
Obsession - Prunkpalast oder Bruchbude?
„Gut Ding will Weile haben.“, dachte ich, als ich auf der Spiele-Messe in der Schlange von Strohmann Games stand. Denn das Spiel, für das ich hier anstand, wurde bereits 2018 veröffentlicht und erst für das Jahr 2023 für den deutschen Markt in einer lokalisierten Variante angekündigt. Zwischendurch stand Obsession bereits lange in den Top 100 auf Boardgamegeek und wurde als Geheimtipp gehandelt. Natürlich war ich neugierig und sehr gespannt, ob dieses Spiel dem Hype gerecht werden kann. Aber das Thema und die Mechaniken im Spiel allein hätten es auch so auf meine Wunschliste gebracht.
Wir haben "Obsession" selbst gekauft. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Thematisch ist Obession im ausgehenden 20. Jahrhundert im ländlichen Großbritannien angesiedelt. Es geht im Kern um eine Adelsfamilie, die sich langsam ihr Anwesen wieder ausbauen möchte. Dafür werden neue Räume gebaut, Gäste eingeladen und Veranstaltungen durchgeführt. Natürlich braucht man dafür Geld, Dienerschaft und die richtigen Gäste, die einem nicht nur Ruhm einbringen. Dieses Thema kennt man nur zu gut aus Fernsehserien wie „Das Haus am Eaton Place“ oder „Parade’s End – Der letzte Gentleman“. Der Einstieg ins Spiel ist für Fans solcher Serien daher denkbar einfach.
Darum geht es im Spiel
Eine Runde in Obession ist eigentlich simpel: Wähle einen Raum aus, setze die dafür benötigte Dienerschaft ein und lade passende Gäste dazu. Am Rundenende kann das eigene Vermögen dann noch auf dem sogenannten Handwerkermarkt für neue Räume ausgegeben werden. In regelmäßigen Abständen interessieren sich die beiden Fairchild-Geschwister für die neuen Anwesen. Die Fairchilds sind hoch angesehene Gäste, die entsprechende Boni mit sich bringen. Gewonnen hat am Ende, wer die meisten Siegpunkte gewinnen konnte. Dabei werden die Räume im eigenen Anwesen gezählt, die Gäste, das Vermögen, die erreichten Ziele, Siegpunktkarten und das errungene Ansehen. Hier zeichnet sich bereits eine gewisse Spieltiefe ab, die das Spiel aber auszeichnet.
Beispielsweise muss sich eingesetzte Dienerschaft zwei Runden erholen oder sie wird zulasten der Ansehenspunkte erschöpft. Zu Beginn steht nur eine begrenzte Anzahl von Butlern zur Verfügung. Da die betuchten Gäste jedoch nach vollendetem Service verlangen, müssen schnell neue Diener eingestellt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch der Butlergehilfe hier entlastend einspringen. Generell gibt es allerdings immer zu wenig Gesinde und stets gerade das falsche. Ist dann doch der richtige Raum mit dem angemessenen Personal bereit, steht einem erfolgreichen Empfang nichts mehr im Wege. Nicht jeder Gast ist dem eigenen Ansehen dabei zuträglich, doch dafür verschwinden sie nach ihrem Besuch erst mal im Ablagestapel. Wer eine Runde passt, erhält alle Gäste auf die Hand zurück. Obendrein dürfen Diener wieder bereit gemacht oder ein Geldbetrag genommen werden. Das mag gut klingen, doch es gibt immer noch etwas bauen und die Fairchilds brennen bereits darauf, die neuen Räumlichkeiten auf der nächsten Veranstaltung zu besichtigen. Und wer passt, kann leider keine Gesellschaften abhalten. Schlimmer als schlechtes Gerede ist es, wenn die Fairchilds gar nicht über einen sprechen.
Fazit und Wertung
Um das Spiel kurz zusammenzufassen: Es ist ein Gehirnzwirbler der besten Sorte. Nicht nur muss ich in der aktuellen Runde die beste Kombination aus Gästen, Dienern und Veranstaltung wählen. Ich muss es auch im Hinblick auf die nächsten Runden so wählen, dass ich möglichst effizient weiterspiele. Dass der Kern des Spiels so einfach gestaltet ist, erleichtert das ganze Spielgeschehen immens. Denn im Grunde muss man gar nicht so viel machen. Es muss nur gut überlegt sein.
Es gibt aber auch Kritik. Neue Räume gibt es auf dem Handwerkermarkt. Dort werden zufällig neue Plättchen aus einem Beutel gezogen. Es kommt durchaus vor, dass man gewisse Ziele über Zielkarten erfüllen und den Fairchilds gefallen möchte, es aber keinen geeigneten Raum dafür in der Auslage gibt. Natürlich ist es möglich, die Auslage des Handwerkermarktes zu erneuern, doch leider nur durch Passen. Und es kommt auch vor, dass die guten Räume an die Konkurrenz auf der anderen Seite vom Tisch gehen. Ja, das ist ärgerlich.
Für manche Aspekte gibt es im Regelwerk einige Spielvarianten. So ist es beispielsweise möglich, geheim zu halten, welcher Teil des Anwesens die Fairchilds interessiert, bis es zur Saison kommt. Gerade bei Spielen zu zweit ist es eine gute Möglichkeit, den ersten Raum der Auslage am Rundenende auszutauschen, um passende Räume zu finden. Diese Varianten deuten darauf hin, dass die Schwachstellen der Mechanik durchaus bekannt sind, diese jedoch trotzdem nicht zur besseren Spielbarkeit fest ins Regelwerk übernommen wurden. Eigentlich sollte erwartbar sein, dass ein Spiel von Anfang an so gestaltet ist, dass es gut funktioniert. Eigentlich. Denn Obsession spricht keine Casual-Gamer an. Es ist irgendwo zwischen Kenner- und Expertenspiel angesiedelt und auf diesem Niveau darf man meiner Meinung nach solche Variationen den Spielerinnen und Spielern durchaus zutrauen.
Obsession ist zugleich aber auch ein Liebhaberspiel. Es ist das erste Spiel des Autors Dan Hallagan und wie viel Liebe er in sein Projekt gesteckt hat und auch weiter investiert, ist unter anderem an der Kickstarter-Kampagne spürbar. Zuletzt lief die „Characters-Expansion“. Die regelmäßigen Updates per E-Mail oder auf Kickstarter sind voller Details, Eigenheiten und Katzen.
Wer sich dessen bewusst ist was "Obsession" bietet und abverlangt, wird zu dem Schluss kommen, dass es tatsächlich dem Hype gerecht wird.
Quellen:
https://www.strohmann-games.de/spiele/jahrgang-2023/obsession/
https://boardgamegeek.com/boardgame/231733/obsession
https://www.kayentapublishing.com/
https://www.youtube.com/watch?v=OztvMx3Huss
Tags: Kennerspiel, 1-4 Spieler, Handmanagement, Tableaubau