TEST // CIVILIZATION - TERRA INCOGNITA

Über die Jahrtausende haben die Völker der Erde jenseits ihrer Grenzen das Unbekannte ersucht. Es war immer eine Quelle der Neugier, aber auch großer Furcht für die Menschen. Nur die Mutigsten unter ihnen brachen auf zu neuen Ufern. Sie begegneten anderen aufstrebenden Völkern, besiedelten neue Länder und schrieben Geschichte.

 

Mit der TERRA INCOGNITA Erweiterung versucht auch Asmodee die Suche nach dem Unbekannten in den Fokus zu rücken und CIVILIZATION – EIN NEUES ZEITALTER näher an die Videospielvorlage heranzurücken. Ob das gelungen ist und wir zu neuen Ufern der Zivilisations-Spiele aufbrechen, oder doch eher in seichten Gewässern schwimmen, erfahrt ihr in unserem Test.

civilization terra incognita info

 ASMODEE hat uns CIVILIZATION - TERRA INCOGNITA freundlicherweise für eine Rezension zur Verfügung gestellt.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!

 

Aufbruch ins Ungewisse – und in die Komplexität

Spielerisch erfindet die Erweiterung das Grundspiel nicht gänzlich neu. Die Spieler:innen benutzen weiterhin ihre Fokusleisten für Aktionen und arbeiten auf vorher festgelegte Spielzielkarten hin. Allerdings werden eine Menge neue Elemente, wie beispielsweise Armeen, die aus dem aktuellen Teil des Videospiels bekannten Bezirke und Festungen eingeführt. Diese Neuerungen erhöhen den Komplexitätsgrad des Spiels, rücken es aber auch merklich näher an die Vorlage heran.

Allerdings wird bereits beim Aufbau klar, dass die TERRA INCOGNITA Erweiterung das Grundspiel komplexer machen wird. Während die Spieler:innen zuvor von Anfang an das gesamte Spielfeld aufgebaut haben, beginnen sie nun mit wenigen zentralen Startteilen, Hauptstadt-Spielplanteilen sowie den neuen Festungsmarkern. Der Rest will erkundet werden.

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Ziel des Spiels ist es weiterhin, die Zielkarten zu erfüllen (diese heißen neuerdings „Siegkarten“). Von denen gibt es jetzt eine deutlich größere Auswahl, die spielmechanisch aber keine großen Überraschungen bescheren. Es müssen verschiedene Arten von Weltwundern erbaut, eine bestimmte Anzahl an Technologiekarten der Stufe 4 erforscht oder alle Bezirke errichtet werden. Neu sind die zwei Festung-Siegkarten, die in jeder Partie zusätzlich ausgelegt werden. Die Festungen sind also in jedem Spiel relevant. Aber nicht nur darin unterscheiden sich die neuen Siegkarten, denn im Gegensatz zu den normalen können die Spieler:innen die Festung-Siegkarten wieder verlieren, sobald sie diese einmal erfüllt haben. Hinzu kommt, dass nun vier der fünf ausliegenden Ziele erledigt werden müssen.

Der Rundenablauf bleibt mit der Erweiterung weitgehend gleich. Die Fokusleiste ist weiterhin das Herzstück des Spiels. In jeder Runde wählen die Spieler:innen eine ihrer Fokuskarten und führen die entsprechende Aktion, wie beispielsweise Militär, Kultur oder Wirtschaft, aus. Allerdings wurde die Fokusleiste deutlich erweitert. So gibt es jetzt Militärkarten, die jene aus dem Grundspiel ersetzen, um die neuen Armee-Marker zu bewegen. Weiterhin gibt es sogenannte „Wachstum“-Karten, mit deren Hilfe die neu eingeführten Bezirke errichtet werden können. Am Ende jeder Runde wird ebenso wie zuvor die Ereignisscheibe gedreht, die aber nun unter anderem Felder zum Aktivieren der Bezirke oder zum Wechseln der eigenen Regierungsform enthält.

Durch die neuen Armeemarker ergeben für die Spieler:innen militärisch völlig neue Optionen im Vergleich zum Grundspiel. Gegnerische Kontrollmarker, Städte und Wagen können direkt angegriffen und eingenommen werden, ohne dass diese vor den Grenzen der eigenen Städte sein müssen. Das gilt ebenfalls für Stadtstaaten, umherstreifende Barbaren und die neuen Festungen. Zum Erkunden neuer Spielplanteile können Armeen eingesetzt werden, indem sie (oder alternativ die eigenen Wagen) zum derzeitigen Kartenrand bewegt werden. Dann können die Spieler:innen für einen Bewegungspunkt – und wenn sich das Feld an einem Hauptstadt-Spielplanteil befindet – ein neues Gebiet aufdecken. Die Bezirke bringen ebenfalls mehr taktische Möglichkeiten in das Spiel. Beispielsweise können mit Hilfe eines im Gebirge platzierten Campus-Bezirks zusätzliche Forschungspunkte generiert werden, während der Theater-Bezirk es ermöglicht die eigenen Kontrollmarker weiter entfernt von den eigenen Städten zu platzieren. So lässt sich der eigene Einflussbereich außerhalb der eigenen Stadtgrenzen erweitern. Auch an die verschiedenen Ressourcen wie Marmor oder Diamant kann man auf diese Weise gelangen. Weniger intensiv greifen die Regierungsformen in die Spielmechanik ein, denn eine neue Regierungsform bietet lediglich einen Bonus auf bestimmte Aktionen in der Fokusleiste. Beispielsweise kann die Wirtschaftskarte so behandelt werden, als würde sie zwei Felder weiter rechts auf der Fokusleiste liegen, wenn man die Oligarchie wählt.

