TEST // CITY OF ANGELS
Es war wieder das Ende einer diese Tage, an denen der Moloch CITY OF ANGELS an allen Ecken hochgehen konnte. Ich hatte die Wahl, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen, entschied mich aber für einen entspannteren Abend mit meinem alten Kumpel Johnny Walker. Die Toten würden auch morgen noch fest schlafen und die Verschwundenen werden nicht gleich im Fahrstuhl zum Schafott sitzen. Ich kann mich auch noch morgen in meinen Karoanzug schmeißen und der Spur des Falken folgen. Die anderen Schnüffler haben nicht meine Qualität und wenn doch, werde ich schon einen Weg finden, wichtige Entdeckungen aus ihnen herauszubekommen. Die Frage ist nur, wie viele George Washingtons ich dafür einsetzen muss.
Wir haben CITY OF ANGELS mit einem Presserabatt gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
L.A. Confidential
CITY OF ANGELS ist ein Detektivspiel, bei dem die SpielerInnen gegeneinander antreten und versuchen, einen Fall zur Zufriedenheit ihres Vorgesetzten zu lösen. Der Box liegen insgesamt 9 separate Fälle bei. 3 davon werden als leicht, 3 als mittel und 3 als schwer eingestuft. Für den klassischen Modus sind 3 SpielerInnen erforderlich, da eine Person den Stichel spielt und zwei Personen gegeneinander antreten. Der Stichel hat die Aufgabe, die ErmittlerInnen durch das Spiel zu leiten und die Verhöre aus der Sicht der Verhörten zu führen. Er erfüllt dabei eine ähnliche Aufgabe wie ein Dungeonmaster bei Pen&Paper-Rollenspielen.
Nach dem Aufbau und dem Vorlesen der Story wählt jeder Detektiv und jede Detektivin frei ein Polizeirevier, von dem aus gestartet wird. Es steht eine vorher festgelegte Anzahl an Tagen zum Lösen des Falls zur Verfügung. Pro Tag hat jede Person 4 Aktionen zur Verfügung. Eine Aktionsmöglichkeit ist Bewegen, wobei innerhalb des aktuellen Bezirks ein Ort angesteuert werden kann. Zum Wechseln in einen angrenzenden Bezirk muss zunächst eine Bewegung genutzt werden, um sich auf die Grenze zu bewegen. Am Ziel angekommen, kann eine Örtlichkeit durchsucht werden, wodurch entweder Gegenstände oder Personen zum Vorschein kommen können. Befinden sich Personen auf einem Feld, können diese verhört oder durchsucht werden. Des Weiteren steht allen die Möglichkeit offen, nachzudenken und dadurch nebenbei 1$ Schmiergeld einzunehmen. Als letzte Möglichkeit kann Schutzgeld erpresst werden, was so viel $ einbringt, wie Personen am Spiel teilnehmen, inkl. Stichel.
Beim Durchsuchen von Orten oder Personen sucht der Stichel nach entsprechenden Durchsuchungskarten zum Fall und überreicht sie verdeckt. Je nach Karte wird diese anschließend wieder zurückgegeben, bleibt bei der durchsuchenden Person oder wird ins Archiv gelegt. Archivierte Karten besagen, dass dieser Ort oder diese Person nicht mehr untersucht werden können. Karten, die bei einem Ermittler oder einer Ermittlerin verbleiben, werden zu einem benannten Zeitpunkt allen verfügbar gemacht. Beim Verhör übernimmt der Stichel die Rolle der verhörten Person und kann anhand der Auswahl in der Stichel-Ermittlungsakte entscheiden, ob eine ausweichende Antwort oder die beste Antwort auf die Frage gegeben wird.
