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Ein ganz normaler Alltag in der Arbeitsagentur von "Atlantis Exodus" (Ersteindruck)

Ein ganz normaler Alltag in der Arbeitsagentur von "Atlantis Exodus" (Ersteindruck)

Heimlich, still und leise – So könnte man fast die Marketingstrategie rund um die SPIEL 2024 Neuheit "Atlantis Exodus" von dlp Games bezeichnen. Macht "Atlantis Exodus" also alles richtig und war sich dlp Games womöglich sicher, dass dieses Spiel ein Messegeheimtipp und Selbstläufer werden würde? Ausgerechnet dieses mysteriöse, fast schon geheimnisvolle Unwissen um dieses Spiel machte mich besonders neugierig, weshalb ich auf der SPIEL 2024 eine Demopartie gewagt habe und nun mehr dazu erzählen kann.

AE Box

Atlantis Exodus ist zwar kein Erstlingswerk der Autoren Konstantinos Karagiannis und Geroge Halkias, allerdings dürften die wenigsten Kenner und Expertenspieler jemals eines der anderen kaum bekannten Spiele dieser beiden Autoren gespielt haben. 1-4 Personen ab 14 Jahren können in diesem gehobenen Kennerspiel dem Volk der Atlanter zur Hilfe eilen und diese per Schiff vor dem drohenden Untergang bewahren. Eine Partie soll circa 90 Minuten dauern. Soviel vorweg: bei voller Besetzung ziehe ich meinen Hut wenn eine Partie unter 90 Minuten zu Ende geht.

 

Worum geht es denn nun in Atlantis Exodus?

Im Kern ist Atlantis Exodus ein Kennerspiel mit Arbeiter-Einsatz-Mechanismus. Welche Arbeiter/Meeple und insbesondere wie viele davon jedem Spieler zur Verfügung stehen, entscheidet sich auf einem Rondelllabyrinth, das das dem Untergang geweihte Atlantis widerspiegeln soll. Dieses bestellt aus drei Scheiben, auf deren Kreissegmente unterschiedliche Boni abgebildet oder platziert sind, darunter: drei verschiedenfarbige Bücher als Ressourcen, drei verschiedenfarbige Arbeiter, diverse Aktionsfelder, Gebäude und Münzen, die sowohl als Joker-Ressource oder auch als eigenständige Währung fungieren können.

Zu Spielbeginn platzieren die Spieler in Spielerreihenfolge ihren König auf das kleinste Rad in der Mitte, welches in vier Abschnitte unterteilt ist. Hier gilt: ist ein Feld belegt, ist es in der Regel auch für alle anderen blockiert und einige mit diesem Feld verbundene Pfade auf den weiter unten liegenden Drehscheiben stehen den anderen Spielern in dieser Runde nicht mehr zur Verfügung. Sobald alle Könige platziert wurden, erhalten die Spieler die Belohnungen des entsprechenden Feldes inkl. Meeple, die umgehend auf das eigenen Spielertableau platziert werden können.

 

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Hier findet ein Kernaspekt des Spiels statt: je nachdem welche der drei Meeple ich sammle (violett = Wissenschaftler, weiß = Intellektuelle, braun = Arbeiter) kann ich diese in jeweils 5-6 verschiedene Berufe weiterentwickeln, vorausgesetzt ich kann die Ressourcenkosten der Ausbildungsstufe bezahlen. Je weiter ausgebildet die Einwohner von Atlantis sind, desto mehr Siegpunkte bringt mir ihre Evakuierung ein. Zudem kann ich sie in verschiedene Gebäudeklassen in Nordafrika, Mesoporamien oder Mesoamerika unterbringen. Manchen Atlantern genügt aber auch ein trockenes Plätzchen auf einen Rettungsschiff. Wurden alle Boni verteilt, führen alle Spieler in Reihenfolge zwei Aktionen aus, dies reicht von „Ausbilden eines Bewohners“ bis zu einen Schritt auf einer Bonisleiste gehen.

 

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Weitere Spieltiefe garantieren zusätzlichen Siegpunktbedingungen, die je nach Beruf der Atlanter unterschiedlich ausfallen können: Arbeiter können Säulen oder Gebäude errichten. Säulen bieten zusätzliche Bonusaktionen, Gebäude fließen in einen Mehrheitenwettstreit ein, sofern man genügend Meeple dort einquartieren kann. Die richtige Kombination an Wissenschaftlern erlaubt es einem zusätzliche Siegpunktendbedingungen zu ergattern. Intellektuelle steuern mehr Punkte auf der sog. Apotheosis-(Bonus)-Leiste bei und befähigen dazu, weitere Schiffe zu bauen.

