TEST // Castell
Castell ist eine Volkstradition in Katalonien, bei der, im Rahmen diverser Festivals, Menschentürme gebaut werden. Die sogenannten Castellers (Akrobat) treten dabei in Teams gegeneinander an. In diesem Spiel leiten wir ein solches Castell-Team und bereisen Festivals in Katalonien. Die Frage ist, welches Team baut die eindrucksvollsten Menschentürme und kann so die Zuschauer begeistern?
Spielaufbau
Der Spielplan zeigt sieben Regionen Kataloniens. In diese Regionen werden jeweils „spieleranzahlabhängig“ Castellers-Plättchen verteilt. Diese Plättchen zeigen jeweils eine Person und eine Zahl zwischen eins und zehn. Auf dem Spielplan ist zudem ein Fertigkeitsrad zu sehen. Über dem Fertigkeitsrad werden die acht Fertigkeiten zufällig verteilt und der Festivalkalender wird erstellt. Der Festivalkalender bestimmt in welcher Spielrunde an welchem Ort ein Festival stattfindet und welche Castellers daran beteiligt sein müssen. Zudem bekommt jede Region noch zwei einzigartige Auftragsplättchen zugwiesen.
Jeder Spieler wählt eine Farbe und erhält das entsprechend ein Spielertableau, fünf Fertigkeitsplättchen, eine Spielhilfe, eine Spielfigur, ein Wertungsmarker und sieben Spezialmarker. Zuletzt zieht jeder Spieler noch sieben Castellers als Startteam aus dem Beutel.
So funktioniert das Spiel
Das Spiel wird über zehn Runden gespielt und läuft in jeder Runde nach folgendem Schema ab:
- Neue Castellers in die Regionen verteilen
- Das Fertigkeitsrad drehen
- Spielzüge der Spieler
- Festivals werten
- Rundenende
Während eines Spielzuges stehen dem Spieler vier verschiedene Aktionen zur Verfügung, die er alle einmal nutzen kann, aber nicht nutzen muss. Es gibt keine festgelegte Reihenfolge der Aktionen, der Spieler wählt die Reihenfolge selbst.
Mit der Aktion Bewegung zieht der Spieler seine Spielfigur auf eine angrenzende Region auf dem Spielplan. Mit der Aktion Anwerben kann der Spieler zwei neue Castellers aus der Region in seinem Team aufnehmen. Mit der Aktion Training kann der Spieler eine Fertigkeit seines Castell-Teams verbessern. Für diese Aktion ist das Fertigkeitsrad von Bedeutung. Der Spieler darf nur die Fertigkeit verbessern, die auf dem Fertigkeitsrad angezeigt wird und zu der Region passt, auf der seine Spielfigur steht. Zu guter Letzt steht dem Spieler noch eine Spezialaktion zur Verfügung, für die er allerdings einen seiner sieben Spezialmarker ausgeben muss. Durch die Spezialaktionen darf der Spieler seine Figur ein weiteres Mal bewegen, einen weiteren Castellers anwerben oder ein Auftragsplättchen erfüllen.
Der Clou dieses Spiels und die Finesse liegen im Turmbau. Es gelten folgende Grundregeln:
1. Jede Turmebene besteht aus Castellers derselben Größe (aufgedruckte Zahl).
2. Jede Turmebene oberhalb muss einen Castellers weniger haben und die aufgedruckte Zahl muss niedriger sein.
3. Die max. Breite einer Ebene beträgt drei Castellers.
Das Trainieren seines Castell-Teams ist daher besonders wichtig und interessant. Durch die verschiedenen Fertigkeiten wird dem Spieler dann erlaubt mehr Castellers in einer Ebene zu verbauen, gleiche Zahlenwerte oder die gleiche Anzahl an Castellers zu „stapeln“, verschiedene Castellers-Zahlenwerte in einer Ebene zu mischen oder die Gesamtbreite seines Turms zu verbreitern. Nur durch das Erlernen der Fertigkeiten ist es möglich, hohe Türme mit vielen Castellers zu erstellen.
Die Auftragsplättchen zeigen jeweils eine Turmkonstellation, die der Spieler mit seinem Castell-Team exakt nachbauen muss. Kann der Spieler diese Vorgabe erfüllen, so erhält er das Plättchen und bekommt am Spielende dafür Siegpunkte.
