TEST // SWITCH AND SINGAL
Schwarze Rauchschwaden und das Heulen der donnernden Sirene künden von der baldigen Ankunft der dicken Bertha, der dienstältesten Dampflok in deinem Lokschuppen. Beharrlich zieht sie die wertvolle Fracht seit Tagen durch halb Europa, welche hier am Hafen von Marseille gelöscht werden soll und euch ein prächtiges Vermögen einbringen wird. All das kann aber nur dank der wachsamen Stellwerkführer gelingen, welche zur rechten Zeit die richtigen SWITCH & SIGNALs stellen und so einen reibungslosen Ablauf garantieren. Bist du einer von ihnen und nimmst diese planerische Herausforderung an?
KOSMOS hat uns SWITCH & SIGNAL freundlicherweise für eine Rezension zur Verfügung gestellt.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Einsteigen, bitte!
Das kooperative Familienspiel SWITCH & SIGNAL von Daniel Thompson entführt 2 – 4 Spieler für 45 Minuten in die nostalgische Welt der dampfbetriebenen Güterzüge. Gemeinsam müssen sie Weichen stellen, Signale setzen und ihre unterschiedlich schnellen Dampfloks geschickt einsetzen, um alle Waren termingerecht am Ziel abzuliefern. Gelingt ihnen dies, fahren sie mit einem lauten Tschutschu siegreich in den Sonnenuntergang.
Beim Spielaufbau wählen die Spieler zunächst aus, ob sie lieber durch Europa oder Amerika tuckern wollen. Während sie in Europa nur in Marseille Güter abladen sollen, müssen sie in Amerika gleich zwei Hafenstädte ansteuern.
Auf dem Spielplan werden zunächst Weichenmarker, grüne Signalscheiben und die Warenklötzchen verteilt. Zu Beginn werden zudem drei verschiedene Loks aufgestellt, welche sich in Farbe und Geschwindigkeit unterscheiden. Dafür wird ein Würfel geworfen, der anzeigt, an welchem der Startpunkte die Lok eingesetzt wird.
Wie läuft ein Zug bei SWITCH & SIGNAL denn nun ab und was gibt es dabei zu beachten? Zunächst wird eine Fahranweisung aufgedeckt, wodurch neue Züge ins Spiel kommen und sich schon vorhandene Loks nach einem Würfelwurf auf den Gleisen des Spielplans bewegen.
Aber was ist bei der Bewegung eines Zuges erlaubt? Es gilt grundsätzlich, dass Bewegungspunkte nicht verfallen. Kann eine Lok nicht weiter, verlieren die Spieler Zeitplättchen. Fahren zwei Loks frontal aufeinander oder kehren an einen der Startpunkte zurück, verlieren die Spieler sogar zwei Startplättchen. Sind diese aufgebraucht, muss eine Fahranweisung entfernt werden, wodurch ab sofort weniger Zeit vorhanden ist, die Aufträge zu erfüllen. Danach wird der Vorrat an Zeitplättchen wieder aufgestockt. Des Weiteren dürfen Züge nur über grüne Signale und entlang der gestellten Weichen fahren. Wenn eine beladene Lok am Zielbahnhof ankommt, wird sie entladen und kehrt in das Depot zurück.
Anschließend spielt der aktive Spieler eine von drei verschiedenen Aktionskarten aus.
- Es kann ein Signal von rot auf grün gesetzt werden. Wichtig ist, dass in jeder Stadt immer mindestens eine Signalscheibe liegen bleibt.
- Eine Weiche wird neu gestellt.
- Der Spieler wählt eine Lok und bewegt diese nach dem Werfen eines Würfels um die Augenzahl vorwärts.
Fehlt den Spielern die passende Karte für eine bestimmte Aktion, kann eine beliebige Aktion auch jederzeit durch Abwerfen zweier Karten ausgeführt werden. Darüber hinaus können Züge, welche in einer Stadt Halt machen, durch Abwerfen einer Karte mit Gütern beladen werden. Das geht nicht im Vorbeifahren. Reichen die Aktionskarten nicht aus, um die gemeinsamen Ziele in einer Runde zu erreichen, können die Spieler einen der drei Helfer in Anspruch nehmen. Diese können beispielsweise die Fahrt von Zügen beschleunigen oder verhindern, dass Züge zu weit rollen. Allerdings darf jeder dieser Helfer nur einmal pro Partie genutzt werden.
Abschließend werden fünf weitere Aktionskarten nachgezogen und der nächste Spieler ist am Zug.
Das Spiel endet, sobald entweder alle Waren in der passenden Stadt abgeliefert worden sind oder keine Fahranweisungen mehr übrig sind. In letzterem Fall ist die Partie sofort verloren.
