Propaganda in Brettspielen zur NS-Zeit und die Situation der Verlage

Im ersten Teil dieser Mini-Serie hatten wir zahlreiche Spiele vorgestellt, die während der Zeit des NS-Regimes veröffentlicht wurden. In diesem zweiten Teil beschäftigen wir uns mit der allgemeinen Situation für Verlage in der Zeit von 1933 bis 1945 aber auch mit der Propaganda, die durch die Spiele transportiert wurden und den Auswirkungen bis heute.

 

Auffälligkeiten von Spielen aus der Zeit

Spiele aus den Jahren 1933 – 1942 waren auffällig in dem Sinne, dass der Bezug zur damals vorherrschende Kriegsmaschinerie meistens vorhanden war. Sie griffen minimale Teilstücke des geplanten oder tatsächlichen Kriegs auf und deklinierten ihn durch. Dabei ging es, wie im ersten Teil zu lesen ist, um Themen wie die Abwehr von Fliegerangriffen, um die Versorgung der Front oder darum, wie das neue Großdeutschland mal mit seinen Autobahnen aussehen wird.

 

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Foto gemacht im  Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath

 

Wie hier zu sehen ist wurden Spiele mit dem Thema Krieg und Kampf in diesem Werbeblatt als "von großem erzieherischen Wert" gepriesen. Spiele mit den Titeln "Auf zum Sturm", "Höhe 606", "Flieger Flak" oder "Deutschland  braucht Kolonien" wurden also als pädagogisch wertvoll angesehen. Nur die wenigsten Spiele wie "Elfer raus!" hatten keinen direkten oder indirekten Bezug zum "Reich" und zum Krieg.

 

An wen richteten sich die Spiele?

Die meisten Spiele aus der Zeit richteten sich an Kinder und Jugendliche. Spiele wurden nicht nur zu Hause, sondern auch in der Hitlerjugend gespielt. Grundlegend wendeten sich viele Spiele an die Heimatfront, also an Menschen, die in Deutschland lebten und arbeiteten.

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 Hier richtet sich der Verlag an Jugendliche der Pfadfinder, mit Begriffen wie "feindliche Figuren", "schneidiger Angriff" oder "Auf den Angriff beruht der Sieg". Hier soll das Bewegen von Truppen spielerisch erlernt werden.

 


  

 

 

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 Foto gemacht im  Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath

 

Alles nur Propaganda?

Ganz klar ging es auch im Bereich Brettspiele um Propaganda. Hier sollten junge und alte Menschen subtil erreicht werden und ab 1933 vor allem erst einmal die NSDAP mit Wappen und Gedankengut kennen lernen. Später ging es dann um die bereits erwähnten Details der aktuellen und zukünftigen Lebensrealität aber auch um Lügen, die eine Wahrheit vorgaukelten.

 

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Spiele hatten dabei unterschiedliche Ziele. „Wehrschach“ zum Beispiel sollte strategisch schulen. Die Figuren benutzten die Symbolik des Reichs. Zudem sollte das durch den Staat produzierte Spiel einen dauerhaften Platz in den Wohnzimmern, aber auch an der Front erreichen, was tatsächlich gelang.

 

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 Foto gemacht im  Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath

Andere Spiele sollten schulen, wie sich bei einem Fliegerangriff zu verhalten ist. Die Vorstellung das mit meinen Kindern zu spielen, fühlt sich gruselig an. Damals war es aber die Lebensrealität, dass es täglich Angriffe gab und eventuell hat dieses Spiel aktiv dazu beigetragen Leben zu retten.

Das Spiel „Die Gulaschkanone“ hingegen sollte die Wichtigkeit der Versorgung der Front hervorheben. Hier sollten die Gulaschkanonen erfolgreich an die Front gebracht werden. Es gab dabei die Option auf dem Weg dorthin zu scheitern, wegen feindlicher Feuerkraft.

 

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 Foto gemacht im  Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath

Etwas anders war es bei dem Spiel „Die Reichsautobahnen im Großdeutschen Reich“. Hier sollte das große neue Deutschland idyllisch gezeigt werden. Die Menschen sollten sich schon einmal anfangen an die neuen Grenzen zu gewöhnen.

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Hier gehört Österreich zu Deutschland.