Der Menschenturmbau ist auch in der vierten Phase des Spieles (Festivals werten) das entscheidende Element. Hier treten die Spieler nämlich gegeneinander an und versuchen einen möglichst hohen Menschenturm zu bilden. Zudem können Zusatzpunkte generiert werden, wenn möglichst viele Castellers einer bestimmten Zahl in dem Menschentum mitwirken. Diese Vorgaben werden beim Spielaufbau zufällig durch den Festivalkalender bestimmt. Der Gewinner dieses Wettkampfes erhält einen Pokal und sammelt so weitere Punkte für das Spielende.
So baut jeder Spieler seinen eigenen Menschenturm individuell zusammen. Die Anordnung im Turm ist niemals fix und alles kann jederzeit umgebaut, verschoben und ausprobiert werden. Dabei müssen lediglich die Fertigkeiten des Teams beachtet werden.
Nach dem Abhandeln der Festivals in Runde zehn endet das Spiel und es folgte die Schlusswertung.
Das Spiel Castell hat mich abgeholt und begeistert, ich würde jederzeit wieder eine Partie mitspielen. Das Besondere an dem Spiel ist die Flexibilität des Turmbaus. Jeder Spieler versucht während der gesamten Partie seinen Turm zu optimieren und die „richtigen“ Castellers anzuwerben. Das Verschieben, Hinzufügen oder Umgruppieren von Castellers-Plättchen in seinem Turm neben dem Spielbrett macht Spaß. Dabei sind die Fähigkeiten extrem wichtig und jeder versucht, die für sein Team passende Fähigkeit weiter zu trainieren. Trotzdem ist die Planung auf dem Spielfeld ein entscheidender Faktor. Wann kann ich wo welche Fähigkeit trainieren, welchen speziellen Auftrag kann ich erledigen und an welchem Festival will ich teilnehmen…? All das lässt sich über den Standort der Spielfigur auf dem Spielbrett steuern und vermag einer weisen Voraussicht sowie einer guten Planung. Die taktische Spieltiefe kommt während des fröhlichen Herumbastelns am Menschenturm nicht zu kurz. Es können mehrere Strategien verfolgt werden und es gibt mehrere Möglichkeiten, Punkte zu generieren.
Das Spielmaterial ist, wie vom Schwerkraftverlag gewohnt, sehr gut! Es gibt reichlich Marker und Plättchen aus stabiler Pappe, Holzfiguren und einen hochwertigen Stoffbeutel. Die Spielhilfen sind ausgezeichnet. Kurze, prägnante Erklärungen aller Aktionsmöglichkeiten mit zusätzlich skizzierter Verdeutlichung der Fähigkeiten – vorbildlich! Die Spielanleitung ist verständlich und einfach geschrieben. Es bleiben keine Fragen offen und auch der Hochglanzdruck und das feste Papier wirken sehr wertig. Das gesamte Spiel ist sehr farbenfroh und bleibt trotzdem übersichtlich. Die Farben und die Spieloptik passen optimal zum Setting und wirken sehr thematisch.
Nach den Lobeshymnen jetzt doch noch zwei kleinere Kritikpunkte. Das „fröhliche Herumbasteln“, was ich etwas weiter oben noch als spaßig beschrieben habe, kann in gewissen Situation auch mal etwas langwierig und nervig werden. Dadurch, dass die Turmzusammensetzung niemals festgelegt ist, kann die Anordnung je nach Festival oder Auftragsplättchen verändert werden. Das Umbauen des Turms kann im späteren Spielverlauf mit mehr als zwanzig Castellers schon mal etwas dauern. Da kann es tatsächlich schon mal zu einer längeren Pause kommen und es entsteht eine größere Wartezeit!
Zudem konzentriert sich jeder auf seinen Turm und kann dabei schon mal einen Spielzug des Mitspielers verpassen / übersehen. Das Spielgeschehen auf dem Spielbrett wird dann zu etwas Nebensächlichen.
Einfache Regeln, stimmungsvolles Setting, cooler und kniffliger Turmbaumechanismus und das hochwertige Spielmaterial ergeben in meiner Bewertung ein tolles Urteil mit 80%!
Tags: 60-90 Minuten, Muster bilden, Sets erstellen, 2-4 Spieler, Strategie