BRANCHE // Lieferprobleme bei Brettspielen steigern sich

BRANCHE // Lieferprobleme bei Brettspielen steigern sich

Dass sich Brettspiele verspäten ist grundlegend nichts Besonderes. Die Produktion eines Brettspiels vom ersten Entwurf bis zum fertigen Produkt benötigt viel Zeit und besteht aus unzähligen einzelnen Arbeitsschritten. Doch aktuell gibt es immer mehr massive Verspätungen, welche Gründe dafür verantwortlich sind, erfährst Du hier.

 

Die Produktion in Deutschland

2020 war ein enormer Erfolg für die Brettspielbranche. Bis zu 20% Wachstum konnten sich vor allem die Größen der Branche zum Abschluss des Jahres in die Bücher schreiben. Wir hatten mit Branchenkenner und BOARD GAME CIRCUS Verlagsinhaber Daniel Teuerkaufer in unserem Podcast darüber gesprochen und er konnte einige interessante Hintergründe mitteilen.

Vor allem die Produkte der großen Verlage seien gut abverkauft worden und verknappen derzeit die Produktionskapazität in Deutschland. Aktuell (Stand März 2021) gibt es bei deutschen Druckereien eine Vorlaufzeit von mehr als 45 Wochen, bis ein Spiel in Produktion gehen kann. Das bedeutet eine Lieferzeit von fast einem Jahr. Vor allem kleine Verlage mit kleinen Auflagen würden, laut Daniel Teuerkaufer darunter leiden, weil sie nicht dermaßen am Wachstum partizipieren und deutlich verlängerte Lieferzeiten haben. Hier findest Du unseren Podcast - ab Minute 24 geht es um das Thema.

 

produktion china

 

Die Produktion in Asien

Jeder, der länger Brettspiele spielt und kauft wird schon erfahren haben, dass ein großer Teil unserer Spiele in Asien – meistens in China produziert wird. Günstige Produktionskosten und hohe Kapazitäten machen selbst den tausende Kilometer langen Seeweg lukrativ. Das galt bis vor kurzem, doch aktuell geht diese Rechnung nur noch bedingt auf. Zuletzt stiegen die Kosten für einen Container erheblich an. Während der Preis für die Buchung eines 40-Fuß-Doppelcontainers bei normaler Nachfrage bei rund 2000 US$ lag, stieg der Preis zwischen November 2020 und Januar 2021 auf über 9000 US$ laut Recherche von tageschau.de

 

lieferengpaesse 2021 china

 

„Es geht nicht mal mehr nur um die Kosten, es geht auch um den knappen Platz.“

 

Im Corona-Lockdown ist die Nachfrage von Konsumgütern sprunghaft gestiegen. Nicht nur Brettspiele sind gefragt wie nie zuvor, auch Produkte wie zum Beispiel Möbel, Sportgeräte oder Baumarktartikel erfreuen sich einer gestiegenen Beliebtheit. (Quelle)  Reedereien machten zuletzt Rekordgewinne, denn die Frachtraten haben sich in den zurückliegenden Monaten verdreifacht, teilweise sogar vervierfacht. Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen erklärte Mitte Januar bereits tageschau.de gegenüber, dass die vorhandenen Schiffe kaum reichten, um die gewaltigen Gütermengen zu ihren Abnehmern zu transportieren. Die plötzliche Nachfrage habe alle überrascht, so Jansen. Jedes der 234 Containerschiffe von Hapag-Lloyd sei unterwegs, um die Situation zu entschärfen. Doch die Häfen kämen mit der Abfertigung kaum hinterher, berichtete der Konzernchef. In den USA müssten Schiffe teilweise eine Woche warten. Wer sich auf sein neues Fitnessgerät freue, müsse ein wenig geduldiger sein als sonst. (Quelle)

 

Das sagt die Branche!

Immer deutlicher wirkt sich das auf die Branche aus. Der polnische Verlag BOARD & DICE teilte zum Beispiel im Januar 2021 auf Kickstarter mit, dass die fertige Produktion von DARK AGES bereit stünde, sie jedoch nur schwerlich einen Container finden können, der die Spiele nun transportiert. 

