Test | Arche Nova
Ein Besuch im Zoo war und ist für viele Kinder und Erwachsene ein absolutes Highlight. Endlich kann man die mal mehr und mal weniger kuriosen Geschöpfe in Natura beobachten, teilweise sogar anfassen! Das bringt nicht nur Spaß, man kann auch eine Menge dabei lernen. So simpel und spaßig es klingt, ist es aber in der heutigen Realität natürlich nicht. Denn in Zeiten von klimatischem Wandel und Artensterben erfüllen Zoos auch eine wichtige Funktion für die Wissenschaft und den Erhalt von Tierarten.
„Arche Nova“ versucht genau diese Funktionen von Zoos aufzuzeigen und dabei mit komplexen und anspruchsvollen Mechanismen zu unterhalten. Ob das gelingt, oder dieses Pferd doch eher von hinten aufgezäumt wurde, erfahrt ihr in unserem Test.
Wir haben "Arche Nova" selbst gekauft. Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Willkommen im Zoo des 21. Jahrhunderts
In „Arche Nova“ bauen die Spielenden ihren eigenen Zoo. Aber keinen Standard-Zoo, sondern einen modernen, wissenschaftlich geführten. Dort müssen Gehege angelegt werden, Artenschutzprojekte gefördert und Attraktionen errichtet werden. Der Erfolg des Zoos wird auch nicht nur darin gemessen, wie attraktiv er für Besucherinnen und Besucher ist, sondern auch darin, wie viel zu Artenschutzprojekten beigetragen wird. Am Ende kann nur die Person gewinnen, die aus beiden Aspekten (Attraktivität und Artenschutzpunkte) die beste Mischung gefunden hat.
Alle Aktionen, wie beispielsweise das Bauen von Gehegen oder das Anwerben von Sponsoren, werden mithilfe einer Aktionsleiste und dazu passenden Aktionskarten ausgeführt. Wird eine Karte benutzt, ist ihre Stärke davon abhängig, wie weit vorne auf der Aktionsleiste die Karte steht. Nach der Aktion wird sie nach ganz hinten verschoben. So zirkulieren die Karten stetig und erzeugen einen Timing-Effekt, der die Spielenden stets dazu antreibt, die Aktionen möglichst weit vorne für optimale Effizienz zu nutzen. Natürlich sind sie auch weiter hinten nutzbar, dann sind die Aktionen aber oft deutlich weniger wirkungsvoll.
Die meisten Aktionen erlauben es den Spielenden, Karten wie Tiere oder Sponsoren in die eigene Auslage zu legen und im Optimalfall eine Maschine aus sich gegenseitig fördernden Effekten zu erschaffen. Diese Karten kommen aber oft mit Voraussetzungen wie Gebäuden, die auf dem eigenen Zooplan platziert werden müssen, daher. So benötigen die Tiere verschieden große Gehege, die wiederum manchmal noch weitere Voraussetzungen wie Zugang zu Wasser oder Bergen aufweisen können. Wird dann ein Tier in den eigenen Zoo gebracht, ist das Gehege aber nun natürlich belegt. Mehr Tiere brauchen mehr Platz und damit wieder mehr Gehege.
Wo genau im persönlichen Zoo man diese Gebäude unterbringt, spielt aber ebenfalls eine Rolle. Je nach Zooplan gibt es die verschiedensten Boni-Felder, die beim Überbauen des Feldes ausgelöst werden. Diese Boni reichen von Ressourcen bis hin zu extra Aktionen oder Gebäuden, die sofort zusätzlich platziert werden dürfen. Dadurch entsteht eine Art Zoo-Puzzle auf dem eigenen Spielplan.
Und so verläuft eine Partie „Arche Nova“ bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Person es schafft, die beiden Punktesteine in denselben Punktebereich zu bewegen. Denn die Attraktions- und Artenschutzpunkteleisten laufen entgegengesetzt. Je weiter diese beiden Punktesteine sich am Ende gegenseitig überholt haben, desto mehr Siegpunkte springen als Belohnung heraus.
