TEST // Der Herr der Träume
Was in Kinderzimmern so alles los ist, wenn die Kinder friedlich schlummern, dürfte spätestens seit Pixars „Toy Story“ klar sein. Und spätestens seit „Monster AG“ ist ebenfalls bekannt, dass unheimliche Kreaturen in Kinderträumen mitnichten nur blumigen Fantasien entspringen. Und wer „Der Herr der Träume“ spielt, steckt mitten in derartigen Abenteuern drin, anstatt sie nur auf dem Bildschirm anzusehen.
Asmodee hat uns freundlicherweise ein Exemplar von „Der Herr der Träume“ zur Verfügung gestellt, damit wir uns für euch mit den Stoffis verbünden und einem kleinen Mädchen einen ruhigen Schlaf und ein friedvolles Leben sichern konnten.
Taucht ein in die Träume und sorgt für einen ruhigen Schlaf
“Der Herr der Träume“ ist ein kooperatives Spiel, in dem bis zu 4 Spieler in die Rolle von Stofftieren schlüpfen, die in der Geschichte liebevoll Stoffis genannt werden und den Schlaf eines kleinen Mädchens beschützen. Gespielt werden 7 Geschichten, die jeweils in einzelne Kapitel unterteilt sind. Der Clou beim Spielen der einzelnen Kapitel ist, dass der Spielplan auf der linken Seite des dicken Geschichtenbuchs abgebildet ist und auf der rechten Seite die Informationen und Ereignisse stehen. Sobald ein Ziel erreicht wurde und es zum nächsten Kapitel weiter geht, werden die Spielfiguren von der Seite genommen und es wird zur angegebenen Seite umgeblättert und dort weitergespielt.
Die Spielmechanik selbst ist ziemlich simpel gehalten und richtet sich zweifelsohne vor allem an die jüngeren Familienmitglieder. Bei Kämpfen gibt es keine allzu großen, taktischen Anforderungen. Gegner haben in der Regel nur 1 Lebenspunkt und sind von daher beim ersten Treffer, der Schaden verursacht, besiegt. Ausnahmen sind die Bossgegner, die so viele Lebenspunkte haben, wie Stoffis im Spiel sind. Bei einem Angriff wird ein sechsseitiger Würfel gerollt und der Bonus der Waffe hinzuaddiert. Übersteigt dieser Wert den Rüstungswert des Gegners, ist er besiegt. Bei der Stoffi-Verteidigung wird ein fixer Angriffswert des Gegners genommen und falls der Stoffi einen Würfel zur Verteidigung hat, kann er diesen werfen und das Ergebnis zu einem evtl. Rüstungswert hinzuaddieren. Ist sein Ergebnis größer oder gleich dem Angriffswert des Gegners, passiert nichts.
Würfel bekommen die Stoffis jeweils zu Beginn ihres Zuges. Ganze 5 an der Zahl werden aus dem Würfelbeutel gezogen. Je nach Farbe können diese unterschiedlich eingesetzt werden. Weiße Würfel können genutzt werden, um vor den Aktionen frische Watte zu erhalten, was den Lebenspunkten der Helden entspricht. Rote Würfel können für Nahkampfangriffe genutzt werden, grüne Würfel für Fernkampf. Vorausgesetzt, der Stoffi ist mit der entsprechenden Waffe ausgerüstet. Pinke Würfel dienen als Joker und können für jede Aktion genutzt werden. Blaue Würfel dienen in der Regel nur zum Bewegen, wozu alle anderen Farben außer Schwarz ebenfalls genutzt werden können. Die schwarzen Würfel gehören den Gegnern und müssen direkt zur Seite gelegt werden, wenn sie ein Spieler aus dem Beutel zieht. Sobald auf diesem Weg mindestens so viele Würfel aufgedeckt wurden, wie Stoffis im Spiel sind, wird ein Bedrohungseffekt abgehandelt. Sollten bereits Gegner im Spiel sein, greifen diese an, wenn die Anzahl der Würfel mindestens der Anzahl der Gegner entspricht. Solange weniger schwarze Würfel als Gegner ausliegen, bleiben Gegner auf dem Spielfeld zunächst inaktiv.
Das Hauptaugenmerk des Spiels liegt in erster Linie in der Erzählung seiner Geschichten. So gibt es bei jedem Abenteuer eine sehr ausführliche und stimmungsvolle Einleitung und am Ende einen nicht weniger kurzen Ausklang. Wer möchte, kann seinen Kindern noch ein paar lehrreiche, pädagogisch wertvolle Anregungen vorlesen, die vom weisen Helden Mr. Pieks niedergeschrieben sind. Doch auch während der einzelnen Kapitel wird großer Wert daraufgelegt, dass die Figuren nicht einfach nur stupide Aufgaben zu erledigen haben, sondern stets die Geschichte weitererzählt wird und neue Bedrohungen zu bestehen sind. Dabei gibt es nicht immer nur einen Lösungsweg, sondern unterschiedliche Ansätze, die durchaus auch zu unterschiedlichen Kapiteln im Buch führen können.
Alptraummaterial oder ein Traumwunderland
Das Spielmaterial macht einen sehr guten Eindruck. Vor allem das umfangreiche Abenteuerbuch im Ringbuchformat mit seinen stabilen Seiten sticht gleich äußerst positiv ins Auge. Die Zeichnungen sind wunderbar anzusehen und machen es sehr leicht, in die Spielwelt einzutauchen. Die Miniaturen tragen ihren Teil dazu bei, da sie nicht nur stabil sind, sondern zudem auch liebevoll und detailvoll gestaltet wurden. Die Heldentafeln fallen für meinen Geschmack ein wenig zu dünn aus und hätten gerne aus etwas festerem Material sein dürfen.
