TEST // STRONGHOLD UNDEAD
Einmal auf einer Burgmauer stehen und das Königreich verteidigen. Viele hatten diese Fantasien seit sie Kinder waren. Mit dem Schwert in der Hand für Ruhm und Ehre kämpfen und dabei die gegnerischen Horden vom Eindringen abhalten. Vor einigen Jahren brachte STRONGHOLD diese Fantasien auf den Spieltisch, was in vielen Spielgruppen großen Anklang fand. Mit der STRONGHOLD UNDEAD-Erweiterung zum Originalspiel sollte das größtenteils in der Realität verankerte Thema mit Fantasy-Elementen aufgebessert werden. Diese Verbindung funktionierte so gut, dass sich PORTAL GAMES dazu entschlossen hatten, die Erweiterung als Standalone-Version über Kickstarter zu finanzieren. Aber wie spielt sich STRONGHOLD UNDEAD nun und bringt das Fantasy-Thema wirklich Vorteile mit sich?
Wir haben STRONGHOLD UNDEAD mit einem Presserabatt von PEGASUS gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Darum geht es im Spiel
Bei STRONGHOLD UNDEAD übernehmen 2 Spielende die Rollen von zwei verfeindeten Armeen, wobei diese anhand von zwei vollständig asymmetrischen Spielabläufen zwei unterschiedliche Spielziele verfolgen. Während die eine Seite die eigenen Soldaten so ausbilden und kommandieren muss, dass die Burgmauern optimal verteidigt werden, ist es das Ziel der gegnerischen Partei, eine Schwachstelle in der Verteidigung der Burg zu finden, um mit der eigenen Armee durchzubrechen.
Die angreifende Armee verfügt für die Erfüllung ihres Zieles unterschiedlichste Mittel und Wege, die alle im Auge behalten werden sollten. So können Zauber gesprochen werden, um das Schlachtfeld mit Sümpfen, Friedhöfen oder Belagerungsmaschinen im eigenen Sinne zu formen. Aus den Überresten der eigenen Truppen kann magische Restenergie gewonnen werden, um diese wieder für die eigenen Zwecke nutzbar zu machen und so mit neuen und alten Truppen auf den unterschiedlichsten Wegen zur Burg zu marschieren.
Zu den Entscheidungen zählt außerdem die Zusammenstellung des eigenen Zauberbuches, da die angreifende Partei eine Auswahl aus unterschiedlichen Zaubern besitzt, die für unterschiedliche Zeitpunkte der Schlacht besonders nützlich sein können. So kann die eigene Strategie weiter untermauert oder die Strategie der verteidigenden Partei durch die kluge Nutzung neuer mächtigerer Zauber zerstört werden. Jedoch sollte sich die angreifende Partei immer genau überlegen, welche Aktion wirklich notwendig und gewinnversprechend ist, da für jede getätigte Aktion die verteidigende Partei eine Zeiteinheit erhält. Umso mächtiger zum Beispiel die gewirkten Zauber sind, desto mehr Zeiteinheiten geben sie ab.
Anhand dieser Zeiteinheiten (dargestellt durch Sanduhren) wird veranschaulicht, wie lange es dauert, die Manöver und Zauber auszuführen und wie viel Zeit der Burg bleibt, um sich auf den Angriff vorzubereiten.
Alle Aktionen der verteidigenden Partei sind auf dem Spielfeld innerhalb der Burgmauern angegeben. Erhält die verteidigende Partei Sanduhren, müssen diese in fast allen Situationen sofort auf die verfügbaren Aktionen innerhalb der Burgmauern verteilt werden. Dadurch, dass die Zeiteinheiten nicht aufgespart werden können, ist es besonders wichtig abzuwägen, welche Aktionen essentiell für den Spielzug sind und/oder wie am besten auf eine Aktion der gegnerischen Partei reagiert werden soll.
Ein wichtiger Bestandteil des Angriffs und der Verteidigung sind die Truppen der beiden Parteien. Beide Spielende verfügen über die gleiche Art von Soldatenstärken. Blaue Soldaten besitzen eine Kampfstärke von 1, graue Soldaten eine Kampfstärke von 2 und schwarze Soldaten eine Kampfstärke von 3. Gelingt es der angreifenden Partei, die eignen Soldaten an eine Burgmauer zu manövrieren, wird die Kampfstärke der beteiligten Truppen verglichen. Die Differenz der beiden Werte wird der unterlegenen Partei als Schaden zugefügt.