Die Tatsache, dass ich Arche Nova zum jetzigen Zeitpunkt rezensiere, kreiert eine Interessante Perspektive auf das Spiel. Zum einen handelt es sich bei Arche Nova wahrscheinlich um das „Hype-Spiel“ des Jahres 2021 und nun befinden wir uns bereits einige Wochen im neuen Jahr. Der Hype um das Spiel hat sich also etwas gelegt. Weiterhin bin ich jemand, der Spielen mit einer solchen Menge an Vorschuss-Lorbeeren generell etwas skeptisch gegenübersteht. Außerdem bin ich auch kein Terraforming Mars-Experte, der Arche Nova als eine Art Spin-Off oder ähnliches betrachtet. Dementsprechend werde ich die beiden Engine-Builder nicht miteinander vergleichen, denn das wurde an anderer Stelle schon zur Genüge getan.
Was mir zuerst ins Auge gefallen ist, als ich anfing mich mit dem Spiel zu beschäftigen, war die Thematik. Die Einleitung im Regelbuch versucht bereits sehr deutlich zu machen, dass es sich bei dem Zoo, den wir in Arche Nova bauen, um einen modernen Zoo handelt. Zeitgemäße Themen wie Artenschutz, Forschung und Verbandsarbeit spielen eine Rolle und transportieren das Spiel thematisch ins 21. Jahrhundert. Ein lobenswerter Schritt, den auch heute eine Vielzahl an Verlagen und Autoren (noch?) nicht gehen und der deswegen besonderer Erwähnung bedarf.
Als nächstes fiel mir die interessante Mischung aus bekannten Mechanismen und der durchaus innovativen doppelten Punkteleiste auf. Der Kartenmechanismus zur Wahl der Aktion ist bereits allen bekannt, die „Civilization: Ein neues Zeitalter“ gespielt haben. Dieser steht hier allerdings nicht im Zentrum des Spiels, sondern ist nur einer von mehreren ineinandergreifenden Mechanismen. Die beiden Punkteleisten bilden tatsächlich zwei verschiedene Arten von Siegpunkten ab, die sich auch wirklich unterschiedlich anfühlen. Während die Attraktionspunkte leicht durch den Erhalt von Sponsoren, neuen Tieren für den Zoo oder den Bau von bestimmten Gebäuden zu bekommen sind, sind die Artenschutzpunkte deutlich kniffliger. Diese erhält man nämlich hauptsächlich durch Artenschutzprojekte, die mal mehr und mal weniger hohe Anforderungen haben. Mal soll eine bestimmte Tierart in einer bestimmten Anzahl vorhanden sein und mal benötigt es Tiere aus verschiedenen Teilen des Erdballs. Die Varianz dieser Karten ist groß und da sie immer zufällig ins Spiel kommen, lassen sich feste Strategien kaum anwenden.
Und hier kommt auch der erste Kritikpunkt auf Arche Nova zu. Für ein Spiel dieser Gewichtsklasse und Länge sind die Zufallselemente wirklich sehr ausgeprägt. Das Deck mit der schier unglaublichen Anzahl an verschiedenen Zookarten (212 Stück!) kann den Spielenden nämlich sehr wohlgesonnen oder spinnefeind sein. Wollen die afrikanischen Reptilien, auf die meine Mittel- oder Langzeitstrategie baut nämlich einfach nicht kommen, habe ich ein Problem. Zwar ist es möglich, die eigenen Optionen zum Kartenziehen zu verbreitern, aber auch diese Verbesserungen müssen erstmal gezogen und ausgespielt werden. Hinzu kommt, dass das Spiel beim Aufbau kein Fundament für die ersten Spielzüge schafft. Alle ziehen acht Karten und behalten vier – das war’s. Dabei ist es absolut möglich nur Karten zu ziehen, die einem am Anfang der Partie überhaupt nicht nützlich sein können und dann werden die ersten Runden zur Geduldsprobe. Und ob die zu Beginn gezogenen Karten auch nur im Ansatz mit den eigenen Zielen oder den offenliegenden Artenschutzprojekten harmonieren, ist auch reine Glückssache. So kommt es vor, dass eine Person von Anfang an richtig aufblüht und eine andere die ersten ein bis fünf Züge eher vor sich hin krebst. Das birgt ein nicht unerhebliches Frustpotenzial.
