Kleine Meldung, große Wirkung: die deutsche Brettspielkultur wird immaterielles Kulturerbe
Auf der Homepage zur Spiel in Essen versteckt sich unter den News eine kleine Nachricht, die eine große Wirkung haben dürfte. Es geht um die Aufnahme der deutschen Brettspielkultur in die thüringische Landesliste der immateriellen Kulturerben durch die UNESCO. Bei einem immateriellen Kulturerbe handelt es sich um Bräuche, Traditionen und Praktiken, die typisch für eine Stadt, eine Region oder ein Land sind und dort zum festen Teil der jeweiligen Kultur gehören. Mit dem Status des Kulturerbes möchte die UNESCO diese Kultur fördern und erhalten. Zu den Kulturerben auf Landesebene gehören bspw. die Anlage und Pflege von Flechthecken im Raum Nieheim, aber auch modernere Traditionen wie der Poetry Slam. In Thüringen zählt zum immateriellen Kulturerbe u.a. die Bratwurstkultur.
Jetzt also ist die deutsche Brettspielkultur in Thüringen zu einem solchen Kulturerbe erhoben worden. Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt der frühere Versuch im Jahr 2021, als man gegen besagte Bratwursttradition in Thüringen den Kürzeren gezogen hatte. In der Begründung zur Ablehnung der Thüringer Staatskanzlei hieß es: „Die Jury hat insbesondere den fehlenden regionalen Bezug kritisiert. Zudem haben sich dem Gremium nicht die Eigenheiten der Kulturform erschlossen.“ (nachzulesen auf der Seite des Instituts für Ludologie). Dabei sollte allen, die allein die Spiel in Essen besucht haben, klar sein, dass diese Kulturform zahlreiche Eigenheiten besitzt, die man sonst nirgendwo in dieser Form finden kann.
Ein anderes Beispiel ist die Aufnahme der Förderung von Brettspielen in die bayerische Liste der immateriellen Kulturerben. Dort liegt der Fokus aber eindeutig auf der Vermittlung von Wissen über und zu Brettspielen. Ausgezeichnet wurden daher auch u.a. das Spielzeugmuseum Nürnberg, aufgenommen wurde dieses Kulturerbe als „Gutes Praxisbeispiel“. In der Beschreibung steht: „Das gemeinsame Spielen mit Brettspielen stellt eine weit verbreitete kulturelle Praxis dar, in der neben der Unterhaltung Regeln eingeübt und vermittelt werden, die auch im Zusammenhang mit sozialen Aushandlungen stehen.“ Dass das der Kulturform viel zu kurz kommt, liegt auf der Hand. Brettspiele sollten nicht allein als museale Gegenstände verstanden werden, sondern viel mehr als gemeinsames Kulturgut.
Die deutsche Brettspielkultur wie in Thüringen aufgenommen umfasst daher folgerichtig zahlreiche Aspekte zum Thema wie bspw. die Brettspieltreffen und Spieleclubs, die Autorentage, aber auch das gemeinsame Spielen. Damit unterscheidet sich dieses Kulturerbe eindeutig von dem in Bayern, denn es hebt die gelebte Brettspieltradition hervor und erfüllt die Eigenheiten dieser Kulturform viel besser.
Der nächste Schritt stellt die Aufnahme der deutschen Brettspielkultur in das bundesweite Verzeichnis dar. Das ist nur fair, denn auch außerhalb Thüringens wird diese Tradition gepflegt. Für die Brettspielszene bedeutet das eine Aufwertung dieser Kulturform. Auch eine finanzielle Unterstützung von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen zur Förderung kann ermöglicht werden. Damit können Vereine Aussicht auf Förderung erhalten oder die Forschung zum Thema ausgebaut werden. Damit wird einer Tradition gerecht, die seit je her Bestandteil des menschlichen Miteinanders ist.
Letztlich sollte das Gesellschaftsspiel als Kulturgut wahrgenommen werden. Es gibt einen guten Grund für die Popularität von Monopoly, denn es wird seit vielen Generationen zu Hause gespielt und ist - trotz berechtigter Kritik an der Spielmechanik - ein seit Kindheitstagen beliebter Titel. Ganz analog spielt man unabhängig von Alter und Herkunft gemeinsam ein einzelnes Spiel. Man entwickelt Strategien und testet diese aus, spielt mal mit-, mal gegeneinander, mal verliert man, mal gewinnt man. Ohne das Spiel an sich wären diese Kulturhandlung einfach nicht vorhanden. Wer also bei der nächsten Runde Siedler daran verzweifelt, kein Schaf zu bekommen, sollte sich daran erinnern, dass das (zumindest bisher in Thüringen) Teil des deutschen Kulturerbes ist.
Wer weiterlesen möchte, findet auf der Seite des Instituts für Ludologie einen ausführlichen Beitrag zum Thema. Auch der Beitrag des WDR3 zum Thema Brettspielkritik gibt einen guten Einblick in die Bedeutung dieses Kulturform.
Quellen: