TEST // Nyctophobia
Stelle dir vor, es ist Freitag, der 13., und ein wahnsinniger Axtmörder macht Jagd auf dich. Du stolperst blind durch den Wald auf der Suche nach deinem Auto, das irgendwo hier geparkt sein muss. Worauf es hinausläuft ist, dass entweder du dein Auto findest oder der Killer dich.
Wenn da nur nicht die Schwärze vor deinen Augen wäre, da du nichts siehst. Zu allem Übel stellt sich der Wald auch noch als verdammtes Labyrinth heraus und es entsteht der Eindruck, dass du dich nur im Kreis bewegst. Und schon wieder hörst du die Stimme des verrückten Killers, der sich erneut über dich lustig macht. Doch dies ist nicht irgendein Albtraum, sondern ein ganz besonderes Brettspiel, in dem einer den wahnsinnigen Jäger spielt und bis zu 4 gejagte Mitspieler blind durch sein Labyrinth treibt.
Asmodee hat uns freundlicherweise ein Exemplar von „Nyctophobia – Die Gejagten“ zur Verfügung gestellt, damit wir uns in die gruselige Verfolgungsjagd für euch stürzen und – sollten wir es rechtzeitig zum Fahrzeug schaffen – euch davon berichten können.
Das sind doch alles nur urbane Legenden…
„Nyctophobia“ ist der gespielte Slasher-Film, in dem sich die Spieler in 2 Gruppen aufteilen. Eine(r) übernimmt die Rolle des wahnsinnigen Axtmörders oder alternativ die der verrückten Magierin, während der Rest sich als Futter für den Killer zur Verfügung stellt. Die Gruppe hat zunächst einfach nur die Aufgabe, abzuwarten, während der Jäger auf dem Spielfeld das Labyrinth aufsteckt. Dies geht relativ flott von der Hand und kann wahlweise nach Vorgaben aus dem Heft geschehen, in dem dann auch gleich noch kleine Flavortexte zur Einstimmung verfügbar sind, oder aber man lässt der Fantasie freien Lauf und bildet sein eigenes Labyrinth.
Auf dem Spielfeld werden neben den Beschränkungen, die dichte undurchdringbare Baumreihen darstellen, auch noch die Spielfiguren von Jäger und Gejagten, das zu suchende Auto und Steine platziert. Der Clou des Ganzen ist, dass die Gejagten sich fortan nur noch blind den eigenen Spielfiguren nähern dürfen. Zu diesem Zweck liegt für jeden Gejagten eine Verdunkelungsbrille bei, durch die nach dem Aufsetzen größtenteils nur noch Schwarz gesehen wird. Und sobald der Jäger in seiner Co-Funktion als Spielleiter den Finger des ersten Gejagten auf seine Spielfigur gelegt hat, beginnt der Überlebenskampf im Wald.
Sch….sch….sch….Hah…hah…
Die Gejagten müssen sich reihum durch Abtasten der horizontalen und vertikalen Felder einen Weg suchen – diagonales arbeiten ist verboten. Dabei darf untereinander nach Herzenslust geredet werden, um eine gemeinsame Strategie zu finden und sich nicht ständig über die Füße zu rennen. Wer einen Stein auf dem Spielfeld findet, kann diesen zusätzlich noch werfen, um so herauszufinden, wie der Weg in einer Richtung aussieht. Zudem können Steine auch dazu genutzt werden, den Axtmörder bzw. die Magierin zurückzuschlagen, wenn er oder sie neben einem erscheint. Allerdings erst, nachdem man selbst einen von seinen anfänglich 2 Lebenspunkten verloren hat. Denn hey, wer ernsthaft glaubt, den Jäger so leicht besiegen zu können, hat noch nie in seinem Leben einen Slasher bis zu Ende geschaut! Außer, dass der Jäger ein paar Felder zurückgeworfen wird, bewirkt der Rückschlag in Form eines Steinwurfs - nichts. Letzten Endes bleibt auch noch die Möglichkeit, sich zu verstecken, wodurch man in der Phase des Jägers nicht zum Opfer werden kann.
Wenn der Jäger an der Reihe ist, kann er an Hand von 1 seiner 2 Handkarten, die er anschließend durch Nachziehen wiederauffrischt, eine Aktion ausführen. Der Axtmörder geht generell recht bodenständig zu Werke, verfolgt seine Opfer und versucht nah genug an sie heranzukommen, um ihnen so Wunden zuzufügen. Gemäß den Anweisungen auf der Handkarte, gibt er wertvolle Hinweise oder führt sie in die Irre. Und wie es sich für einen verrückten Axtmörder gehört, verhöhnt er regelmäßig seine Opfer. Die Magierin ist deutlich gemeiner in ihren Aktionen. Sie vertauscht schon einmal gerne die Position von Spielfiguren oder dreht gleich das ganze Spielbrett.
