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TEST // Die Welt von SMOG: Aufstieg des Moloch

TEST // Die Welt von SMOG: Aufstieg des Moloch

1888 ist das Leben im Viktorianischen Königreich alles andere als ein Zuckerschlecken. Geheime Kulte, furchterregende Monster und infernalische Maschinen dominieren die Schlagzeilen in den Gazetten. Dass diese nur einen kleinen Teil der großen Bedrohung für die britische Krone ausmachen, weiß nur ein elitärer Club aus feinen Herren und vornehmen Damen. In „Die Welt von SMOG: Aufstieg von Moloch“ wird sich zeigen, ob es am Ende die treuen Diener der britischen Krone sind, die das Böse in seine Schranken weisen, oder ob die Nemesis es schafft, dem Bösen zur Herrschaft zu verhelfen.

Asmodee war so freundlich, bei uns kostenlos den Kampf zwischen Einhorn Club und Moloch Anhängern auf den Tisch zu bringen. Was wir beim Kampf zwischen Ordnung und Chaos erlebt haben, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.

God save the Queen, when the Nemesis rises!

Bei „Die Welt von SMOG: Aufstieg des Moloch“ handelt es sich um ein Einer-gegen-Viele-Spiel, bei dem ein Spieler bzw. eine Spielerin in die Rolle der Nemesis schlüpft und versucht, das viktorianische Königreich im Jahre 1888 zu stürzen, um die Moloch-Brut an die Macht zu bringen. Auf der anderen Seite steht der Einhorn Club, eine elitäre Gruppierung tapferer Helden und Heldinnen, die ihre ganze Erfahrung und ihre außerordentlichen Fähigkeiten in die Waagschale werfen, um das Königreich zu stützen. Vier MitgliederInnen stehen der Nemesis grundsätzlich gegenüber, gesteuert von 1-4 SpielerInnen.

Nachdem festgelegt worden ist, wer welche Rolle im Spiel übernimmt, beginnt der Aufbau des Spiels. Im Kampagnenbuch stehen insgesamt 6 Szenarien zur Verfügung, die entweder einzeln oder als Kampagnen gespielt werden können. Der Unterschied ist, dass in einer Kampagne beide Seiten mit schmaler Ausrüstung beginnen und sich diese über die Szenarien hinweg immer weiter ausbauen können. Je nach Ausgang der vorhergehenden Kampagne werden zudem bestimmte Besonderheiten für die nächste Kampagnen gesetzt. Im Einzelspiel erhalten beide Seiten bereits Startausrüstung. Die Anleitung bietet dafür Aufteilungen von „Gemäßigt“ über „Ausgewogen“ bis hin zu „Viel hilft viel“. Während die Gentlemen des Einhorn Clubs Waffen, Gegenstände und Fähigkeiten erhalten, wird die Nemesis mit Verschwörungspunkten und Machtkarten zur Unterstützung ihrer Agenten versorgt. Durch diese Aufteilungen wird in der Regel ein gutes Gleichgewicht erreicht.

Gentlemen und Agenten haben generell gemein, dass sie Werte für Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Stärke haben. Beweglichkeit gibt die Anzahl an Bewegungspunkten für Bewegungsaktionen und Würfel für Verteidigungsaktionen an. Die Geschicklichkeit entspricht der Anzahl der Angriffswürfel für den Fernkampf, Stärke der für den Nahkampf. Unverständlicherweise wurde von der üblichen Farbgebung für Werte abgewichen. Während in der Regel Rot für Nahkampf und Grün für Fernkampf verwendet wird, verhält es sich hier genau andersrum. Es ist schön, wenn ein Spiel sich von anderen Spielen abheben möchte, aber in diesem Fall wäre eine Einfärbung mit dem Storm wünschenswert gewesen. Aus den jeweiligen Tableaus ergeben sich auch noch besondere Spezialfähigkeiten, Lebenspunkte und bei den Gentlemen noch Arsenalfelder. Ohne Fernkampfwaffe in einem der Arsenalslots können Gentlemen keinen Fernkampf durchführen. Die Agenten der Nemesis kommen grundsätzlich ohne Waffen daher. Ist ein entsprechender Wert auf ihren Tableaus vorhanden, können sie die Fähigkeit auch nutzen.