Im ersten Schritt des Verhörs können Personen auf dem eigenen Feld zu allen offen ausliegenden Fallkarten, auch zu sich selbst, befragt werden. Im 2. Schritt wird entschieden, ob Druckmittel eingesetzt werden, soweit diese verfügbar sind. Beim Einsatz von Druckmitteln gibt der Stichel grundsätzlich die beste Antwort der verhörten Person. Hat der Stichel ein Druckmittel gegen einen Ermittler oder eine Ermittlerin, kann durch den Einsatz die Aussage der verhörten Person verweigert werden. Die befragende Person hat dann nur noch die Möglichkeit, 2$ auszugeben, um damit einen Schläger anzuheuern und so doch noch eine Aussage zu erhalten. Im 3. Schritt entscheiden alle anderen SpielerInnen verdeckt, ob sie einem Spitzel 3$ bezahlen, wodurch diese ebenfalls die Antwort auf die Frage erfahren. Der Stichel kann durch den Einsatz von Druckmitteln verhindern, dass einzelne SpielerInnen Spitzel einsetzen können. Im 4. Schritt gibt der Stichel die Antwort über einen verschlossenen Umschlag an die befragende Person. Wurde ein Druckmittel eingesetzt, ist dies auf jeden Fall die nützlichste Antwort. Wurde kein Druckmittel eingesetzt, kann der Ermittler bzw. die Ermittlerin entscheiden, ob die Antwort angezweifelt wird. Hat die befragte Person bereits die nützlichste Antwort gegeben, erhält der Stichel ein Druckmittel gegen die ermittelnde Person. War das Anzweifeln erfolgreich, hat der Ermittler oder die Ermittlerin nicht nur ein Druckmittel gegen die befragte Person, sondern erhält zusätzlich auch die nützlichste Information. Im letzten Schritt erhalten alle, die sich für das Bespitzeln entschieden haben, ebenfalls die letzte Antwort, die der Stichel an die befragende Person gegeben hat.
Wer meint, den Fall gelöst zu haben, kann zu Beginn seines Zuges, vor der ersten Aktion, sein Lösungsplättchen einsetzen. Danach notiert die lösende Person, wer die Tat mit welcher Tatwaffe und mit welchem Motiv begangen hat, und zwar alles anhand der ausliegenden Fallkarten. Liegt die Fallkarte mit der Tatwaffe (noch) nicht offen aus, kann diese auch nicht als Lösung genannt werden. Der Stichel überprüft anschließend, ob alles richtig ist. Falls nicht, teilt er verdeckt mit, wie viele der Vermutungen richtig sind. Die lösende Person hat danach die Möglichkeit, weitere Ermittlungen anzustellen und nach dem letzten Tag einen weiteren Lösungsversuch abzugeben, falls kein anderer Ermittler den Fall vorher gelöst hat. Ist die Vermutung in allen 3 Punkten richtig, hat die lösende Person gewonnen und der Stichel liest die Auflösung vor.
Wer solo oder kooperativ spielen möchte, kann auf den Stichel verzichten und stattdessen das Solobuch verwenden. Das Spiel ändert sich dadurch in Teilen, bleibt weitgehend aber vergleichbar. Was wegfällt, sind vor allem alle Geldaktionen und es gibt nur noch eine Ermittlerfigur auf dem Spielbrett. Neu hinzu kommen dafür Stressplättchen, die bei falschem Anzweifeln umgedreht und damit aktiviert werden. Sind 3 Stressplättchen aktiv, wird die Zeit zum Lösen des Falls um 1 Tag verkürzt. Durchsuchungen und Befragungen werden anhand des Solobuchs durchgeführt. Dazu gibt es zu jedem Fall eine Übersichtstafel, bei der die entsprechende Kombination aus Person und Fallkarte zu einer Zahl führt, die im Solobuch nachgelesen werden kann. In dem Abschnitt stehen ggf. weitere Möglichkeiten, aus denen gewählt werden kann. Für die Auflösung stehen auf der Rückseite Zahlenwerte für Täter, Waffe und Motiv, die addiert eine Summe ergeben, welche ebenfalls im Solobuch nachgeschlagen wird. Beginnt der Text mit „Der Captain bittet dich in sein Büro“ stimmt die Vermutung und der Fall ist gelöst. Falls nicht, geht es in die Verlängerung mit max. 2 weiteren Lösungsversuchen, wobei jeder neue Versuch 3 weitere Tage für Ermittlungen mitbringt.