Frust kann aber nicht nur zu Beginn einer Partie, sondern auch am Ende aufkommen. Denn auch so interessant das Punktesystem ist, können die erzielten Punkte am Ende erheblich pro Person variieren. So kommt es nicht selten vor, dass jemand weit im Minusbereich landet. Denn das Spiel endet, wenn die Artenschutz- und Attraktionspunkteleisten sich kreuzen. Sollten die anderen Mitspielenden es also nicht schaffen, in derselben Runde auch noch dieses Kunststück zu vollbringen, rutscht die eigene Punktezahl wahrscheinlich ins Negative. Und das ist vor allem für weniger erfahrene Personen oder Neulinge natürlich keine schöne Erfahrung.
Für Erfahrene hat Arche Nova allerdings eine Menge zu bieten. Neben der bereits erwähnten beeindruckenden Zahl der Zookarten ist auch das restliche Material sehr variantenreich. So gibt es neben verschiedensten Basis-Artenschutzprojektkarten, Endwertungskarten und Bonusplättchen auch acht verschiedene doppelseitige Zoopläne. Auf deren Vorderseite finden sich acht verschiedene Zoos, die allen Mitspielenden einen unterschiedlichen Fokus geben. Auf der Rückseite hingegen finden sich Anfänger- und leicht fortgeschrittene Pläne, die man wunderbar als Handicap für verschieden erfahrene Personen im Spiel verteilen kann.
Auch sehr angenehm für erfahrenere Personen sind die schnellen Spielzüge. Nicht selten dauert ein Spielzug unter 5 Sekunden, wenn jemand seine Taktik abarbeitet und sich vorher einen Ablauf zurechtgelegt hat. Die berüchtigte „Downtime“ ist also meistens niedrig. Ebenfalls erfreulich sind die eingängigen Regeln, die zwar zu Beginn durch das (mal wieder) schlecht strukturierte Regelbuch etwas Zeit beanspruchen, nach ein bis zwei Partien aber absolut sitzen. Auch nach mehrwöchiger Pause mussten bei uns nur selten Regeln oder Symbole nachgeschlagen werden. Trotzdem fällt das Regelbuch (bzw. die Regelbücher) negativ auf. Können wir uns darauf einigen, dass Grundregeln des Spiels nicht in ein extra Glossarheft gehören? Und dass Symbole auf extra Übersichtsblättern bitte auch vollständig erklärt werden sollten? Auch bei Arche Nova muss man wieder mit mehreren Heften und Übersichtsblättern jonglieren, wenn man bestimmte Erklärungen benötigt.
Insgesamt macht „Arche Nova“ aber auch einfach Spaß. Die schnellen Züge und eingängigen Regeln gepaart mit den komplexen Punkte- und Kartenmechanismen laden zum Experimentieren mit verschiedenen Herangehensweisen und Taktiken ein. Das Thema ist stimmig und wird dem modernen Anspruch gerecht. Zwar spielt sich das Spiel insgesamt eher mechanisch als thematisch immersiv, aber das vermindert den Spielspaß nicht im Geringsten. Die etwas zu zahlreichen Zufallselemente, die damit verbundenen Frustmomente und die anstrengenden Regelbücher hindern das Spiel aber daran, zu den besten Pferden im Stall zu gehören.
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Bilder zum Spiel
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Tags: 1-4 Personen, Enginebuilder, Set sammeln, Handmanagement