Die Möglichkeit, ohne Waffen zu kämpfen, ergibt einen offensichtlichen Vorteil für die Agenten. Der Nachteil jedoch ist, dass sie auf Boni durch Waffen verzichten müssen. Oft kosten zusätzliche Vorteile die Gentlemen jedoch Äther, das zum Aktiveren ausgegeben werden muss. Bei der nächsten Aktivierung des entsprechenden Gentlemans geht das Äther an die Nemesis, die ihrerseits diesen auf Agenten oder Machtkarten verteilen. Und während der Einhorn Club über Waffen und Gegenstände zusätzliche Kräfte erhält, kann die Nemesis über Chaos- und Machtkarten zusätzliche Fähigkeiten nutzen. Während Chaoskarten einmalig verwendet werden können, werden Machtkarten über das Ausgeben von Ätherladungen eingesetzt. Eine weitere Besonderheit bei den Einheiten der Nemesis sind unterschiedliche Sonderfähigkeiten. Jede Einheitenkarte hat zwei Seiten, bei denen vor jedem Szenario festgelegt werden kann, welche man nutzen möchte.

Die Zugreihenfolge wird vor jeder Runde neu festgelegt. Hierzu haben sowohl Gentlemen als auch Nemesis Aktivierungskarten zu ihren zur Verfügung stehenden Einheiten, die auf der Aktivierungstafel verdeckt ausgelegt werden. Anschließend wird, beginnend mit den Gentlemen abwechselnd aufgedeckt und gespielt. Gentlemen und Agenten haben jeweils 2 Aktionen zur Verfügung, Verbündete und Schergen jeweils eine Aktion. Genutzt werden können die Aktionen zum Angreifen benachbarter Einheiten. Weiter entfernte Einheiten in Sichtweite können nur angegriffen werden, wenn keine feindliche Einheit auf einem benachbarten Feld steht und die angreifende Einheit eine Fernkampfwaffe bzw. einen Geschicklichkeitswert hat. Bei einem Angriff werden Würfel entsprechend dem jeweiligen Angriffswert nebst Boni geworfen. Die Erfolge werden addiert, danach ist der Angegriffene mit den ihm zur Verfügung stehenden Würfeln zur Verteidigung dran. Die erfolgreichen Verteidigungswürfe werden vom Angriff abgezogen und der überbleibende Schaden vom Leben des Angegriffenen abgezogen. Eine Einheit kann sich auch bewegen und bekommt Punkte, entsprechend ihres Beweglichkeitswerts. Diese können eingesetzt werden, um sich um ein Feld zu bewegen, eine Tür zu öffnen, durch ein Fenster zu steigen oder Ausrüstung an einen anderen Gentleman weiterzugeben. Über Ausruhen können Gentlemen Schaden heilen und Äther erhalten. Über Wiederbeleben können sich Gentlemen wiederbeleben.

Wenn alle Einheiten aktiviert wurden, werden die Aktivierungskarten wieder verdeckt ausgelegt und es geht von vorne los. Dies geschieht so lange, bis ein im Kampagnenbuch fürs jeweilige Szenario angegebenes Ziel erreicht wurde. Wurde ein Einzelszenario gespielt, ist es damit vorbei, handelt es sich um eine Kampagne, geht es mit dem Intermezzo weiter, bei dem sich Gentlemen und Nemesis mit neuen Fähigkeiten ausstatten können, die für die weiteren Szenarien erhalten bleiben, solange es sich nicht um einmalig nutzbare Gegenstände handelt.