 

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Im Prinzip kann man derzeit Kickstarter blind durchsuchen und wird bei allen Spielen, die aktuell im Lieferstatus stehen ähnliche Kommentare lesen. Gut auf den Punkt gebracht haben es Travor und Ryan von Enhance Product Development bezogen auf die Produktion von MIGRATION MARS Anfang Februar: „Unsere Waren waren den ganzen Januar über versandfertig, aber aufgrund der Knappheit an Buchungen und der Absage früherer Buchungen war es eine unglaubliche Herausforderung Container an Bord von Seeschiffen zu bekommen. Diejenigen, die mit dem aktuellen Status der globalen Lieferkette vertraut sind, werden wohl bestätigen können, dass diese Schwierigkeiten ziemlich weit verbreitet sind. Nichtsdestotrotz ist es uns gelungen, Buchungen für die letzten Regionen (USA und Europa) zu sichern, und hier sind die Details...“

Mit ASMODEE DEUTSCHLAND teilte nun auch ein Schwergewicht der Branche am 18.3.2021 mit, dass eine große Menge an Neuheiten derzeit anders als erwartet und angekündigt noch nicht eingetroffen sei. Zu den Spielen, die schon längst geliefert werden sollten, gehören unter anderem Star Wars Rebellion, Herr der Ringe: Reise durch Mittelerde, das Grundspiel von Star Wars Legion sowie die beiden Erweiterungen Count Dooku und Klon-Captain Rex. Auch einige Neuheiten sind immer noch mit dem Schiff unterwegs. Unter anderem kommen daher Marvel Champions: Das Kartenspiel und die ersten Erweiterungen ebenso später an, wie auch Cryo und die Erweiterung Alptraum des Jägers zum Bloodborne-Kartenspiel. (Quelle)

 

Kritik an Reedereien

Die Reedereien stehen wegen der Knappheit und der gestiegenen Kosten schon öffentlich in der Kritik (siehe Bericht im Handelsblatt). Speditionen beschwerten sich im Januar über den europäischen Industrieverband European Shippers’ Council (ESC) bei der Europäischen Kommission. Konkret wurde kritisiert, dass die getroffenen Vereinbarungen einseitig gekündigt worden sind und höhere Preise als lange ausgehandelt verlangt werden

Die Reedereien weisen die Schuld von sich. Die Preise für Transporte seien schon seit je her von Angebot und Nachfrage getrieben und die enorme Nachfrage nach Möbeln, Sportgeräten und Einrichtungsgegenständen binde die Transportkapazitäten. Zudem trieben vor allem Leerfahrten die Kosten in die Höhe, da Container an Orten stehen bleiben, wo sie keiner mehr braucht und dann im System fehlen. Der Rücktransport sei teuer und aufwendig.

Ebenfalls wird seitens der Spediteure kritisiert, dass vereinbarte Liefertermine kurzfristig verschoben werden zu Gunsten von Kunden die bereit sind mehr zu bezahlen. Vor allem auf kleine europäische Firmen habe das Auswirkungen die existenzbedrohend sein können. Als Beispiel wird ein französischer E-Bike Hersteller angeführt, der mangels Ersatzteilen und Produkten bald vor dem Aus stehe. Lässt sich diese Situation auch auf kleine Verlage übertragen?

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Auswirkungen auf kleine Verlage?

Selbst wenn ein Verlag ein Spiel in Deutschland drucken lässt und ein nahes Zeitfenster gebucht hat, könnte die Lieferverzögerung aus Asien sich indirekt auf die Produktion auswirken. Wie Daniel Teuerkaufer im schon zitierten Podcast mitteilte, stammen viele Spezialprodukte wie durchsichtige Würfel, Kunststoffkristalle oder spezielle Holzfiguren ebenfalls aus China. Deutsche Hersteller können diese überhaupt nicht produzieren.

Für Daniel Teuerkaufer ist klar, dass es für kleine Verlage derzeit, egal wie es gedreht wird, immer schlecht aussieht. Es ist nicht möglich kurzfristig oder in normaler Zeit ein Spiel in Deutschland zu produzieren. Bei einem Druck in Asien kommen dann die hohen Frachtkosten dazu, die es bei einer kleinen Auflage zwischen 3000 und 5000 Spielen nach Abzug der ganzen Kosten, die üblicherweise anfallen, noch eine ausreichende Marge zu erzielen, fast unmöglich machen. Die Marge wird benötigt, um Geld für die nächste Entwicklung eines Spiels zur Verfügung zu haben.

 

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Eine Prognose?

Das will vielleicht niemand hören, aber es sieht die nächsten zwei Jahr erst einmal düster aus! Laut Handelsblatt.de ist nicht mit einem signifikanten Wachstum der Transportkapazitäten zu rechnen. 2019 gingen die Neubestellungen bei Containerschiffen um 10% zurrück, im Jahr 2020 sanken sie um bis zu 50% – zum Teil wegen der unsicheren Brennstofftechnologie. Das ist die niedrigste Rate an Bestellungen seit 20 Jahren.

Zum Beispiel Hapag-Lloyd hat Anfang 2021 fünf Schiffe mit einem Ladevolumen von 23.500 Containereinheiten bestellt. Diese werden jedoch erst im Dezember 2023 ausgeliefert. Das zeigt die träge Möglichkeit von Reedereien auf Entwicklungen zu reagieren.

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