Gewonnen haben die Gejagten, sobald einer von ihnen das Fahrzeug erreicht und einen Hilferuf absetzt. Dann heißt es nur noch eine letzte Runde zu überstehen, um gerettet zu werden. Der Jäger hat gewonnen, sobald die Lebenspunkte beim ersten Opfer auf 0 sinken. Dadurch wird die Moral der Gruppe ebenfalls auf 0 gesenkt und das Spiel ist zu Ende.
Der Stoff, aus dem die Albträume sind
Die Qualität des Materials kann weitgehend überzeugen. Das Plastikbrett, auf das die Komponenten gesteckt werden, ist aus festem Material. Die Seitenbegrenzungen und die Spielfiguren wurden ebenfalls aus sehr stabilem Plastik gefertigt. Die 4 Brillen für die Gejagten erscheinen für mehr als nur 1-2 Spielabende geeignet. Aus der Materialsicht der Plastikkomponenten ist alles bestens. Die Karten machen einen etwas weniger soliden Eindruck und nutzen sich relativ schnell ab. Bei den Brillen besteht zudem das Problem, dass die Gläser zwar eindeutig blickdicht sind, ansonsten aber unterhalb relativ viel Sichtfeld freigeben, wodurch es schnell passieren kann, dass Teile des Spielfelds erkennt werden können. Wer darauf abzielt zu spicken, wird von der Brille nur relativ bedingt davon abgehalten. Hier wäre eine deutlich größere Beschränkung des Sichtfelds eindeutig wünschenswert gewesen.
Hochpreisgemetzel oder doch nur billiger Trash?
Eines muss man „Nyctophobia“ eindeutig lassen – die Idee ist klasse. Blind durch ein Labyrinth zu streifen mit einem irren Killer im Nacken, hat eindeutig seinen Reiz. Allerdings hat sich dieser Reiz während des Spiels recht schnell wieder verloren. Das Umherstreifen fühlt sich relativ planlos an und die Suche nach dem Auto kann schnell zu einer nervigen Angelegenheit werden. Als Gejagter ergibt sich sehr schnell das Gefühl einer gewissen Machtlosigkeit, da die Aktionsmöglichkeiten arg begrenzt sind und es im Grunde nur darauf ankommt, zur richtigen Zeit die richtige Abzweigung zu nehmen. Bei manchen Figuren kommt noch hinzu, dass sich ihre Oberseiten so ähnlich wie die Begrenzungen anfühlen, was teils zu Verwirrung führen kann. Und je nachdem wie der Jäger spielt, kann es auch sehr schnell zum kompletten Frustlauf werden.
In der Anleitung wird klar gesagt, dass es zwar einen Gewinner im Spiel gibt, dass der Jäger sich aber auch seiner Rolle als Spielleiter bewusst sein sollte und nicht nur aufs Gewinnen aus sein darf. Wenn der Axtmörder nur zielstrebig auf seine Opfer los geht oder die Magierin die Gejagten wie Marionetten spielt, ist das Spiel recht schnell vorbei und der Jäger kann den großen Triumphator spielen, während die Gejagten nur Frust verspüren dürften.
Aber, das Spiel kann auch sehr viel Spaß machen und für gruselige Atmosphäre sorgen, wenn der Jäger das Rollenspiel annimmt und in die Rolle eines Angreifers schlüpft, dem es mehr daran gelegen ist, mit seinen Opfern zu spielen, anstatt sie einfach nur abzuschlachten. Wenn die Spieler tatsächlich an Hand der Worte oder der Stimmlage erkennen können, ob der Jäger nun die Wahrheit sagt oder sie in die Irre führt, und sie zudem auch noch der Atmosphäre entsprechend verhöhnt werden, dann, ja dann kann auch das Spiel durchaus zu einem atmosphärisch-spannenden Erlebnis werden.
Allerdings nutzt sich auch dieser Effekt irgendwann ab. Das Spiel bietet letzten Endes zu wenig Substanz, um auf Dauer unterhalten zu können. Genauso wie „Der Killer holt sich seine Opfer - Teil XII“ als Fortsetzung eines Slasher-Films immer weniger funktioniert, nutzt sich auch der Spaß-Spannungsfaktor in „Nyctophobia“ immer weiter ab. Wenn es noch neu, frisch und unverbraucht ist, macht es mit dem passenden Spielleiter sehr viel Spaß. Doch mit jedem Spiel bedarf es immer mehr Kreativität beim Jäger, um den Spaßfaktor aufrechtzuerhalten. Mit der falschen Gruppe und vor allem einer vom Siegeswillen getriebenen Person als Jäger, macht es schon in den ersten 1-2 Partien keine allzu große Freude.
Bilder zum Spiel
Tags: 3-5 Spieler, Memory, Variable Helden-Fähigkeiten, Semi-Kooperativ, Horror