Nehmen wir zum Beispiel an, dass die Burg an einer Mauer zwei graue Soldaten stationiert hat und diese von drei schwarzen Soldaten der gegnerischen Partei angegriffen werden, werden die Kampfstärken miteinander verglichen. Normalerweise würden die beiden grauen Soldaten eine Stärke von 4 besitzen, da sie aber zur Burg gehören, geben die Burgmauern eine zusätzliche Stärke von +2. Die Schwarzen Soldaten der angreifenden Partei verfügen über eine Kampfstärke von 9, wobei das eine Differenz von 3 zulasten der verteidigende Armee bedeutet. Die 3 Schaden werden nun auf die Soldaten der Burg verteilt, wobei jede Kampfstärke einem Lebenspunkt entspricht. Da alle Lebenspunkte auf einen Schlag genommen werden müssen, stirbt ein grauer Soldat und der dritte Schadenspunkt verfällt. Mauern können in keinem Fall beschädigt werden.
Dieses taktische Tauziehen dauert insgesamt 8 Spielrunden, bei denen die angreifende Partei beim Voranschreiten der Runden stetig weniger Ressourcen zur Verfügung hat. Gelingt es der angreifenden Partei innerhalb dieser Zeit, die Truppen der Burg an einer Burgmauer zu überrumpeln, indem sie mehr Schadenspunkte verursacht, als die Verteidigung absorbieren kann, gewinnt die angreifende Partei. Steht die Burg nach der achten Spielrunde noch immer, geht die Sonne auf und die Untoten zerfallen zu Asche.
Was ist in der Box?
Das Spielmaterial von STRONGHOLD UNDEAD ist sehr hochwertig. In der uns vorliegenden Retail-Version sind ein großes Spielfeld, 2 Spielübersichten (mit individuellen Erklärungen für beide Parteien), ein Stoffbeutel, Holz-Token in den Farbei blau, schwarz und grau, Holz-Meeple in den Farben blau, schwarz und grau sowie eine Vielzahl von unterschiedlichen Karten und Token aus Plastik und Pappe enthalten.
In unserer Kopie ist am gesamten Spielmaterial qualitativ nichts zu beanstanden. Die Plastik- und Papptoken erfüllen ihren Zweck sehr gut. Auch die Karten wirken sehr spielfest und weisen keine weißen Ränder auf. Die unterschiedlichen Meeple besitzen (je nach Soldatenart, die sie darstellen) eine unterschiedliche Form, die sich sehr gut voneinander unterscheiden lässt. Schade ist jedoch, dass nur die Truppen der Burg eine eigene Form besitzen, während die untote Armee durch simple Holz-Token dargestellt werden.
Beim Artwork des Spielfeldes und der Karten fällt sofort auf, dass viel Arbeit in die Abstimmung von Artwork und Thematik eingeflossen ist, was einen sehr guten Eindruck macht. An einigen Stellen sind jedoch wichtige Informationen auf dem Spielfeld eingebracht worden, die anhand der Farbgebung kaum bis gar nicht erkennbar sind, was insbesondere auf einem Spielfeld, bei dem sonst alle Informationen mit einem Blick in Erfahrung gebracht werden können, befremdlich wirkt.
Die Regeln werden, wie für Spiele von PORTAL GAMES üblich, mit vielen guten Grafiken und Schaubildern unterlegt. Ebenfalls wie für Spiele von PORTAL GAMES üblich, lassen die Regeltexte aber an einigen Stellen offene Fragen, die die Spielenden während des Spiels anhand von Hausregeln füllen müssen, da hier kaum bis keine Antworten geboten werden.
STRONGHOLD UNDEAD war nicht mein erstes Rodeo mit PORTAL GAMES. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit anderen Spielen des Verlags weiß ich mich insbesondere in den Regeltexten zurechtzufinden und weiß, was mich erwartet, was einen großer Vorteil darstellt. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich eine Abneigung gegen den Verlag oder seine Spiele habe, jedoch ließ sich bei jedem meiner bisherigen Tests ein Muster bekannter Problematiken erkennen, die scheinbar immer wieder auftreten. So ist es auch in STRONGHOLD UNDEAD üblich, dass die Regeltexte teilweise ein wenig schwammig verfasst worden sind oder manche Eventualitäten des Spielverlaufes nicht abgedeckt wurden, sodass die Spielgruppen im „Regen stehen gelassen“ werden.
