TEST // SOLA FIDE
Die Spaltung der Katholischen Kirche ist im vollen Gange. Luther und seine Anhänger versuchen ihren Einfluss im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation weiter auszubauen, während die katholische Kirche alles versucht, um ihren Stand und Einfluss innerhalb der Gesellschaft zu behalten. Wer bei dieser kleinen Einführung an eine Geschichtsstunde denkt, liegt dabei gar nicht so falsch. Das bekannte Autorenduo Jason Matthews und Christian Leonhard, das sich schon einen Namen bei historischen Brettspielen machen konnten, haben sich zum 500. Luther-Jubiläum an einem Spiel versucht, das genau diese Thematik aufgreift und den Konflikt zwischen den beiden christlichen Religionsausrichtungen in den Fokus nimmt. Aber wie schlägt sich das Spiel auf dem Tisch?
Wir haben SOLA FIDE selbst gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Darum geht es im Spiel
Bei SOLA FIDE übernehmen zwei Spieler die Rollen der beiden Kirchenbewegungen und versuchen ihren Einfluss geltend zu machen, um den jeweiligen Gegner auszustechen. In seinen Grundzügen ist SOLA FIDE ein Kartenspiel, bei dem die Spieler Handkarten ausspielen, um mit ihren Effekten Territorien zu erobern.
Dafür erhält jeder Spieler einen Kartenstapel, womit er im Spiel ein eigenes Deck draften kann (nur im Anfängerspiel spielen die Spieler mit einem vorgegebenen Deck). Sind die Kartendecks erstellt, kann es sofort losgehen. Das Spielfeld von SOLA FIDE besteht aus einer Pyramide an Territorien-Plättchen, die die zu erobernden Territorien darstellen. Auf diesen Territorien sind verschiedene Informationen vermerkt, die Aufschluss darüber geben, wann ein Territorium erobert ist. Die Territorien sind in zwei Bereiche unterteilt. Am unteren Bereich des Territoriums befindet sich die Seite des Volkes, während der obere Bereich die Seite des Adels darstellt.
Beide Seiten werden mit einer kleinen Leiste miteinander verbunden, auf der ein kleiner Holzmarker liegt, der angibt, welche der beiden Seiten grade aktiv ist. Dies ist relevant, da beide Seiten über Einfluss-Felder verfügen, die entweder in Rot (protestantisch), Schwarz (katholisch) oder Weiß (neutral) dargestellt werden. Diese Einfluss-Felder geben an, wie viel Einfluss die beiden Religionen in den jeweiligen Bevölkerungsschichten haben und wie viel noch aufzubauen ist. Dies geschieht durch das Ausspielen von bestimmten Handkarten und dem Befolgen ihrer Effekte.
Während eines Zuges haben die Spieler die Wahl, ob sie eine Karte ziehen (bis zu einem Maximum von 5) oder eine Karte spielen. Die meisten Handkarten betreffen die Einfluss-Felder der Territorien. Zum Beispiel können diese Karten ein Einfluss-Feld auf Seiten des Volkes mit der eigenen Farbe einfärben oder aber den Bevölkerungsmarker verschieben, sodass ein Territorium von Seiten des Volkes zum Adel wechselt (oder andersherum). Ein Territorium gilt als eingenommen, sobald ein Spieler alle Einfluss-Felder der aktiven Hälfte (Adel oder Volk) in seiner Farbe eingefärbt hat. Dazu zählen auch die Einfluss-Felder, die bereits zu Beginn in der Farbe des Spielers waren. Die jeweilige Religion hat dadurch einen Vorteil auf manchen Territorien, der jedoch gleichmäßig auf die Territorien verteilt ist.
Um Abwechslung hereinzubringen, haben beide Spieler eigene kleine Vorteile, über die nur die jeweilige Seite verfügt. Zum Beispiel kann der rote Spieler (Protestant) bei zwei Territorien alle neutralen Felder mit dem Ausspielen der Karte sofort einfärben, während der schwarze Spieler (Katholik) über Militärkarten verfügt, die meist besonders stark sind. Diese geben dem roten Spieler aber die Möglichkeit, auf eine eigene Tabelle zu würfeln, um damit einen direkten Bonus im Spiel zu erhalten. Zusätzlich gibt es den etwas umständlich betitelten Disputations-Marker. Dieser kann auch durch Karten bewegt werden und gibt einen Bonuspunkt an die Spieler, die ein Territorium mit diesem Marker einnehmen.
Wurde ein Territorium eingenommen, werden die beiden unterhalb verdeckt ausliegenden Territorien aufgedeckt (sofern noch nicht geschehen) und der Kampf um die nächsten Territorien beginnt. Als kleinen Bonus darf der erobernde Spieler eine „Ausländischer Einfluss-Karte“ ziehen, die jeweils (je nachdem welcher Kartenstapel gewählt wurde) einen eigenen Effekt haben können.
Das Spiel endet, sobald das letzte Territorium eingenommen wurde. Der Sieger wird durch die erhaltenen Siegpunkte ermittelt, die auf den eingenommenen Territorien stehen, wobei die Bonuspunkte des Disputations-Markers hinzugerechnet werden.
Was ist in der Box?
SOLA FIDE enthält insgesamt 90 Spielkarten (jeweils 45 pro Seite), 16 „Ausländischer Einfluss-Karten“(4 pro Stapel), 10 Territorien sowie farbliche Marker für die Spieler, die Bevölkerungsleiste und Bonuspunkte.
