Entspannung in „Stardew Valley – The Board Game” fand (während ich persönlich beim Spielen beinahe in die Tischkante biss).
Was bleibt nun also noch? Spielgruppen, die gerne kooperative Spiele spielen, sich nicht zu scheu sind, Brettspiele auch durch Hausregeln anzupassen und generell kein Problem mit vielen Glückselementen haben, können sich „Stardew Valley – The Board Game” sicherlich einmal anschauen und eine individuelle Entscheidung treffen.
Spielgruppen, die bereits beim Thema „Würfel“ skeptisch werden und gerne die Kontrolle über den Spielablauf behalten wollen, empfehle ich schweren Herzens Abstand von diesem Spiel zu nehmen. Es ist wunderschön, eine interessante Umsetzung vom Videospiel und absolut vom Zufall abhängig, ob es gefällt oder nicht. Besonders für Neulinge im Brettspielhobby oder erfahrene Spielgruppen, die keine Superfans des Videospiels sind, zeigt „Stardew Valley – The Board Game” ein völlig falsches Bild, was das Brettspielhobby eigentlich zu dem macht, was es ist.
Welche Erfahrungen hast du mit diesem Spiel gemacht
oder hast du noch Fragen zu diesem oder anderen Spielen?
Dann schaut doch auf unserem Discord-Server vorbei: https://discord.gg/DacwPAQJWs
Bilder vom Spiel
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Tags: 45-180 Minuten, 1-4 Personen, push your luck, Kooperativ