TEST // PALEO
Wir haben PALEO selbst gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Wertung!
Am Anfang war das Feuer, am Ende stand die Höhlenmalerei
Im kooperativen Brettspiel PALEO ist es das Ziel der Spieler:innen, Aufgaben in der Steinzeit zu erfüllen und den Gefahren des Zeitalters zu widerstehen. Die Partie ist gewonnen, sobald eine 5-teilige Höhlenmalerei fertiggestellt wurde. Verloren geht das Spiel, sobald der 5. Totenkopf ausgelegt wird. Die Aufgaben werden über Module gestellt, die nach Belieben kombiniert werden können. Das Beiblatt zeigt 7 Level-Vorschläge für Zusammenstellungen auf, die in aufsteigender Reihenfolge in den Anforderungen immer weiter anziehen. Jedes Modul besteht aus einem Satz Karten, der dem Standarddeck hinzugefügt wird.
Zu Beginn ziehen alle Spieler:innen 2 Menschen-Karten, die den eigenen Stamm bilden. Jeder Mensch hat besondere Fähigkeiten, die während der Runden zum Erfüllen von Aufgaben beigetragen werden können. Diese Fähigkeiten können Stärke, Wahrnehmung oder Geschick sein. Zusätzlich bringen einige Menschen Werkzeugplättchen mit oder haben mehr Lebenspunkte.
Auf der Werkbank können Werkzeugplättchen für Fackeln (Wahrnehmung), Faustkeile (Geschick) und Speere (Stärke) gebaut werden. Je nach Modulen und ausgespielten Ideenkarten kann das Spektrum an möglichen Werkbankaktionen noch erweitert werden. Im Basislager liegen Karten für Menschen, Träume und Ideen, die über Aktionen dem Stamm oder dem Deck der Spieler:innen hinzugefügt werden können. Des Weiteren werden hier Nahrung, Holz und Steine gelagert. Auf dem Wildnis-Tableau werden die offenen und verdeckten Ablagestapel gebildet. Je nach Modul können hier zusätzliche weitere Karten ausgelegt werden. Das Nacht-Tableau zeigt die Entwicklung der Wandmalerei, die Anzahl der Totenköpfe und die Anforderungen in der Nachtphase an. Eine Runde entspricht einem Tag, an dem die Spieler:innen Orte besuchen und Aktionen durchführen und an dessen Ende die Nachtphase steht, in welcher Anforderungen erfüllt werden müssen.
Das Deck teilen sich alle Spieler:innen. Zu Beginn der Tagphase wird das Deck gemischt und möglichst gleichmäßig verteilt. Die Rückseiten der Karten sind in unterschiedliche Kategorien eingeteilt, die grob einen Hinweis darauf geben, was die Menschen dort erwartet. Im Wald findet sich am ehesten Nahrung und Holz, an Flüssen Nahrung und Felle und in Bergen Holz und Felle. Aber Achtung, teils befinden sich auf den Karten auch Gefahren, die es zu bewältigen gilt. Hinter den Lagerfeuer-Karten finden sich Aktionen, über die entweder weitere Menschen in den Stamm oder Traumkarten ins Deck aufgenommen werden können oder Ideen in der Werkbank zum Bauen verfügbar werden. Traumkarten bieten unterschiedliche Aktionen, die in der Regel Vorteile für den Stamm bringen. Weitere Karten haben unterschiedliche Auswirkungen und sorgen für überraschende Momente. Neben dem Erreichen der Tagesziele muss versucht werden, über Aufgaben Teile der Wandmalerei anzufertigen.
In jedem Zug ziehen alle Spieler:innen 3 Karten verdeckt vom eigenen Deck und entscheiden sich, welche davon sie spielen möchten. Die anderen beiden Karten werden in der ursprünglichen Reihenfolge zurück auf das Deck gelegt. Die Spieler:innen decken gemeinsam ihre Karten auf. Auf der Karte ist eine Aufgabe dargestellt, die mit den geforderten Fähigkeiten und Ressourcen erledigt werden kann. Andere Mitspieler:innen dürfen dabei helfen, soweit sie ein Helfen-Symbol auf ihrer eigenen Karte haben. Schaden, der durch eine Karte vergeben wird, kann einem der beteiligten Menschen zugeteilt werden. Erleidet dieser dadurch so viel Schaden, dass kein freies Lebenspunktefeld mehr besetzt werden kann, stirbt der Mensch und ein Totenschädelplättchen wird auf die Nachttafel gelegt. Aktionskarten, erkennbar am blauen Hintergrund, können gespielt werden, müssen es aber nicht. Sie können auch ohne durchgeführte Aktion auf den offenen Ablagestapel gelegt werden. Müssen Karten zum Erledigen einer Aufgabe abgelegt werden, kommen diese oben vom Deck auf den verdeckten Ablagestapel. Erledigte Aufträge müssen teils auf den Friedhof gelegt werden, wodurch sie in der Partie nicht mehr zur Verfügung stehen.