 

Mein Ersteindruck

Lange Zeit war bis auf wenige Tage vor der SPIEL 2024 weltweit nur ein einziges Rezensionsvideo zu diesem Spiel veröffentlicht. So tief fliegen nur die wenigsten Messeneuheiten unter dem Radar. Zunächst ein Disclaimer vorne weg: Ich durfte eine Demopartie auf der Messe bis zur ersten Zwischenwertung anspielen. Wen ledig das Thema lockt, aber eigentlich kein Fan von grübellastigen Kenner- oder Experternspielen ist, sage ich: eindeutig Finger weg. Wer aber auf der Suche nach einem taktischen, gehobenen Kennerspiel ist, mit 1001 Möglichkeiten Siegpunkte zu generieren, könnte hier auf seine Kosten kommen.

Die Regeln sind im Kern eigentlich simpel: Biete um die Spielerreihenfolge, suche dir deinen Sektor in Atlantis aus und nimm die dortigen Bonusressourcen, führe zwei Aktionen aus, suche dir deinen nächsten Sektor auf der darunterliegenden Scheibe aus usw. Wie komplex das Spiel dann doch werden kann, zeichnete sich bei mir erst ab, als ich die 19 verschiedenen Berufe mit ihren verschieden gewichteten Bonusaktionen und Siegpunkten sah. Ich fühlte mich direkt in die Rolle eines Sachbearbeiters der Arbeitsagentur Atlantis hineinversetzt.

„Guten Tag, Herr Tagelöhner. Wie? Sie wollen einen Platz im sonnigen Süden? Nun, lesen Sie erstmal ein, zwei braune Bücher und dann schauen wir mal was wird. Was wird.“

Ein Ressourcenmangel ist in Atlantis Exodus vorprogrammiert und kann sich phasenweise auch sehr bestrafend an. Schon in Runde eins stand ich vor einer kniffligen Aufgabe: Ich lag an dritter Position der Spielerreihenfolge. Die Meeple und Ressourcen, die ich über meinen gewählten Sektor erhalten habe, passten nur leider überhaupt nicht zusammen. Bücher sind als Ressource extrem rar, genauso die Meeple. Das Rondell ist quasi nur die einzige Möglichkeit an diese Ressourcen zu gelangen. Demzufolge fühlte sich schon mein erster Zug suboptimal an. Ich war sofort gezwungen umzudisponieren und zu hoffen, dass die anderen Spieler in den nächsten Runden ebenfalls einen Griff ins Klo landen. Das Spiel zwingt einen an recht vielen Stellen zu einer flexiblen Planung, fördert aber gleichzeitig das konsequente verfolgen einzelner Strategien (viele verschiedene Schiffe, oder Mehrheiten in Regionen, oder Wissenschaftskarten sammeln etc.). Erst im Spielverlauf eignen sich die Spieler individuelle Boni oder Aktionen an, die das anfangs enge Korsett des Spiels aufbrechen und mehr Flexibilität zulassen.

Die Illustrationen sind durchaus hübsch, die Ikonographien eindeutig. Das Spielmaterial ist in Ordnung. Wer aber doppellagige Spielertableaus sucht, wird hier eher enttäuscht. Mir ist es auf den engen Messetischen tatsächlich einmal passiert, dass eine Spielerin am Nebentisch versehentlich gegen mein Tableau stieß und meine Meeple verrutscht sind. Das kann sehr ärgerlich sein, wenn man sich nicht mehr an die richtigen Berufszweige erinnern kann. In einer ruhigeren Atmosphäre sollte dieses Problem aber eher die Seltenheit sein.

Atlantis Exodus kann anfangs erschlagend sein. Dieses Spiel will verstanden werden. Wer sich auf mehrere Partien in fester Besetzungen einlassen kann, schöpft womöglich am besten das Potential dieses Spiels aus. Gerne würde ich nochmal eine volle Partie spielen, um herauszufinden, ob man in Atlantis Exodus wirklich eine Strategie konsequent verfolgen kann oder sich meine Erfahrungen mit taktischen Sackgassen rund um mangelnde Ressourcen dann doch wiederholen.

Quellen (Stand 20.10.2024):

BGG

dlp Games

Tags: Rondell, SPIEL24, 1-4 Personen, Expertenspiel, Kennerspiel, Worker Placement

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