DAS SPIELMATERIAL
Das Spielmaterial zu CITY OF ANGELS fällt hochwertig aus. Das Spielbrett ist aus dickem Karton gefertigt, die zahlreichen Papp-Marker machen ebenfalls einen durchweg stabilen Eindruck. Neben 4 Miniaturen gibt es noch pro Ermittler 8 Plastikhüte als Druckmittel, 4 Holzwürfel zum Nachhalten der Tagesaktionen und je ein Tableau sowie ein Tableau für den Stichel. Jeder Fall ist in einem kleinen Karton verpackt, in dem die jeweiligen Fall-, Antwort-, Durchsuchungs- und Geheimkarten enthalten sind. Nach dem Spielen eines Falles können die jeweiligen Papp-Standees ebenfalls hineingepackt werden. Für jeden Ermittler gibt es eine Ermittlungsakte, in der die Einsatzbesprechung nachgelesen werden kann. Der Stichel erhält eine eigene Ermittlungsakte mit zusätzlichen Informationen. Für das Solospiel liegt ein Solobuch mit allen Texten aus dem Spiel sowie eine Übersichtskarte zu jedem Fall bei. Zudem ist noch ein dicker Block mit 50 beidseitig bedruckten Untersuchungsbögen beigefügt.
Die Anleitung ist gut strukturiert und bietet zahlreiche Bebilderungen und detaillierte Erklärungen zu einzelnen Punkten. Zudem sind die möglichen Aktionen und Schritte einzelner Aktionen auf den Ermittlungsakten und den Tableaus beschrieben. Der Einstieg ins Spiel sollte damit leicht gelingen.
Wer sich die Einsatzbesprechung und die Auflösung der Fälle lieber professionell vorlesen lassen möchte, kann sich die Texte auf der Pegasus-Seite direkt anhören oder herunterladen (unter Download). Vorgelesen werden die Texte von Oliver Rohrbeck, der vielen als Justus Jonas von den ??? bekannt sein wird.
CITY OF ANGELS ist ein fesselndes Detektivspiel, das nicht zuletzt durch seine verschiedenen Spielvarianten eine breite Masse von BrettspielerInnen ansprechen dürfte. Der kompetitive Ermittlungsmodus ist der mir bislang einzig bekannte dieser Art, was gerade bei Detektivspiel-AnhängerInnen, die sich gerne im Kampf gegen andere ErmittlerInnen erproben möchten, für besondere Freude sorgen dürfte. Allerdings hängt dieser Modus sehr stark von der Qualität des Stichels ab. Wenn der Stichel sich selbst als Teil des Wettkampfes sieht und verbissen versucht, die DetektivInnen zu schlagen, stelle ich mir das Spielerlebnis wenig unterhaltsam vor. Sieht sich der Stichel jedoch als Spielleiter, der der Gruppe ein möglichst großes Spielvergnügen bieten möchte, kann das gleiche Spiel mit den gleichen DetektivInnen viel Spaß bieten. Ich persönlich ziehe die kooperative Spielvariante mit dem Solobuch vor. Zum einen lässt sich dies bestens mit 2 Personen (oder solo) spielen, zum anderen gefällt mir persönlich die Mechanik mit Bespitzeln und Bedrohen nicht ganz so gut.
