Test | Steamwatchers - Fazit + Wertung + Bilder vom Spiel
Ich gestehe: Grandiose Miniatur-Kampfstrategiespiele sind normalerweise nicht mein Fall. Deswegen war ich mir beim ersten Öffnen der monströsen Spielschachtel nicht sicher, was mich erwartet. Nachdem ich die für ein Spiel dieser Größe recht überschaubare Anleitung mehrfach durchgelesen hatte, dämmerte mir allerdings, dass da einiges an Spielspaß auf mich zukommen sollte.
Besonders angetan hat mir das sehr gut ausbalancierte Spielsystem rund um die Befehlsmarker, mit denen man seinen Zug halb vorprogrammiert und halb für taktische Manöver offenlässt. So muss festgelegt werden, ob in einem Gebiet eine defensive oder offensive Aktion ausgeführt werden soll. Wenn ich also einen koordinierten Angriff durchführen will, muss ich diesen in der Planungsphase gut durchdenken und die passenden Marker in die passenden Gebiete legen. Sollte dieser Plan durch Manöver der anderen Clans ins Wanken geraten, kann die Reihenfolge der Befehle aber immer noch geändert werden. Möglicherweise ist es sogar clever, den eigenen Angriff absichtlich durch defensive Befehle hinauszuzögern, damit die Gegner nicht mehr im Stande sind zu reagieren. Dieses System führt ebenfalls dazu, dass zwischen Planungs- und Ausführung-Phase eine enorme Spannung beim Aufdecken der Befehlsmarker entsteht. Auf einen Schlag werden dann nämlich alle Felder, von denen Angriffe ausgehen können, enthüllt. Oft ging dabei ein angespanntes Raunen oder ein alle entspanntes Seufzen um den Tisch.
Anders als zuerst vermutet, bietet Steamwatchers dabei sehr gut ausbalancierte Möglichkeiten für den eigenen Spielstil. Scheint es zuerst so, als würde das Aufploppen der Dampfsäulen ausschließlich aggressives Handeln belohnen, so wird doch schnell klar, dass dem nicht unbedingt so ist. Denn durch die Watcher-Rolle, die in jeder Runde neu ausgewählt werden kann, kann die Position des Dampfes bedingt kontrolliert werden. Außerdem gestatten es manche der sieben verschiedenen Fraktionen durch besondere Effekte, wie eine erhöhte Kampfunterstützungs-Reichweite auch, verschachtelte Abwehrsysteme zu errichten, die aber durch ein sehr striktes Einheiten- und Gebäudelimit pro Feld nicht uneinnehmbar werden. Denn oft sind Konflikte in Steamwatchers mit ökonomischen Überlegungen verbunden. Lohnt es sich, viele Aktionen und Ressourcen in einen Angriff zu stecken, der möglicherweise nur ein GEO extra einbringt? Oder wäre es nicht doch sinnvoller, sich vorerst mit weniger GEO abzufinden, dafür aber nicht das eigene Krankheitslevel zu erhöhen. Zu viel von der Verderbnis führt nämlich zum Tod eigener Soldaten und je nachdem, wie viele der eigenen Leute der Krankheit erliegen, kann sich das negativ auf die Punktezahl am Spielende auswirken. Eine aggressive Herangehensweise wird also kurzfristig Früchte tragen und gleichzeitig die eigenen Aktionen einschränken. Das führt ebenfalls zu einem Nachteil und je mehr Runden man diesen mit sich herumschleppt, desto schwerer hat man es im Vergleich zu den Kontrahenten.
Und doch gibt es einige, mal mehr mal weniger, erhebliche Mängel, die den sonst sehr positiven Gesamteindruck für mich trüben. Die Schachtel ist von den Dimensionen nicht weit entfernt von „Gloomhaven“, außer dass sich viel weniger darin befindet. Und was sich darin befindet, erscheint nicht nur auf den ersten Blick teilweise unausgereift und überproduziert. So ist es für mich absolut unverständlich, warum die Algofuel-Fässchen (eine Ressource, die man für ein paar Spezialaktionen oder zum Verstärken von Kampfwerten nutzen kann) nicht ansatzweise in die Aussparungen auf den ansonsten fantastisch designten Clantableaus passen. Diese kleinen, fummeligen und runden Fässchen fallen also regelmäßig um und rollen quer über das eigene Tableau oder auch mal darüber hinaus. <
Dass die Soldaten und Elitesoldaten, sowie Baken und Dampfsäulen aus Plastik und relativ klobig sind, ist für mich noch verständlich. Es sieht gut aus und macht auch haptisch etwas her. Allerdings sind die Abwehrtürme (die zudem aus massivem Plastik bestehen) und die Farmen leider völlig überdimensioniert, weswegen so manches Gebiet auf dem Spielplan nicht jede Kombination aus Gebäuden und Einheiten aufnehmen kann. Und das stört erheblich beim Spielen, wenn nicht alles auf das Feld passt und es deswegen zu Verwirrung kommt. Da hätten es wohl auch Marker oder kleinere Figuren getan, die optimalerweise auch noch aus einem anderen Material als Plastik bestehen. So sieht es ganz gut aus, ist aber leider ziemlich unpraktikabel.
Apropos unpraktikabel: Die Inlays… Auf der einen Seite ist es schön, dass jede der sieben Fraktionen ihre eigene Schachtel hat, aber dann sollte die Form auch zum Spielmaterial passen. Die drei Fächer sind aber eben nicht passend für das, was darin Platz finden soll. Noch dazu sind die einzelnen Inlays aus sehr dünnem und fragilem Plastik, das nicht den Eindruck macht, als könne es mehr als fünf Partien unbeschadet überstehen.
Ein letzter Minuspunkt, der leider wieder einmal erwähnt werden muss, ist das Regelbuch. Zwar ist insgesamt alles zufriedenstellend erklärt und auch mit ausreichend Beispielen und Illustrationen versehen, trotzdem muss man immer wieder hin und her blättern, um die gesuchte Information zu finden, die sich nicht immer an einer der üblichen Stellen befindet. So ist die enorm wichtige Regel, dass das „Verderbnis“-Level am Ende jeder Runde wieder auf null gesetzt wird, nicht bei der Beschreibung der einzelnen Phasen und des Rundenablaufs beschrieben, sondern nur ganz am Anfang im Bereich „Generelle Spielkonzepte“.
Insgesamt ergibt sich bei Steamwatchers also ein recht gemischtes Bild. Die ausgereiften, gut ausbalancierten und eingängigen Spielmechanismen werden von den fragwürdigen Entscheidungen, die rund um das Spielmaterial und die Verpackung getroffen wurden, ausgebremst. Und verhindern somit eine deutlich bessere Bewertung für mich. Das Spiel macht Spaß und ich bin Feuer und Flamme für die verschiedenen Fraktionen, die sich ohne großes Regelchaos schön unterschiedlich spielen. Aber die aufgepumpt wirkende Spielschachtel, die teils unnötig überproduzierten und überdimensionierten Figuren sowie Inlays würde ich am liebsten in der bitterkalten Eiswüste von Nova Roma stehen lassen.
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Tags: Kampfstrategie, 90-120 Minuten, Miniaturen, Area Control, 2-5 Spieler