Test | Rallyman GT
Benzingeruch liegt in der Luft und ohrenbetäubende Motorengeräusche lassen die Gesichter der begeisterten Zuschauermenge erstrahlen. Runde um Runde drehen die Autos ihre Bahnen auf der Strecke durch die Stadt und um sie herum. Wer viel riskiert, kann den nötigen Sekundenvorsprung herausfahren und wird als erster die Ziellinie erreichen. Doch Vorsicht! Ein Unfall, und du bist aus dem Rennen!
Das vorliegende Rezensionsexemplar von RALLYMAN GT (2020) habe ich selbst bei Kickstarter finanziert.
Bleifuß auf nassem Asphalt
In RALLYMAN GT fahren die Spieler ein Rennen über drei Runden eines ausgewählten Parcours. In der Grundregel allerdings nicht Rally-typisch gegen die Zeit, sondern in direkter Konkurrenz gegen die anderen Spieler.
Es wird gedrängelt, überholt und blockiert. Jeder versucht, die ideale Linie zu finden, um möglichst weit nach vorne zu kommen und schließlich als erster über die Ziellinie zu fahren. RALLYMAN GT ist eine Neuinterpretation und der offizielle Nachfolger des damaligen RALLYMAN von 2009.
Das Gesetz der Straße
Ziel des Spiels ist es, sein eigenes Fahrzeug als erster über die Ziellinie zu fahren, um damit das Rennen zu gewinnen.
Die Spielreihenfolge ergibt sich jeweils aus den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge aus der vorherigen Runde. So startet immer derjenige Spieler, der die letzte Runde im höchsten Gang beendet hat. Gleichstände werden von der relativen Reihenfolge auf der Strecke aufgelöst.
Wer an der Reihe ist, plant seinen Kurs durch die Kurven und Gegner. Dazu gibt es sechs verschiedene Gang- und zwei Gas-Würfel. Für jedes befahrene Feld auf der Strecke wird ein Würfel benötigt. Dabei dürfen sich aufeinanderfolgende Würfel um maximal einen Gang unterscheiden. Beendet ein Spieler einen Zug beispielsweise im dritten Gang, darf er den nächsten im zweiten, dritten oder vierten starten und für die nächsten Felder weiter die Gänge hoch- bzw. herunterschalten. Die Gas-Würfel ermöglichen es, für ein Feld im selben Gang zu bleiben.
Für die Planung des Zuges müssen Kurven und Gegner mit einbezogen werden. Zum Überholen eines anderen Fahrzeuges wird zwingend der gleiche oder höhere Gang benötigt, den das zu überholende Fahrzeug hat. Beim Durchfahren einer Kurve oder Überfahren einer Kuppe ist auf dem entsprechenden Feld ein Maximalwert aufgedruckt, der nicht überschritten werden darf.
Nach der Planung hat der Spieler schließlich die Wahl, den Zug sicher oder unsicher durchzuführen. Im Falle eines sicheren Zuges wirft er die geplanten Würfel einer nach dem anderen und kann seinen Zug jederzeit abbrechen. Im Falle des unsicheren Zuges müssen alle Würfel gleichzeitig geworfen werden und das Auto fährt danach auf der Strecke voran.
Die Gefahr besteht darin, „!“-Symbole zu würfeln, die auf den Würfeln in unterschiedlicher Anzahl abgedruckt sind. Auf den höheren Gängen sind sie zweimal und auf den niedrigeren Gängen sowie auf den Gas-Würfeln nur jeweils einmal vorhanden.
Wirft der Spieler ein drittes „!“, verursacht er einen Unfall und muss, je nach Streckenabschnitt, unterschiedlich viele Marker aus dem Schadensbeutel ziehen. Diese Marker beschädigen das Fahrzeug, was weniger Würfel für zukünftige Spielzüge bedeutet.
Beim unsicheren Wurf erhält der Spieler bei Erfolg Fokusmarker entsprechend der Anzahl der geworfenen Würfel. Diese Fokusmarker können wiederum in einem sicheren Zug eingesetzt werden, um Würfelwerte zu erkaufen und sich damit weiter abzusichern.
Beendet ein Spieler seinen Zug kurz vor einer Kurve in einem hohen Gang, bietet RALLYMAN GT die Möglichkeit, mit roten Brems-Würfeln Gänge beim Herunterschalten zu überspringen. Diese Würfel enthalten aber jeweils zwei Seiten mit „!“-Symbol. Es ist möglich, wenn auch sehr riskant, vom fünften Gang mit drei Brems-Würfeln in den ersten zu schalten und darauf mit dem zweiten, dritten, etc. Gang voll durchzustarten.
Wer am Zug war, markiert mit einem Plättchen den aktuellen Gang des Fahrzeugs. Das Plättchen dient mit seiner schwarzen/weißen Seite gleichzeitig dazu, anzuzeigen, ob es in der entsprechenden weißen/schwarzen Runde bereits bewegt wurde.
Am Rundenende wird das wiederum schwarz/weiße Rundenplättchen auf die andere Seite gedreht und der Spieler im höchsten Gang fängt wieder an.
Ab in die Garage
An der Qualität des Spielmaterials gibt es nichts auszusetzen. Die Sechseckplättchen der Streckenabschnitte sowie alle Marker im Spiel sind aus dicker Pappe. Die Karten, die die Reifenart vorgeben, sind groß und übersichtlich gestaltet. Die Anleitung ist gut strukturiert und die erforderliche Passage ist bei Regelfragen schnell gefunden.