Beim Spiel mit dem Solobuch hat meine Frau das Nachhalten der Aktionen und die Buchführung übernommen, während ich die Texte vorgelesen haben. Dazwischen gab es dann immer die Diskussionen, wer als nächstes verhört werden soll bzw. welchen unbekannten Ort wir als nächstes näher unter die Lupe nehmen sollten. Mit den Erkenntnissen begannen wir dann, gemeinsam Theorien zu entwickeln und alles durch Beweise wasserdicht zu machen. Bei allen 9 Fällen waren wir mit dieser Methode erfolgreich. Die ersten Fälle waren schnell gelöst und in nicht einmal 30 Minuten haben wir unserem Chef erfolgreich und frühzeitig den Abschlussbericht vorlegen können. Später wurde es zeitlich deutlich anspruchsvoller und es kam vor, dass wir in die Verlängerung gehen mussten. Wir hatten aber nie das Gefühl, dass das Spiel unfair war. Stets gab es Hinweise, die auf den passenden Weg hindeuteten.
Kommen wir nun zu den Punkten, die mir nicht ganz so gut gefallen haben. Mit einer UVP von 69,99 € ist der Preis für meinen Geschmack ein wenig zu hoch. Auch wenn sich das Material als sehr gut herausstellt und sicherlich auch einiges an Entwicklungsarbeit in dem Spiel steckt, wäre ein Preis um die 50 € für mein Wertegefühl deutlich angemessener. Dass ein Tag im Spiel manchmal mitten in einem Verhör wechselt, ist im Hinblick auf das immersive Spielgefühl nicht ganz gelungen. Beim Lösen der Fälle gab es 2 Momente, die wir nicht ganz gelungen fanden. So war die Mordwaffe in einem Fall nur durch Raten und Bauchgefühl als solche zu erkennen und im finalen Fall war die Festlegung des Mordmotivs zu eng gefasst. Wir hatten den Fall bis ins kleinste Detail gelöst, das Motiv aber zwei anderen Begriffen zugeordnet als vorgesehen. Dass die Einsatzbesprechungen und Epiloge von Oliver Rohrbeck, vielen bekannt als Justus Jonas von den ???, vorgelesen werden, ist für HörspielfreundInnen (wie mir) auf der einen Seite zwar eine schöne Sache. Auf der anderen Seite habe ich beim Vortrag immer den Schrottplatz im Hinterkopf und warte förmlich darauf, dass Tante Mathilda mit Kirschkuchen um die Ecke kommt. Eine etwas rauere Stimme, wie die von Matthias Klie (Bosch) wäre thematisch noch ein klein bisschen stimmungsvoller gewesen. Aber hey, das ist nun wirklich Jammern auf hohen Niveau. Oliver Rohrbeck macht seine Sache gut und die Assoziation ist am Ende mein Problem. Beim Spielmaterial gibt es ein Problem mit dem Solobuch. Unter Eintrag 583 steht „[…] ist Verdächtiger #4 […]“, während es hier hätte heißen müssen „[…] ist Verdächtiger #5 […]“. Dies kann je nach Ermittlungsstand zu unschönen Problemen führen. Wer plant, CITY OF ANGELES mit dem Solobuch zu spielen, sollte dies unbedingt vorher korrigieren!
Wen der Preis nicht abschreckt und wer Spaß an Detektivspielen hat, sollte auf CITY OF ANGELS unbedingt sein Augenmerk lenken. Das Verhörsystem macht Spaß, sei es mit einem gut agierenden Stichel oder dem Solobuch, und das Lösen der Fälle hat uns ohne Ausnahme komplett mitgerissen. Die Kritikpunkte sind letzten Endes nur Kleinigkeiten, die dem vorhandenen Spielspaß nur wenig anhaben können. Ich kann CITY OF ANGELS guten Gewissens allen ans Herz legen, die Spaß an Detektivspielen haben. Egal, ob als Team mit Solobuch oder kompetitiv mit einem passionierten Stichel, das Spiel hat beide Modi gut durchdacht und beide wissen auf ihre Art zu gefallen. Wer das Spiel im Solomodus durchgespielt hat, ist bestens gewappnet, um anschließend mit einer anderen Gruppe den Stichel zu spielen. Dann würde sich der Preis auch wieder etwas relativieren.
Bilder zum Spiel
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Tags: 1-5 Spieler, Solospiel, Detektiv