Die Internetcommunity hilft hier zwar in vielen Belangen mit den regen Diskussionen zu den Regeln von STRONGHOLD UNDEAD weiter, dennoch sollten Spielgruppen sich wie immer auf ein wenig Eigeninitiative einstellen.
Dabei klingt das alles viel schlimmer als es eigentlich ist. STRONGHOLD UNDEAD erfüllt seine eigene Prämisse nämlich wirklich gut. Das Spiel an sich ist äußerst thematisch, sodass sich viele Spielbereiche fast wie von selbst erklären und alle Mechaniken Verbindungen zum Thema ziehen können. Das Zeitsystem ist da besonders hervorzuheben, da es sich sehr gut in die Thematik und die grundlegenden Spielmechaniken einfügt. Die angreifenden Spielenden müssen so mehrfach überlegen, welche Aktionen wie genau durchgeführt werden müssen, ohne der Burg zu viele Handlungsoptionen zu geben. Hier liegt auch die große Komplexität des Spiels, da es immer gilt, so viel Zerstörung wie möglich mit so wenig Aktionen wie nötig anzurichten.
Das Spiel lässt sich schnell zusammenfassen, jedoch lassen sich die großen Verknüpfungen aller Aktionen nur schlecht anhand kleinerer Erklärungen erahnen. Zwar ist das Niveau der geforderten Denkprozesse von STRONGHOLD UNDEAD nicht mit einem WASSERKRAFT oder einem VITAL LACERDA-Spiel zu vergleichen, aber dennoch bringt STRONGHOLD UNDEAD einiges an Hirnnahrung mit, die sich sehr zufriedenstellend verdauen lässt.
Ein wenig befremdlich empfanden wir, dass die Retail-Version des Spiels an fast allen Ecken und Enden beschreibt, wo denn in der Kickstarter-Version etwas anders wäre. So wirkten beispielsweise die unterschiedlichen Truppen ein wenig komisch: Während die Burg mit coolen individuellen Meeplen verteidigt wird, befehligt die andere Seite eine Armee aus gesichtslosen farbigen Blöcken. Dadurch verstärkt sich der Verdacht, dass in Zukunft Erweiterungspacks angeboten werden könnten, welche die Armee der Untoten auch mit Meeplen versorgen, wie dies in der Kickstarterversion bereits der Fall war.
Ich möchte mich nicht über die individuellen Meeple beschweren (da diese wirklich klasse auf dem Spielfeld aussehen), jedoch wirken alle Kickstarterbanner (die sich durch einen Großteil des Spielmaterials ziehen) wie eine Möhre an der Schnur, die nur zeigen möchte, was die Spielgruppe denn noch alles verbessert haben könnte, hätte sie die Kickstarterversion gekauft. Sollte es so bleiben, dass die kickstarterexklusiven Teile auch wirklich exklusiv bleiben, sehe ich hier kein Problem, wenn sich aber meine Befürchtungen bewahrheiten, empfinde ich das als eine eher unschöne Werbeaktion für zusätzlichen Inhalt.
Generell sollte die Entwicklung in diesem Bereich im Auge behalten werden, da es STRONGHOLD UNDEAD trotz ein paar weniger interessanter Mechaniken am großen Wiederspielwert fehlt. Ohne zusätzliche Erweiterungen (die es in kleiner Form zum Beispiel beim Kickstarter exklusiv gab) könnte die Burgverteidigung (insbesondere beim immer gleichen Spielpaar) mangels fehlender Spielvariationen nach einigen Partien seinen Reiz verlieren.
Unterm Strich ist STRONGHOLD UNDEAD ein sehr schönes Spiel für 2 Spielende, dass insbesondere durch seine sehr gute Verknüpfung von Thematik und Spielmechanik zu überzeugen weiß. Auch wenn es noch einige Ecken und Kanten vorweist, können Fans von Fantasy- oder Mittelalterthematiken einen Blick riskieren, solange sie eine passende Spielgruppe haben, die an leichteren Expertenspielen interessiert ist und vor ein wenig Eigeninitiative nicht zurückschreckt.
Bilder vom Spiel
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Tags: 2 Personen, Asymmetrisch, Expertenspiel, Kampfstrategie, 90 Minuten, Horror, Mittelalter, Fantasy