Ein Inlay fehlt der Schachtel leider völlig. Vor allem die Aufgabe, das komplette Material des Grundspiels sowie aller Erweiterungen in einer Schachtel unterzubringen, stellt einen vor eine große Puzzleaufgabe. Eine größere Schachtel mit einem Inlay zum Sortieren der Strecken hätte ich mir doch sehr gewünscht!
Eine kostenlose App bietet die in den Anleitungen vordefinierten Strecken nochmals digital an. Außerdem ist die Tabelle für das Solorennen (s.u.) in digitaler Form enthalten.
Einzug der Oldtimer mit den GT4- und GT5-Erweiterungen
Der Kickstarter hat viele Erweiterungen geboten, die ich alle mit unterstützt habe. Zwei davon waren neue Fahrzeuge der Klassen GT4 und GT5, die jeweils eine neue Fahrzeugklasse für jeden Spieler bieten.
Der grundlegende Unterschied zu den GT6 Fahrzeugen aus dem Grundspiel ist, dass sie mit nur vier bzw. fünf Gang-Würfeln auskommen müssen. Die GT4 Fahrzeuge bieten dafür aber einen dritten Gas-Würfel und die GT5 Fahrzeuge einen grünen Beschleunigungs-Würfel, der es erlaubt, beim Hochschalten, ähnlich den roten Brems-Würfeln, einen Gang zu überspringen.
Teamwork auf der Straße
Die nächste Option bietet die Teamwork Erweiterung. Sie enthält neben weiteren Streckenabschnitten auch zusätzliche GT6 Fahrzeuge in den Spielerfarben. Die Spieler können nun in Zweierteams oder mit jeweils zwei Fahrzeugen gegeneinander antreten. Sieger ist nun nicht mehr zwangsläufig das Fahrzeug, das zuerst die Ziellinie überquert, sondern das Team, das es schafft, zuerst komplett im Ziel anzukommen.
Rennstrecken der Welt: Die World-Tour-Erweiterung
Die letzte Erweiterung bietet noch einmal mehr Streckenabschnitte, so dass nun auch real existierende Strecken nachgebaut werden können. Leider bilden diese nicht zu 100% den Streckenverlauf der echten Rennbahn ab. World-Tour erweitert aber die Möglichkeiten des Streckenbaus enorm.
Allein auf weiter Flur
RALLYMAN GT bietet, wie es scheinbar heutzutage üblich ist, einen Spielmodus für Einzelkämpfer an. Dieser Spielmodus funktioniert im Grunde wie das ursprüngliche Spiel Rallyman. Der Spieler verbraucht eine gewisse Zeit vom Start bis zum Ziel und diese Zeit sollte möglichst klein ausfallen. Nach jedem Zug wird in einer Tabelle vermerkt, in welchem Gang die Runde beendet wurde. Nach dem Ende des Rennens werden die Werte der Tabelle addiert und es ergibt sich eine Gesamtzeit.
Der erste Gang steht dabei für einen Zeitverlust von 0:50, der zweite von 0:40, usw. bis zum sechsten, der nur noch 0:10 verbraucht. Jeder gesammelte Fokus-Marker ist dann noch einmal minus eine Sekunde Wert.
Dieser Modus wird in der Anleitung auch für die Bestimmung der Reihenfolge für das eigentliche Rennen vorgeschlagen. Der Spieler mit der schnellsten Einführungsrunde erhält die Pole-Position, ganz wie in der Realität…
Der Vergleich zum Ursprung
RALLYMAN GT macht ein paar Dinge anders als die Version aus dem Jahr 2009. Die elf Jahre zwischen den Spielen wurde genutzt, um ein paar Verbesserungen einfließen zu lassen.
Die offensichtlichste Änderung ist die sehr hohe Variabilität des neuen Streckenaufbaus. War man früher mit Din-A-4 großen Platten beschäftigt, auf denen jeweils ein großer Abschnitt des Streckenverlaufs vorgegeben war, erhält man in GT die Möglichkeit jede Kurve individuell zu definieren.
In der ursprünglichen Version fuhren die Spieler zwar auf derselben Strecke, doch sie fuhren mit einer Runde Abstand zum jeweiligen Vorgänger. Ein Überholen fand zwar in seltenen Fällen statt, war aber nicht die Regel. Jeder Spieler ermittelte individuell seine Streckenzeit und der Spieler mit der geringsten wurde zum Sieger erklärt. In der neuen Fassung hingegen fahren alle Spieler gleichzeitig und versuchen lediglich, als erster ins Ziel zu kommen. Dies steigert die Interaktion zwischen den Spielern, was dem Spiel ganz guttut.
Der sechste Gang-Würfel ermöglicht es, ein weiteres Feld weit zu ziehen, und die Brems- und der Beschleunigungswürfel sind ebenfalls neu hinzugekommen, die mehrfaches hoch- und herunterschalten innerhalb eines Zuges erlauben.
Die Strecke besteht nun generell aus zwei bzw. drei Spuren, um ein Überholen und nebeneinander sein zu ermöglichen. Das Wetter ändert sich nun nicht mehr beim Erreichen eines bestimmten Streckenabschnittes, sondern beim zufälligen ziehen eines Wetterplättchens aus dem Unfallbeutel.
Gleich geblieben sind die verschiedenen Reifenarten, die während des Rennens auch getauscht werden können. Kleinigkeiten wie SISU Marker, Soft-Tires und Crash Marker, die es ursprünglich, wenn überhaupt, nur als Promo gab, sind hier Kickstarter-Exklusiv-Material.
Tags: 45-60 Minuten, 1-6 Spieler, Press Your Luck, Autorennen