Neben dem Grundspiel gibt es auch noch die Variante die „Die Ortsplättchen“, bei welcher die abgedruckten Standorte der Züge durch variable Ortsplättchen ersetzt werden. Durch Weglassen oder Hinzufügen der einzelnen Spielkomponenten kann zudem der Schwierigkeitsgrad angepasst werden.
Dampflokomotiven und Kartenmaterial
Die Schachtel von SWITCH & SIGNAL, ihr ahnt es schon, ziert eine alte Dampflok auf düsterem Hintergrund, die uns qualmend mit auf die Fahrt nimmt. Nächster Halt ist das Innere der Box, in der sich neben dem doppelseitigen Spielplan, den verschiedenfarbigen Plastikloks, zahlreichen Spielkarten, klassischen Würfeln und Holzmarkern vor allem einiges an Luft befindet. Die Qualität des Materials ist durchschnittlich und zweckmäßig. Besonders die Spielkarten hätten etwas dicker sein können. Mit einiger Verspätung kommen auch die Illustrationen von Antje und Claus Stephan in den 2010ern an und geben dem Spiel einen ungewollt altbackenen Charme.
Die schlanke Anleitung erklärt auf acht Seiten die Grundregeln sowie die zahlreichen Varianten. Viele Beispiele und Bilder, hervorgehobene Textstellen mit besonders wichtigen Regeln sowie eine leicht abgespeckte Einführungspartie vereinfachen den Einstieg ungemein. Dadurch kamen bei uns bereits in der Erstpartie keinerlei Fragen mehr auf. Wem selbst das noch zu viel ist, kann sich per QR-Code auch das Erklärvideo von KOSMOS anschauen.
Als ich mein letztes Spielepaket mit Rezensionsexemplaren bekommen habe, war ich erst einmal enttäuscht, dass auch SWITCH & SIGNAL enthalten war. Bei der Vorbereitung für die SPIEL´20 hatte ich mich bereits mit SWITCH & SIGNAL befasst, da mich das Eisenbahnthema grundsätzlich interessiert. Allerdings hat mich als Vielspieler die simple Mechanik nicht sonderlich angesprochen und so habe ich erst einmal Abstand genommen.
Eine kapitale Fehleinschätzung, wie ich nun zugegeben muss. SWITCH & SIGNAL ist entgegen meiner Vorurteile eines der besten Koop-Spiele für die ganze Familie, welches ich in den letzten Jahren gespielt habe. Das altehrwürdige Eisenbahnthema wird hier spielmechanisch erfrischend in Szene gesetzt und kann sowohl die kleineren Kinder als auch den junggebliebenen Familienvater hinter dem Ofen hervorlocken.
Dafür sorgen einfache Regeln sowie eine kurze Spielzeit, welche sich bei SWITCH & SIGNAL mit kniffligen Entscheidungen paaren und für eine hitzige Stimmung am Spieltisch sorgen. Soll ich die Weiche noch stellen oder besser das Signal auf grün setzen, damit die Züge am Anfang der nächsten Runde nicht vorzeitig halten müssen? Wenn die Spielergruppe hier Fehler macht, kann das schnell sehr hart bestraft werden, sodass es fast immer bis zum Schluss spannend bleibt. Trotzdem ist das Spiel nicht nur für Taktikfüchse, sondern auch für Bauchspieler bestens geeignet, da die Planbarkeit durch das ständige Würfelwerfen ohnehin begrenzt ist.
Frustration wird bei SWITCH & SIGNAL ebenfalls kaum aufkommen, da der Schwierigkeitsgrad durch die Varianten und den doppelseitigen Spielplan nach eigenem Gusto angepasst werden kann. Wir haben in unseren Testpartien festgestellt, dass die Amerika-Seite etwas einfacher zu meistern ist, während die Europa-Seite durchaus herausfordernd sein kann. Dank des variablen Aufbaus wird es so schnell auch nicht langweilig.
Etwas ausgebremst wird SWITCH & SIGNAL lediglich durch die nicht mehr zeitgemäße Optik und das für kooperative Spiele typische Alpha-Leader-Problem.
Darüber sollte aber jeder, vom Gelegenheitsspieler bis zum Hobbyisten, hinwegschauen und schleunigst ein Ticket lösen, der schon einmal ZUG UM ZUG oder AUF ACHSE gemeinsam und nicht gegeneinander spielen wollte. Lediglich beinharte Strategen sollten hier Abstand vom Gleis halten, da bei SWITCH & SIGNAL der Zufall immer mitfährt.
Bei mir wird SWITCH & SIGNAL jedenfalls immer wieder gerne auf den Tisch kommen. Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn wieder einmal jemand am Tisch voller Freude ankündigt, noch einmal einen fahren zu lassen.
Bilder vom Spiel
Tags: Pick up and deliver, Eisenbahn, 45 Minuten, Familienspiel, 2-4 Spieler, Kooperativ