Es gab aber auch Spiele zu der Zeit wie das bereits erwähnte "Elfer raus!" die offensichtlich nicht als Propaganada dienten. Das Kartenspiel "Elfer Raus!" wurde bereits seit 1925 vom Verlag  Hausser verkauft und ist noch heute im Handel verfügbar. Bis 1983 war der Verlag am Markt aktiv und ging dann Pleite. Aus der Konkursmasse kaufte Ravensburger die Rechte am Spiel (Quelle).

Beim gleichen Verlag erschien auch 1935 das "Hütchenspiel", ebenfalls frei von Propaganda (Quelle). 1938 wurde bei Hausser das Spiel "11 gegen 11" veröffentlicht und lediglich der Untertitel "Das Fußball-Kampfspiel für Jung und Alt" erinnert an die Zeit in der es erschien (Quelle).

Es kann also festgehalten werden, dass Verlage auch abseits der Propaganda Spiele produzieren durften, sofern sie in Gänze Linientreu waren.

Bilder und weitere Informationen zu den Spielen findest du hier…

 


 

 

 

 

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Die Situation der Verlage

Diese zeigte sich in der Recherche zwiegespalten. Grundsätzlich galt es in den Jahren ab 1933 sich dem Staat zu unterwerfen, um einen Anteil des Erfolgs abschröpfen zu können. Wir konnten es zwar nicht belegen, aber mutmaßlich hat es auch beim Thema Brettspiel eine Zensur gegeben. Nur was gewünscht war erschien. Dabei wurden Verlage zum Teil unter Druck gesetzt oder gleich vereinnahmt  und "arisiert", oder sie biederten sich selbst dem Regime an und waren ohne direkten Zwang „gehorsam“.  

 

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"Volk ans Gewehr" das Spiel der modernen Kriegskunst, laut Verlag O. & M. Hausser.

 

Später, als der Krieg bereits im Gange war, wurden keine Ressourcen mehr für Spiele vergeben. Im Jahr 1942 war Schluss mit der Produktion.

 

Thema Zwangsarbeit

Auch das Thema Zwangsarbeit lässt sich aktuell weder belegen noch bestreiten. Aufgrund der Gesamtsituation ist es aber durchaus möglich, dass vereinzelte Verlage auf Zwangsarbeiter zurückgegriffen haben und somit Spiele unter Zwang produzierten. Viele der damaligen Verlage existieren nicht mehr.

 

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Ein Hinweis 

Wer den ersten Teil des Beitrags letzte Woche gelesen hat, der muss wissen, dass die Spiele-Fabrik L. Kleefeld & Co. - anders als ursprünglich berichtet - laut Information eines Lesers- , ist der Verlag nicht an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben worden. Es war wohl die Familie, denn leider konnte Leopold Bomeisl nichts zurückbekommen, er wurde, wie auch seine Frau, im KZ ermordet. Im Text selbst wurde das zwar korrigiert, aber die wenigsten werden den Text wohl zwei Mal lesen.

  

Was kann daraus gelernt werden?

Erst mit der Intensiven Recherche und dem Auseinandersetzen mit dem Thema ist bei mir das Bewusstsein entstanden, dass es auch heute Propaganda in Brettspielen gibt. Diese ist nicht mehr durch einen Staat oder ein Regime beeinflusst, sondern viel mehr durch unsere Weltanschauung. Viele Eurogames zum Beispiel basieren auf rein kapitalistischen Grunddenken. Kaufen, verkaufen, Märkte und immer mehr Wachstum. Gut möglich, dass wir uns in 20 Jahren fragen, wie wir das so gedankenlos spielen konnten. Beim Thema Kolonisation sind wir heute bereits an dem Punkt angekommen, dass es kein guter Umgang ist, immer die Verdrängung Anderer thematisch auszusparen. 

Etwas kritischer auf Details zu achten, darf uns am Ende aber nicht die Freude am Spielen nehmen. Denn eins ist klar: So eine bunte Welt voller Brettspiele gäbe es in einem Regime, wie dem der Nazis nicht. Deswegen kann das Bewusstsein über die eigene Freiheit, die wir aktuell genießen dürfen, ein Ergebnis dessen sein, sich mit dem Thema Brettspiele zur Zeit des NS-Regimes auseinander gesetzt zu haben. Außerdem bleibt bei mir der Eindruck, dass Spiele und deren Wirkung auch im historischen Kontext viel mehr erforscht werden müssten. 


 
 
 
 

 

             

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