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Weniger Material war noch nie mehr

Die vielen Neuerungen und Veränderungen durch die TERRA INCOGNITA Erweiterung bringen eine ganze Fülle an neuem Material mit sich. Neben den bereits erwähnten neuen Siegkarten, Hauptstadt-Spielplanteilen, Festungen, Regierungsform-, Bezirks- und Armeemarkern sowie den neuen Fokuskarten, findet sich noch mehr Neues in der Erweiterungsbox. Es gibt zehn neue Anführerbögen mit einer Bezirksübersicht auf der Rückseite. Außerdem gibt es neben dem Spielmaterial für eine fünfte Person noch mehr von dem, was bereits im Grundspiel vertreten war. Neue Weltwunder, Diplomatiekarten für Spieler und Stadtstaaten, erweiterte Fokusleisten, mehr Ressourcen-, Naturwunder-, Kontroll-, Handels- und Barbarenmarker sowie mehr Wasserfelder und Naturwunder sind vorhanden.

Die Schachtel an sich ist eine sehr schlanke und von der Materialstärke her dünne Box. Die Komponenten der Erweiterung passen gerade so in die etwas merkwürdigen Dreieck-Kartons im Inneren hinein. Mit etwas Mühe und vielen kleinen Zippbeuteln lassen sich alle Materialien der Erweiterung mit in die Box des Grundspiels quetschen. Ohne eigene Sortiersysteme oder Kästchen zur Aufbewahrung der vielen verschiedenen Marker wird das schnell zu einem großen Chaos.

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Die Anleitung war einer der großen Kritikpunkte des Grundspiels. Die neue Anleitung folgt dem Prinzip der alten und beschreibt zuerst das Spielmaterial und den neuen Spielaufbau, danach dann die neuen Elemente des Spiels wie Festungen, Bezirke, Armeen und die Erkundung neuer Spielplanteile. Ebenfalls werden einige zentrale Spielbegriffe erklärt und ein paar Klarstellungen zu bestimmten Karten und Fähigkeiten gemacht. Eine Kurzübersicht auf der Rückseite der Anleitung erklärt die Kampfregeln noch einmal etwas kompakter und auch eine Auflistung aller neuen Siegkarten finden wir dort. Eine kompakte Übersicht über Spielzüge fehlt allerdings weiterhin.


philipp meine meinung

Ein Civilization-Spiel mit mittelmäßigem Komplexitätsgrad und einer moderaten Spielzeit von etwa 2 Stunden. Das ist ein Versprechen, das Spieler:innen schon häufig gehört haben, das aber bisher selten eingehalten werden konnte. Als ich 2018 vom Grundspiel gehört hatte, war ich von dieser Idee begeistert. Nachdem ich aber bemerkt hatte, wie sehr das Spiel dafür abstrahiert und reduziert werden musste, blieb ich doch lieber beim Vorgänger CIVILIZATION: DAS BRETTSPIEL. Dieses fühlte sich mehr nach dem Civilization an, das ich vom PC kannte, auch wenn einige der Mechaniken merklich veraltet waren und die Spielzeit mit teilweise vier Stunden und mehr für mich deutlich zu hoch war. Die TERRA INCOGNITA ERWEITERUNG hat mich allerdings dazu gebracht, das alte Spiel aus dem Jahr 2010 endgültig zu verkaufen und CIVILIZATION – EIN NEUES ZEITALTER wieder aus dem Schrank zu holen.

Das neue Erkundungselement ist absolut essenziell und ich würde nie wieder mit der vollständig aufgedeckten Karte aus dem Grundspiel spielen wollen. Die Regeln dafür sind simpel, aber doch restriktiv genug, sodass man keine absolut abenteuerlichen Karten zusammenstellt. Und auch die neuen Armeen verbessern die Militäraktionen ungemein. Wo zuvor nur die Kontrollmarker waren und ein abstraktes Gerüst von wirklichem Kampfgeschehen, so können mit den Armeen gegnerische Städte oder Festungen jetzt direkt eingenommen werden. Das Spiel lässt sich dadurch durchaus drehen, denn bereits ein eingenommener Kontrollmarker kann einen Sieg verhindern. Das bringt eine Menge Dynamik in die Partien und erweitert das Spiel um einen Aspekt, der zu den wichtigsten in der Videospiel-Vorlage zählt.