Die Karten im Spiel, die u.a. verschiedene Schlafzustände des kleinen Mädchens, Zufallsbegegnungen mit verlorenen Stofftieren, Monsterkarten und Ausrüstung zeigen, sind robust und nicht zu letzte dank Leinenabschluss wenig anfällig. Es gibt noch einige Marker und Tafeln aus Pappe, Knöpfe (die Währung im Spiel) aus Plastik sowie 35 Würfel, die im beiliegenden Würfelbeutel aus Stoff verstaut werden können. Die Spieleschachtel ist weitgehend gut gefüllt und bietet bereits auf dem Deckel ein schön gezeichnetes Motiv zur Einstimmung und als Kaufanreiz für das Spiel. Die Anleitung ist übersichtlich gehalten, mit einigen Beispielen und Bildern versehen und schafft es weitgehend, alles plausibel zu vermitteln.
Eines gleich vorweg, wer auf epische Abenteuer aus ist und taktische Kämpfe erwartet, hat bis hierhin leider vergeblich gelesen. Die taktische Tiefe von „Der Herr der Träume“ ist relativ flach. Die Kämpfe benötigen nicht allzu viel strategisches Geschick und die Rätsel sind weitgehend harmlos. Allzu viel Freiheiten beim Lösen der Aufgaben gibt es nicht, in der Regel stehen 1-2 Möglichkeiten zum Weiterkommen zur Verfügung. Das Herangehen an die Kämpfe beschränkt sich darauf abzuschätzen, ob man aus der Kombination Würfel + Waffenbonus eine reelle Chance hat, den Rüstungswert des Gegners zu erreichen. Vielleicht noch durch den Einsatz einer Spezialfähigkeit. Das war es dann aber auch. Der Rest des Spiels setzt sich weitgehend aus dem Aufdecken von interessanten Stellen, Zufallsmomenten mit vergessenen Stofftieren und dem Lösen von Gruppenaufgaben durch das Sammeln von Würfeln zusammen. Für reifere Semester wird das spielerisch sicherlich nicht erfüllend sein.
Aber das Spiel richtet sich in erster Linie auch nur an die Erwachsenen, die das Spiel zusammen mit ihren Kindern spielen, um mit ihnen Abenteuer voller Fantasie zu erleben, in einer Welt, die der Fantasie der Kleinen sicherlich nicht ganz fremd ist. Durch die sehr fantasievoll erzählten und wunderbar illustrierten Geschichten kann man sich durchaus in der Welt verlieren und trotz fehlender Tiefe auch als Erwachsener seine Freude an dem Spiel haben. Wer sich nicht zu alt fühlt, um Disney- oder Pixar-Filme wie „Toy Story“ oder „Peter Pan“ anzuschauen, dabei nicht gelangweilt abschaltet, sondern Spaß dabei empfindet, in diese Welten einzutauchen, für den wird auch „Der Herr der Träume“ sicherlich seinen Reiz entfalten können.
Ein paar kleinere Kritikpunkte gibt es dann allerdings doch. So ist die Spielzeit für ein Abenteuer mit rund 2-3 Stunden relativ lang. Prinzipiell wäre eine Unterbrechung zwischen den Kapiteln möglich, doch wäre das Weiterspielen ab diesem Punkt an einem anderen Tag, wie einen Film in mehreren Teilen anzuschauen. Wie bei einem Film, würde dies die Wirkung der Geschichte deutlich schmälern, da vieles an Emotionen und Erzählfluss verloren gehen würde. Je nach Zusammenstellung der Spieler kann es zudem auch sein, dass manch einer zu längerem Überlegen neigt. Wie etwa, wenn eine beliebige Karte mit einem speziellen Stichwort aus dem Ausrüstungsstapel genommen werden darf. Außerdem fand ich es auch ein wenig ungeschickt, dass sämtliche Stationen eines Kapitels direkt auf der Seite zu sehen waren und selbst, wenn man versucht, nicht zu spicken, liest man doch immer mal wieder Teile, aus denen man erfährt, wie es später weitergeht.
Es ist auch nicht unbedingt eine gute Idee, wie in den Regeln vorgegeben, dass jeder der Reihe nach vorliest, da besonders bei noch ungeübten Lesern die Geschichte dadurch deutlich an Reiz verliert. Ich kann von daher nur empfehlen, dass der beste Leser, der die unterschiedlichen Charaktere am ehesten mit Leben füllen kann, diese Rolle beibehält. Spieltechnisch macht dies kaum einen Unterschied, der Stimmung der Geschichte bringt es dafür große Vorteile. Und letzten Endes ist „Der Herr der Träume“ vor allem eine große, fantasievoll erzählte Geschichte, die junge Familienmitglieder komplett faszinieren dürfte, aber auch so manchen Erwachsenen zumindest kurzweilige unterhält, nicht zu Letzt auf Grund der liebenswerten Charaktere und der fantasievollen Geschichten.
Wer mit dem Familienambiente des Spiels nichts anfangen kann, das Konzept mit dem Abenteuerbuch aber sehr spannend findet, kann sich freuen. Für das 3. Quartal hat Asmodee angekündigt, mit „Komanauten“ auch die erwachsene Variante des Spielprinzips in deutscher Lokalisierung in den Handel zu bringen. Ob es an die erzählerische Klasse von „Der Herr der Träume“ anknüpfen kann und dazu noch spielerische Tiefe mit in die Waage wirft, werdet ihr höchstwahrscheinlich dann auch an dieser Stelle nachlesen können!
Bilder zum Spiel