Facebook sperrt erneut Werbung für historisches Brettspiel wegen „sozial heiklem Thema“
Nachdem Facebook bereits Anfang dieses Jahres Anzeigen für das historische Brettspiel „Votes for Women“ des Verlags „Fort Circle Games“ sperrte (wir berichteten), ereilt die neue Kickstarter-Kampagne desselben Verlags das gleiche Schicksal. Bei dem betroffenen Brettspiel handelt es sich um „First Monday in October“, welches wieder einen Abschnitt der amerikanischen Geschichte behandelt und zwar die Historie des US Supreme Courts, also des Obersten Gerichtshofs der USA. Und wie schon bei „Votes for Women“, welches sich mit der Frauenwahlrechtsbewegung der USA beschäftigt, lautet die Begründung seitens Facebook, dass die Werbung für „First Monday in October“ ein „sensibles soziales Thema“ behandle.
Für die Sperrung der Anzeigen zur „Votes for Women“-Kampagne hatte sich Facebook letztendlich entschuldigt und zugegeben, dass diese Anzeigen „irrtümlich entfernt“ wurden. Zwar wurde daraufhin die Sperrung aufgehoben, aber „Fort Circle Games“-Gründer Kevin Bertman sagte damals, dass die Aufhebung des Verbots nach einem mehrwöchigen Kampf zu spät kam, um die Kickstarter-Kampagne noch zu unterstützen. Nun sieht sich der Verlag mit der gleichen Situation konfrontiert und hat Facebook bereits um Überprüfung gebeten, bislang ohne Erfolg.
In der Begründung Facebooks zur irrtümlichen Entfernung der Anzeigen für „Votes for Women“ heißt es, diese „erfolgte automatisiert, weil sie entweder einen Politiker erwähnen oder sensible soziale Themen enthalten, die das Wahlverhalten der Menschen beeinflussen und sich auf das Ergebnis einer Wahl oder anstehender Gesetze auswirken könnten“.
Ähnlich wird voraussichtlich die Begründung zur Sperrung der „First Monday in October“-Anzeigen lauten. Bei dem historischen Spiel, welches von Talia Rosen stammt, versuchen die Spielenden, sich einen Namen zu machen, indem sie in realen Fällen der Geschichte der Vereinigten Staaten Partei ergreifen, sowie die Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofs und die geltenden Gesetze des Landes mitgestalten. Hierbei müssen sie ihren Einfluss klug einsetzen, um die Rechtsphilosophie des Gerichtshofs so zu beeinflussen, dass sie mit ihren versteckten Zielen übereinstimmt.
Zu den Anzeigensperrungen sagte Kevin Bertram laut Branchenmagazin „BoardGameWire“, dass sie „kein existenzielles Risiko für den Verlag darstellen, aber ein existenzielles Risiko für ihre Möglichkeiten, Spiele zu veröffentlichen, die sich mit der Geschichte der Vereinigten Staaten und ihrem politischen System auseinandersetzen.“ Für die Kampagne zu „First Monday in October“ hatten sie 25.000$ für Facebook-Anzeigen bereitgestellt in der Hoffnung, damit bis zu 100.000$ einzunehmen. Da sie eigentlich erwarten, dass das Spiel ein großer Erfolg wird, ist es laut Bertram umso „frustrierender, dass sie nun keine potentiellen Kunden über Facebook erreichen können.“ „BoardGameWire“ zitiert Bertram weiter: „Wäre ich verschwörungstheoretisch veranlagt, würde ich vermuten, dass Facebook absichtlich Spiele blockiert, die etwas über die US-Verfassung, den Verfassungsänderungsprozess und den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten aussagen. Aber unabhängig davon, warum dies geschieht, würde es nicht passieren, wenn wir süße Spiele über Kätzchen, Schmetterlinge oder Einhörner machen würden.“
Jason Matthews, Co-Entwickler von „First Monday in October“, sagte gegenüber „BoardGameWire“: „Ich meine, es ist einfach unglaublich, aber es ist die perfekte Demonstration eines seelenlosen, leblosen Unternehmens, das Entscheidungen nach Algorithmen trifft. Ist Mark Zuckerberg wirklich so pleite, dass Facebook es sich nicht leisten kann, einen Menschen in seine Entscheidungsschleifen einzubinden? Ist Zensur durch Künstliche Intelligenz die Art von Zukunft, auf die wir uns alle freuen können? Als Facebook etwas Ähnliches bei „Votes for Women“ gemacht hat, konnte ich zumindest verstehen, dass ein dummer Algorithmus den Titel sehen und es als Wahlspiel kennzeichnen konnte. Aber ein Spiel über die 200-jährige Rechtsgeschichte des Obersten Gerichtshofs? Verbietet Facebook historische Bücher? Das ist völliger Unsinn. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass das noch einmal passieren würde. Es liegt auf der Hand, dass sich unser Land mehr mit seiner Geschichte auseinandersetzen muss, nicht weniger. Und hier ist es das mächtigste Social-Media-Unternehmen der Welt, das sinnlose Hürden und Barrieren aufstellt. Facebook hatte einen übergroßen Einfluss auf unsere Demokratie, indem es als Plattform für russische Bots und Informationsoperationen diente. Ihre Reaktion auf ihre Misserfolge im Jahr 2015 scheint nun noch schlimmer zu sein: automatisierte Diskriminierung. Ist die Beschäftigung von ein paar denkenden Menschen zu viel verlangt für ein Unternehmen, das in den letzten Jahren 48 Milliarden Dollar Gewinn gemacht hat?"
Auch ohne die Facebook-Werbung erreichte die Kampagne von "First Monday in October" bereits knapp 70.000$ und konnte damit ihr Finanzierungsziel von 9455$ weit übertreffen. Alle Interessierten haben noch bis zum 21. Dezember die Möglichkeit, das Projekt hier zu backen.
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