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Die vielen verschiedenen Völker machen immer noch Spaß und wurden um einige besonders interessante Völker erweitert. Die Inka können beispielsweise einen weiteren Kontrollmarker platzieren, nachdem sie zuvor einen auf einem Berg-Geländefeld gelegt haben, was diesen Effekt wiederum aufs Neue auslösen kann. Dadurch verbreiten sich die Inka rasend schnell durch alle Gebirge, insofern welche auf den Spielplanteilen des Inka-Spielers vorhanden sind. Auch die Niederlande haben eine spannende Fähigkeit, die besonders auf ein neues Spielelement eingeht. Denn sie dürfen Wasserfelder für die Auswertung der eigenen Bezirke wie freundliche Felder eines beliebigen Typs nutzen. Das verbessert die ohnehin schon starken Bezirke noch einmal deutlich und macht ihre Platzierung leichter.

Negativ erwähnt werden muss leider immer noch die Anleitung. Zwar werden alle neuen Regeln gut mit Beispielen und Bildern erklärt, allerdings fehlt nach wie vor der rote Faden. Zusätzlich erschwert werden die ersten Spieldurchgänge dadurch, dass die neuen Regeln nur unzureichend in Verbindung mit den alten Regeln erklärt werden. Die Spieler:innen müssen zum Beispiel für die Kampfregeln in beide Regelhefte schauen, um wirklich alles zu verstehen und miteinander verknüpfen zu können. Was außerdem zur Unübersichtlichkeit beiträgt ist die Tatsache, dass es einige Fehler auf Spielmaterialien gibt. Deswegen gibt es bereits eine mehrere DIN A4-Seiten umfassende Errata mit Regelklarstellungen und Ersatzkarten zum Download. Im Endeffekt sind es also drei Regelbücher, die die Spieler:innen in bestimmten Situationen immer wieder durchblättern müssen, was für einige Frustmomente sorgt.

Ein weiterer Kritikpunkt sind für mich die Siegkarten. Diese sind zwar erweitert worden, fühlen sich aber dennoch etwas restriktiv an. So ist ein Volk wie die Chinesen, das die eigenen verstärkten Kontrollmarker verbessert, sehr interessant. Aber wenn keine Siegkarte ausliegt, die ebendiese verstärkten Kontrollmarker verlangt, dann lohnt es sich kaum auf sie zu spielen. Die Zielkarten, die noch dazu keine allzu große Varianz an Siegbedingungen präsentieren, geben einem das Gefühl eines recht eng geschnürten Korsetts. Bewegungsfreiheit ist etwas anderes.

Für mich persönlich ist das Spiel nicht konfrontativ genug. Zwar ermöglichen die Armeen einem etwas direkteren Zugriff auf die Gegner, durch die Erkundung nach außen bauen die Spieler:innen aber weiter voneinander weg, was zu deutlich weniger Reibungspunkten führt. Die neuen Festungen, die dies etwas ausbalancieren und das Militär sind wichtige Aspekte, die man zu keiner Zeit vernachlässigen sollte, jedoch wollen sie sich nicht wirklich geschmeidig in das Spiel integrieren. Sie fühlen sich eben genau so an, als wären sie hauptsächlich dem Spiel hinzugefügt worden, damit die Militärkarten relevanter werden. Dass es in der Videospiel-Vorlage dieses Spielelement ebenfalls nicht gibt, lässt die Festungen noch etwas deplatzierter wirken.

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Insgesamt war der Aufbruch ins Unbekannte für CIVILIZATION – EIN NEUES ZEITALTER mit der TERRA INCOGNITA Erweiterung aber ein Schritt in die richtige Richtung. Es fühlt sich deutlich mehr nach dem an, was es ursprünglich sein wollte: Ein Zivilisationsspiel mit mittelmäßigem Komplexitätsgrad (auch wenn dieser durch die Erweiterung merklich gestiegen ist), das in etwa zwei Stunden gespielt werden kann. So gut wie alle Elemente des Videospiels sind nun endlich enthalten und die große Anzahl an verschiedenen Völkern und Spielstilen weiß langfristig zu begeistern. Die Fokusleiste, die das Highlight des Grundspiels war, bildet immer noch das Herzstück des Spiels und wurde sinnvoll erweitert. Auch wenn CIVILIZATION – EIN NEUES ZEITALTER selbst mit der TERRA INCOGNITA Erweiterung noch ein ganzes Stück vom perfekten Zivilisationsspiel entfernt ist, macht es doch unheimlich viel Spaß und lädt die Spieler:innen in jeder neuen Partie dazu ein, fremde Länder zu erkunden und mit den Möglichkeiten des eigenen Volkes zu experimentieren.

civilization terra incognita wertung

 

 

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Tags: Zivilisation, Area Control, 2-5 Spieler

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