Sattes Gelb und Baby Blau auf glattem Untergrund

Auf den ersten Blick sieht „Die Welt von SMOG“ fantastisch aus. Das Steampunk-Königreich 1888 ist wunderbar fantasievoll auf Karten und Karton gekommen. Das dreckig-düstere Design der Spielfelder und das herrlich grimmig Böse in den Kämpfern der Nemesis lässt eine wunderbare Atmosphäre des Grauens entstehen, während die Helden und Heldinnen der Krone äußerst fantasievoll verschiedene Heldentypen repräsentieren. Beim Öffnen des Kartons mit den Miniaturen dürfte manch einem allerdings die Begeisterung ein wenig im Halse stecken bleiben. Wer auch immer auf die Idee gekommen sein mag, ein wenig Farbe ins Spiel zu bringen über Gentlemen-Figuren aus Baby Blau und Moloch-Fanatikern in Gelb mit leichter Tendenz zu Neon, hat wahrscheinlich keinen allzu großen Wert auf Atmosphäre gelegt. Warum es bei den Miniaturen nicht bei den ansonsten üblichen Grau- und Brauntönen belassen worden ist, ist mir ein Rätsel, da die übliche Farbgebung wunderbar in die Atmosphäre gepasst hätte. Bei den Karten ist ebenfalls Kritik angebracht, da diese so eine glatte Oberfläche haben, dass selbst das Stapeln weniger Karten zur Geschicklichkeitsübung werden kann. Auch die Spielplanauflagen neigen stark dazu, zu verrutschen, was schnell den Wunsch nach einer Art Fixierrahmen aufkommen lässt. Generell ist der modulare Aufbau über Spielplanfelder und Spielplanauflagen eine tolle Idee, in der Umsetzung erscheint sie leider nicht ganz zu Ende gedacht.

Die Anleitung ist weitgehend gut gegliedert und erklärt verständlich die nicht allzu komplizierten Regeln. Es gibt zahlreiche Bilder und Beispiele, um alles weiter zu verdeutlichen. Teils wird allerdings auf Erklärungen in späteren Kapiteln verwiesen, was nicht immer ganz glücklich ist. Im Großen und Ganzen lassen sich die Regeln aber recht schnell verinnerlichen und nach der ersten Partie dürfte sich das meiste auch geklärt haben. Zusätzliche zum Regelheft gibt es noch ein Kampagnenbuch, in dem sich nicht nur die einzelnen Kampagnen mit ausführlichen, atmosphärischen Einleitungstexten befinden, sondern auch noch mehrere Seiten mit Hintergründen zu der Situation der Welt im Spiel und ihrer darin vorkommenden Protagonisten. Es ist äußerst beispielhaft, mit welcher Liebe zum Detail in „Die Welt von SMOG“ eine Welt geschaffen wurde.


Ich muss ehrlich gestehen, als Daniel mich gefragt hat, ob ich „Die Welt von SMOG: Aufstieg des Molochs“ besprechen könnte, war mein erster Gedanke „Noch ein CMON-Spiel mit vielen Minis und wenig Spiel?“. Nicht, dass mich jemand falsch versteht. Ich mag Spiele mit Miniaturen und „Zombicide – Black Plague“ spiele ich noch immer gerne. Allerdings stellte sich irgendwann ein großes Übersättigungsgefühl ein, von gefühlt zu vielen Spielen, in denen ein Haufen Miniaturen über eine überschaubare Spielmechanik hinwegtäuschen sollten. Da mich das Thema allerdings interessiert hat, bin ich trotz der Bedenken motiviert ans Werk gegangen. Und – Achtung Spoiler! – ich habe es am Ende nicht bereut!