Rote Karten stellen Gefahrenkarten dar und müssen abgehandelt werden. Stämme, die eine Aktionskarte mit Helfen-Symbol vor sich liegen haben, können dabei helfen, die Gefahr zu überwinden. Evtl. entstandener Schaden kann auch auf ein Mitglied des helfenden Stammes verteilt werden. Das Ablegen von Karten ist allerding nur durch den Stamm möglich, der die Gefahrenkarte aufgedeckt hat. Während sich hinter Karten mit rotem Rücken in der Regel eine Gefahrenkarte verbirgt, können diese auch bei allen anderen Kartentypen verborgen sein. Werden rote Karten in Folge einer Aufgabe verdeckt abgelegt, bedeutet dies, dass ein Mensch einen Schadenspunkt erhält. Werden mehrere Karten auf diese Weise abgelegt, kann der Schaden auch auf mehrere Menschen aufgeteilt werden.
Haben alle Stämme ihre Decks leer gespielt, wechselt es in die Nachtphase. Hier muss zu Beginn jeder Mensch ernährt werden, in dem jeweils 1 Nahrung abgelegt wird. Für jeden Mensch, der nicht ernährt werden kann, kommt 1 Totenkopf auf das Nacht-Tableau. Der Mensch nimmt dadurch aber keinen Schaden. Anschließend werden die Missionskarten ausgeführt und eine der darauf stehenden Aufgaben muss erfüllt werden. Ist dies nicht möglich, ist die Konsequenz in der Regel ein weiterer Totenkopf auf dem Tableau. Weiter geht es danach mit anderen Karten, die nachtaktive Aktionen aufweisen und ebenfalls abgehandelt werden müssen. Zu guter Letzt wird der nächste Tag vorbereitet, indem der verdeckte und der offene Ablagestapel verdeckt zusammengemischt werden und anschließend jeder Stamm wieder einen Teil Karten enthält. Danach startet der nächste Tag.
Spielmaterial aus der Steinzeit?
Das Spielmaterial lässt kaum Wünsch offen. Die Tableaus, die Werkbank und der Friedhof machen durchweg einen sehr stabilen Eindruck. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Plättchen. Die Karten sind mit robustem Leinenabschluss gegen einen schnellen Verschleiß gesichert. Die Marker für Nahrung, Holz und Stein sind aus Holz gefertigt. Die Schachtel ist so ausgelegt, dass alles schnell eingelegt und herausgenommen werden kann. Unterstützt wird die Box dabei durch ausreichend beiliegende Zip-Beutel.
Die Anleitung ist gut gegliedert und beschreibt Schritt-für-Schritt die einzelnen Phasen des Spiels. Hinzu kommen sehr ausführliche, gut bebilderte Beispiele, die für weitere Klarheit sorgen. Das Beiblatt, wobei es sich um ein weiteres 8-seitiges Heft handelt, beinhaltet neben ausführlichen Beschreibungen zum Aufbau von Modulen und Kombinationen der Module noch nähere Erklärungen zu einzelnen Karten. Wer keine Lust zum Lesen hat, kann sich die Regeln unter https://www.hans-im-glueck.de/spiele/Paleo.html auch in einem Video erklären lassen. Was mir einzig an der Anleitung nicht gefällt, ist das Großformat in Größe der Schachtel, da ich es zum schnellen Nachschlagen als zu unförmig empfinde. Jammern auf hohem Niveau, ich weiß.
PALEO war für mich keines dieser Spiele, das mich gleich bei der ersten Vorstellung gefangen hat. Mein Ersteindruck war, dass es ein ähnliches Survival-Optimierungs-Spiel wie ROBINSON CRUSOE ist, welches bei mir zu viele Frustmomente hervorgerufen hat. Trotz seiner nicht zu leugnenden Klasse musste Robinson sich daher bei uns wieder verabschieden und sein Glück, oder in diesem Fall vielleicht eher Unglück, an einem anderen Ort suchen. Viele positive Berichte in den sozialen Medien zu PALEO und der ausdrückliche Wille, meinen lokalen Händler in Corona-Zeiten ausreichend zu unterstützen, haben mich das Spiel dann doch noch kaufen lassen.
