TEST // FLOTILLA - Fazit + Wertung + Bilder vom Spiel
An diesem Punkt angelangt, fühlt sich FLOTILLA wie eine anstrengende Reise an, eine lohnende zwar, aber dennoch auch eine kräftezehrende Unternehmung in einer postapokalyptischen Welt, die vor 70 Jahren spielt. Die Spielgeschichte schien mir düster mit den radioaktiven Seegebieten und der unterschwelligen Hoffnungslosigkeit und all diesen Menschen, denen ein Leben als Müllsammler und Resteverwerter auferlegt wird. Doch das stört niemanden im Spiel und die tödliche Radioaktivität ist eben das notwendige Übel eines umtriebigen Entdeckerlebens. Alle Bewohner dieser Welt graben im Müll und lassen lethargisch ihr Leben für die Ressourcenbeschaffung. Diese düstere Seite spielt bei FLOTILLA jedoch keine Rolle. Die Karten, die eine sehr gute Verteilung von Männern und Frauen aufweisen (es sind gleich viele), sind farbenfroh und das vorherrschende Zwei-Kasten-System aus Sink- und Skysidern und die allumfassende Herrschaft aus vier Gilden scheinen dem Spieler förmlich zu zuflüstern: „Hey, mach dir keine Sorgen. Das Leben ist schön und voller Möglichkeiten. Und wenn dir die verstrahlten Haare ausfallen, dann fahr‘ halt woanders hin.“
Also habe ich das gemacht. Der Schlüssel zum Glück liegt in heiterer Resignation.
Konzentrieren wir uns also auf die schönen Dinge. FLOTILLA ist angenehm bunt. Die Karten sind schön gestaltet und jede Person wurde für die Skyside anders gestaltet. Da wird der Taucher zum Sammler und der Student bleibt Student. Das ist absolut passend und macht Hoffnung, denn selbst in der Apokalypse scheint es die Prokrastination, also das Aufschieben von Tätigkeiten, noch zu geben. Diese Aktionskarten steuern das gesamte Spiel. Durch Einfluss in den Gilden erhalten die Spieler neue Karten und erweitern so nicht nur ihre Möglichkeiten mit sehr mächtigen neuen Aktionen, sondern schieben auch das unausweichliche Spielen des Kapitäns hinaus. Das Deckbuilding funktioniert ausgezeichnet und macht Spaß. Durch die verlockenden Fähigkeiten der Karten wird das Sammeln von Einfluss zum spannenden Wettrennen, das mit Siegpunkten belohnt wird.
Die Verzahnung der beiden Seiten mit ihren verschiedenen Aktionen ist gut und greift an vielen Stellen ineinander. Alles im Spiel ist auf den Seitenwechsel zugeschnitten. Zwar ist es nicht nötig, zu wechseln, dennoch fragen sich alle Spieler insgeheim, wann die anderen wechseln oder der ideale Zeitpunkt erreicht ist, um selbst die Schwimmflossen an den Nagel zu hängen. Ressourcen werden mit steigendem Angebot immer billiger und bald sehnen Sinksider den Moment herbei, da ein reicher Skysider daher spaziert kommt und sich besinnungslos kauft. Jede Tauchfahrt ist riskant und das nervige Radar kann nur von einem Skysider auf lukrativere Bereiche versetzt werden.
Zielplättchen zu erfüllen, ist eine teure Angelegenheit. Fehlen passende Bauplätze, kann jedoch mit ein bisschen mehr Geld ein schwimmender Turm errichtet werden. Ob sich der Aufwand lohnt, muss jeder Spieler selbst entscheiden. Doch eben genau diese Entscheidungen sind schwer zu treffen. Zum einen gibt es reichlich Alternativen, zum anderen sind die Verzahnungen gerade am Anfang so zahlreich, dass selbst mit den kleinen Spielhilfen der Überblick verloren geht. Die Vielzahl kleiner Regeln und die Wechselwirkungen machen eine fundierte Entscheidung schwer.
FLOTILLA ist ein Spiel für drei bis fünf Personen. Bezüglich der verzahnten Mechanik ergibt das Sinn, doch selbst zu dritt dauert das Spiel sehr lange. Eine Partie mit fünf unerfahrenen Spielern kann schnell den ganzen Abend in Anspruch nehmen. Durch die Verzahnung ist es nötig, jede Aktionskarte grundlegend zu erklären. Und da sich die Aktionen von denen der Rückseiten unterscheiden, ist es notwendig, beide Seiten zu erklären. Die Wechselwirkungen müssen immer wieder in der Anleitung nachgeschlagen werden. Hinzu kommt, dass FLOTILLA sich sehr einsam anfühlt. Interaktion gibt es nur über die Verzahnung, direktes Handeln von Waren oder gemeinsame Aktionen gibt es nicht. Ganz typisch für ein Eurogame beschränken sich die genügsamen Müllwühler also auf passive Aggressionen.
FLOTILLA ist ein Expertenspiel. Sein Grundgerüst ist das zweier Kennerspiele. Und so fühlt es sich auch auf beiden Seiten dieser Gesellschaft an. Es sind zwei einzelne Kennerspiele, die durch ein Geflecht aus kleinen Regeln aneinandergebunden sind, als habe man zwei Holzboote aneinandergebunden. Das Ergebnis schwimmt, aber es wird dadurch nicht zu einer Yacht. FLOTILLA hat mir Freude gemacht und war wirklich fordernd und spannend, aber eben auch sehr anstrengend.
Bilder vom Spiel
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Tags: Legespiel, Aktionskarten, Ressoucenmanagement, Postapokalypse, Deckbau, 90-150 Minuten, 3-5 Spieler