Alle Spielkomponenten sind von durchschnittlicher bis gehobener Qualität. Die Territorien-Plättchen bestehen aus dicker und gut verarbeiteter Pappe, wohingegen die kleinen Holzmarker dem normalen Standard entsprechen und ein paar Verfärbungen aufweisen, die aber kaum bis gar nicht auffallen.
Das Regelheft erklärt die Regeln auf kompakten 7 Seiten, wobei viele grafische und schriftliche Beispiele den Inhalt begleiten. Einzig und allein die komplizierte Ausdrucksweise an einigen Stellen behindert den Lesefluss etwas, wobei die Regeln im allgemeinen gut verständlich sind und auch kurz vor dem ersten Spiel noch verinnerlicht werden können.
Das beiliegende Begleitheft kann eher als Gimmick und weniger als relevanter Inhalt angesehen werden. Dieses erklärt den historischen Hintergrund der jeweiligen Karten und ist daher eher bei Geschichtsinteresse und weniger im Spielverlauf eine Stütze.
Das positive vorweg: Uns hat SOLA FIDE durchaus gefallen. Es bietet soliden 2-Spieler-Spaß für Spielergruppen, die gerne kompetitive Spiele spielen oder sich gerne mit dem Gegenüber messen möchten. An den Mechaniken konnten wir erkennen, dass hinter dem Spiel erfahrene Spieleautoren stecken, die bereits einige historische Strategiespiele veröffentlicht haben, da kaum eine Mechanik willkürlich oder zu stark erschien. Beide Parteien sind sehr gut ausbalanciert und besitzen eigene Spezialfähigkeiten, die sich gegenseitig gut auskontern. Einzig die Mechanik der „Ausländischer-Einfluss-Karten“ passte für uns nicht ganz ins Bild, da diese teilweise etwas zu stark sind und zusätzlich dem Spieler einen Vorteil geben, der gerade ein Territorium erobert hat (was ja durchaus schon positiv ist).
Insbesondere die grünen Karten können das Spiel sehr stark zugunsten einer Seite beeinflussen, was wir bei den anderen gut durchdachten Mechaniken nicht ganz nachvollziehen konnten. Auch die Möglichkeit, ein Anfängerdeck zu nutzen oder sich ein eigenes Deck zu draften, hat uns sehr gut gefallen. So lassen sich nach und nach eigene Strategien oder sogar Konterstrategien gegen einen bestimmten Gegner entwickeln, sobald man seine Taktiken genau genug studiert hat.
Kommen wir zu unseren Kritikpunkten. Der offensichtlichste Punkt betrifft die Begriffe in der Anleitung. Es ist beispielsweise von Reichskreisen die Rede, die umgewandelt werden müssen, wobei am besten der Disputationsmarker auf diesen abgelegt werden muss. Diese Begriffe stören den Lern- und Lesevorgang enorm und hätten mit Leichtigkeit anders benannt werden können, um den Zugang zu dem Spiel zu erleichtern.
Aufmerksamen Lesern mag vielleicht auch schon aufgefallen sein, dass ich kaum auf den historischen Hintergrund des Spiels eingegangen bin und das hat auch einen einfachen Grund: Für den Spielverlauf ist dieser nämlich völlig egal bis eher störend. Wir haben bei unserem Spieldurchlauf nicht eine Religion vertreten, sondern die roten Steinchen, die die schwarzen Steinchen „weg machen“ wollen. Wir haben auch nicht die komplexen Kartentitel wie „Der Reichstag zu Worms“ oder „Papst Leo X. stirbt!“ ausgerufen, sondern sind direkt zur Erklärung des Karteneffektes übergegangen. Wir haben den geschichtlichen Hintergrund damit völlig übersprungen. Das hat uns auch auf ein weiteres Problem stoßen lassen. Auf den Karten gibt es keinerlei Schlagwörter, Zusammenfassungen oder Symbole, die die Karteneffekte prägnant zusammenfassen. Jedes Mal muss theoretisch der gesamte Karteneffekt vorgelesen werden, was dem Spielfluss nicht zugutekommt.
Gerade ich als angehender Geschichtslehrer war natürlich sehr an der historischen Umsetzung des Themas im Spiel interessiert und habe mich gefragt, ob ich es vielleicht nutzen könnte, um das Thema meinem Gegenüber näher zu bringen. Aber im Spiel entwickelt sich an dem Thema leider kaum Interesse, weil es nur eine kleine Rolle spielt. Natürlich ist es positiv, dass es ein kleines Beiheft gibt, dass die historischen Gegebenheiten der Karten erläutern kann, sollte sich im Spiel doch ein Interesse an dem Thema ergeben haben. Aber für mich hat SOLA FIDE mit einem thematischen Geschichtsspiel nicht viel zu tun.
Unterm Strich ist SOLA FIDE ein Spiel, dass sich für Spieler anbietet, die eher klassischere Spiele favorisieren und sich nebenbei vielleicht ein wenig über das Thema informieren wollen. Spieler, die einen Glücksfaktor in ihren Spielen nicht mögen und sich so gut es geht auf den eigenen Verstand verlassen wollen, könnten sicherlich einen Blick wagen.
Bilder vom Spiel
Tags: Draften, 45 Minuten, 2 Spieler, Area Control