Geschockt war ich allerdings beim Öffnen der Box mit den Miniaturen. Nachdem das bis dahin ausgepackte Material äußerst atmosphärisch gelungen war, waren die Miniaturen in ihrer Farbpracht ein glatter Kulturschock im Paket. Auch die Karten mit ihrer rutschfreudigen Oberfläche konnte mich überhaupt nicht überzeugen. Aber dies ist dann im Großen und Ganzen schon alles, das ich an dem Spiel auszusetzen habe. Für mich gehört „Die Welt von SMOG“ mit zu den thematischsten Spielen, die meine Frau und ich in letzter Zeit auf dem Tisch hatten. Die Anleitung und das Kampagnenheft umfassen zahlreiche Geschichten und Erklärungen zu dieser viktorianischen Steampunk-Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts, dass es ein leichtes ist, in diese zu versinken. Hat mich das Ganze vorab sehr stark an die Alan Moore Comicreihe „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ erinnert, die 2003 mehr schlecht als recht mit Sean Connery verfilmt wurde, war das Spiel nach Studium der Regeln und Hintergründe sehr schnell eine eigenständige Welt.

die welt von smog 16

Das Balancing ist bei diesem Einer-gegen-Viele-Spiel gut gelungen. Beide Fraktionen haben ihre eigenen Vorteile, die sich gegenseitig in ein gutes Gleichgewicht bringen. Ich zumindest hatte niemals das Gefühl, mit dem mir zur Verfügung stehenden Arsenal an Waffen, Objekten, Fähigkeiten und Talenten (Gentlemen) unterlegen zu sein, geschweige denn mit gemeinen Chaoskarten oder strategischen Machtkarten (Nemesis) nicht genügend Möglichkeiten zu haben, auf den Zug der Gegner zu reagieren. Beim Spielen der Kampagnen steht im ersten Szenario erst einmal nichts an Extras zur Verfügung, was den Einstieg in ruhigeres Fahrwasser ermöglicht. Doch bereits mit der zweiten Mission wird klar, welches Potential im Ausbau beider Fraktionen steckt und wie viele Möglichkeiten sich beiden Fraktionen dadurch bieten.

Interessant finde ich vor allem auch den Einsatz der Aktivierungstafel. Hierüber kann in jeder Runde für Überraschung gesorgt werden, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Durch Chaoskarten hat die Nemesis zudem noch die Möglichkeit, Veränderungen an der Sortierung vorzunehmen. Bei den Kämpfen bin ich dann wiederum nicht ganz so begeistert. Das „Keep it simple“-Prinzip an sich ist dabei gar nicht das Problem. Es ist vielmehr das stark glückslastige Würfeln, das mittlerweile schon in sehr vielen Spielen durch bessere Alternativen oder bessere Mechaniken weniger Frust fördernd umgesetzt wurde. Wenn es spielerisch einen Kritikpunkt gibt, dann sicherlich diesen. In anderen Punkten hat mich das Spiel gerade auch wegen seiner unkomplizierten Einfachheit überzeugt, die immer noch genügend taktischen Spielraum lässt.

Am Ende muss ich eingestehen, dass sich meine Bedenken hinsichtlich eines weiteren CMON-Miniaturenspiels nicht bewahrheitet haben. Ganz im Gegenteil. Ich habe bereits jetzt schon einige unterhaltsame Stunden mit dem Kampf gegen bzw. der Schlacht für den Moloch erlebt. Dabei wurde ich in eine thematisch beeindruckend dichte viktorianische Steampunk-Welt gezogen, die ich mehr als gerne betreten habe. Wer thematische Spiele mit überschaubarem Regelwerk in einer eher düsteren Welt mag, sollte mehr als nur einen flüchtigen Blick auf „Die Welt von SMOG: Aufstieg des Moloch“ werfen und sich nicht wie ich zunächst einem automatischen Abwehrreflex hingeben. Mir hat das Spiel so sehr gefallen, dass ich freudig gespannt darauf warte, dass noch die eine oder andere Erweiterung aus dem englischen Kickstarter von Asmodee auf Deutsch veröffentlicht wird.

Bilder zum Spiel

Tags: Würfel, Thematisch, Rasterbewegung, Steampunk, Horror, Modulares Spielfeld, Miniaturen, Kampagne, Variable Helden-Fähigkeiten, Science Fiction, Erkunden, Abenteuer, 2-5 Spieler

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