Nach dem Regelstudium, das schnell erledigt war, verlief die erste Runde des Spiels bereits ziemlich rund. Es gab zwar kleinere Fragen, im Grunde war das Ablaufprinzip aber schnell verstanden. Leider war das erste Spiel auch ungefähr genauso schnell verloren. Und die zweite Partie ebenfalls. Doch im Gegensatz zu ROBINSON CRUSOE hatte ich bei PALEO nie das Gefühl, dass ich auf Grund von zufälligen Wetterbedingungen oder Zufallskarten vor unlösbare Aufgaben gestellt wurde. Nein, ich wusste nach jeder Partie ein wenig mehr, worauf es bei den Modulen ankam. Ich lernte mit jeder Partie, welche Karten sich im Deck befinden. Ich konnte immer mehr Einschätzen, welche Gefahren lauern und welche Kartenwahl mit welcher Gruppe die besseren Chancen auf Erfolg bieten. Ich bekam ein Gefühl dafür, welche Fähigkeiten dringend benötigt werden und welches Werkzeug den größten Nutzen bringt.
Und dies ist für mich dann auch die große Stärke von PALEO. Das Spiel ordnet sich für mich zwar in eine ähnliche Gruppe wie ROBINSON CRUSOE ein, vom Spielgefühl und der Steuerung der Ereignisse gefällt es mir aber deutlich besser, da es fairer ist. Nachdem ich den Mechanismus verstanden hatte und mir klar war, welche neuen Karten durch die Module ins Spiel kommen, war das Abwägen von Chancen und Gefahren deutlich machbarer. Was mir allerdings nicht ganz gefällt, ist der Glücksfaktor über das Auswürfeln von benötigten Ressourcen. Dies haben wir für uns dadurch gelöst, dass wir beim Auswürfeln der benötigten Ressourcen beide Würfel werfen und nur ein Würfel bezahlt werden muss. Werden beide Würfel gewürfelt, dürfen beide Würfel noch einmal neu gewürfelt werden. Das ist aber alles, was für mich ein bisschen zu sehr nach Zufall geht. Der Rest ist für mich eine fesselnde Mechanik.
Es stellt für mich kein Problem dar, dass die ersten 1-2 Partien bei neuen Modulen in der Regel zunächst zum Kennenlernen der neuen Karten benötigt werden und oft krachend verloren gehen. Mit jeder neuen Partie wird der Aufbau des eigenen Stammes an die Anforderungen der Module angepasst und die Auswahl der Karten fällt in jeder Runde ein wenig leichter, da ungefähr bekannt ist, wie hoch die Gefahr bei welcher Kartenart ist. Das Spiel ist allerdings alles andere als vorhersehbar, da jede Kartenart auch ihre ganz persönlichen Gefahren bereithält. Der größte Glücksfaktor bleibt das Ziehen der eigenen Gruppe zu Beginn. Wer im Spiel zu zweit mit 2 Wächtern und 2 Suchern beginnen muss, wird wahrscheinlich anders agieren müssen als eine Gruppe mit 2 Kriegern, 1 Handwerker und 1 Sucher. Doch mit den passenden Ressourcen lassen sich fehlende Fähigkeiten durch Werkzeuge ergänzen und die Gruppe kann (und muss) erweitert werden. Die Aufgaben zum Ende einer Runde sind in der Regel zu lösen und irgendwann ist der Stamm so weit ausgebaut, dass man All-In gehen kann und nur noch auf die fehlenden Höhlenmalereistücke geht, während die Ziele zum Ende des Tages vollkommen außer Acht gelassen werden können.
Durch den modularen Aufbau von PALEO kann der Schwierigkeitsgrad gut auf die Spielenden abgestimmt werden. Durch das offene Spielen der Karten und die offene Auswahl des Kartentyps können auch jüngere oder weniger erfahrene Spieler:innen auf die Reise in die Steinzeit mitgenommen werden, wenn erfahreneren Spieler:innen ihnen beratend zur Seite stehen. Meine anfänglichen Bedenken bei PALEO sind in der Nachbetrachtung somit unbegründet gewesen. Es gehört für mich nach dem Durchspielen der Module zu den großen Neuveröffentlichungen im Jahr 2021. Mit seiner leicht zu verstehenden Mechanik hat es mich schon viele Stunden gefesselt und für großen Spielspaß gesorgt. Und wenn ich zusätzlich noch etwas fürs Leben gelernt habe, dann dass die Jagd auf Mammutnachwuchs zum Überleben des eigenen Stammes gut überlegt sein will!
Bilder zum Spiel
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