Test | Atiwa

Test | Atiwa

Atiwas? Vielleicht liegt es einfach nur an einem Mangel an Allgemeinwissen, dass mir der afrikanisch anmutende Titel "Atiwa" und der auf dem Cover abgebildete Flughund mitsamt Orangenfrucht so gar nichts sagen will? Der erste Blick auf die Schachtel ließ mich also mit vielen Fragen und einem dummen Gesicht zurück - dann lieber erstmal ein anderes Testexemplar anschauen und dieses hier zurückstellen, dachte ich mir. Doch das im Lookout Spieleverlag veröffentlichte Spiel enthält auf jeden Fall mehr, als der erste Blick vermuten lässt - soviel darf schon einmal verraten werden. Ob es mich nun wieder und wieder an den Tisch holt, erfahrt ihr in diesem neuen Test. 

 info

Das Spiel wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf die Bewertung hat dies keinen Einfluss!

 

 

 

Das Thema

Ich habe nicht schlecht gestaunt als ich neben dem üblichen Spielregelheft auch ein beiliegendes kleines Sachbuch fand, welches uns das Thema des Spiels näher bringen soll. Positiv überrascht und voller Neugier habe ich dieses kleine Beiheft praktisch inhaliert, da derlei Beigaben absolut nicht üblich sind, vor allem nicht bei modernen Worker-Placement Spielen. Sehr liebevoll beschreibt Uwe Rosenberg über seine sehr ausführlichen Recherchen zum Thema "Flughunde forsten afrikanische Wälder auf". Hier erfuhr er von der Atiwa Range, einer Hügelkette, die ein Waldschutzgebiet ist. Flughunde, die weite Strecken überwinden, tragen in dieser Region dadurch, dass sie die gefressenen Samen von Orangen- und anderen Bäumen wieder ausscheiden, zu einen bemerkenswerten Anteil zur Wiederaufforstung der Region bei. Ein Spiel basierend auf "wahren Begebenheiten" könnte man also sagen. "Atiwa" entführt uns in eine wahre Geschichte, die Uwe Rosenberg hier mithilfe seiner bewährten aber auch einer Reihe neuer Spielmechanismen in diesem Kennerspiel nacherzählt.

 

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So geht’s

In klassischer Besetzung können wir mit bis zu vier Teilnehmern (und auch solitär) unser Dorf innerhalb der Atiwa Range errichten. Zu Beginn legen wir unser längliches Spielertableau vor uns aus und bestücken dieses mit einer Vielzahl von Figuren und Plättchen. Dazu gehören Ziegen, Dschungeltiere, Früchte, Bäume und Familien. Unter dem Tableau entsteht dann Schritt für Schritt ein zweizeiliges und vierspaltiges Spielfeld, in dem sich bereits ein Ortskärtchen „Dorf“ befindet. Orts- und Landschaftskärtchen zeigen uns an, welche Figuren und Plättchen (die zusammengenommen einfach als Marker bezeichnet werden) wir hier platzieren dürfen. Marker befinden sich immer entweder auf dem Tableau, oder auf den eben beschriebenen Plättchen. Hiervon ausgenommen sind Gold und Flughunde, die beim Zurücklegen wieder im Vorrat landen und außerdem in ihrer Zahl niemals begrenzt sind.

 

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Gespielt wird über sieben Runden, in denen wir reihum einen unserer drei Arbeiter einsetzen. Die Zahl der Arbeiter bleibt dabei im gesamten Spielverlauf gleich. Die Anzahl der wählbaren Aktionsfelder auf dem Spielplan in der Mitte hängt davon ab, wie viele Personen am Tisch sitzen. Die Felder lassen uns in erster Linie neue Marker nehmen und verteilen - dies ist der Kernmechanismus von "Atiwa".

Wir müssen aber auch immer wieder neue Orts- und Landschaftskärtchen nehmen, um Platz für neue Marker zu schaffen, denn ansonsten beginnt die Expansion zu stagnieren. Bestimmte Marker können dabei übereinander gestapelt werden, um Platz zu sparen. So können Früchte und Flughunde nicht nur allein auf einem Feld liegen, sondern auch auf Bäume und "geschulte Familien" in ihren Wohnhäusern gelegt werden. Möglichst viele Flughunde bei uns unterzubringen, eröffnet uns einen hübschen Vorteil: immer nach einer regulären Einsetz-Aktion können wir so außerdem eine Flughund-Bonusaktion ausführen. Dabei setzen wir drei unserer Flughunde auf die Plätze unserer Flughund-Nachtkarte und diese verzehren dann genau einen unserer Obstmarker, wofür wir kostenlos einen Baum von unserem Tableau auf einen freien geeigneten Platz auf unseren Landschaftskärtchen legen können. Das möchte man so oft machen wie irgendwie möglich, denn zum Spielende bringt so ziemlich jeder eingesetzte Marker zusätzliche Punkte.

 

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Hat jeder von uns seine 3 Arbeiter eingesetzt, gibt es eine Rundenwertung, in der wir Einkommen erwirtschaften, die Buschtiere, Bäume und Früchte sich vermehren und die Flughunde von der Nachtkarte zu uns zurückkehren sofern der Platz dafür ausreicht. Familien, die unser Dorf bewohnen, müssen ernährt werden und es findet eine Art Bonusvermehrung statt, abhängig von der aktuellen Rundenzahl. Beim Einkommen schürfen einfache Familien Gold und geben uns ungewisses Einkommen. Leider verschmutzen sie dadurch aber auch Plätze unserer Landschaftskärtchen, die wir dann für den Rest unseres Spiels nicht mehr nutzen können. Geschulte Familien hingegen erwirtschaften ein konstantes Einkommen von einem Gold, womit sich wesentlich besser planen lässt. Bei der Ernährung generieren Ziegen eine dauerhafte Nahrungsversorgung, zusätzlich können wir den Bewohnern fast alles servieren, was sich als Nahrung zubereiten lässt. Abhängig von der Markerart erhalten wir dabei unterschiedlich viele Nährwerte. Können wir nicht alle Familien ernähren, gibt es Minuspunkte.

Nach 7 Runden endet "Atiwa" und es wird mithilfe eines Wertungsblocks geprüft, wie gut wir in den unterschiedlichen Kategorien abgeschnitten haben. Wer dann die meisten Punkte erwirtschaftet hat, gewinnt das Spiel.

 


thorben meinung

 

"Atiwa" ist als Kennerspiel eingestuft und füllt diesen Platz meiner Meinung nach wirklich gut aus. Es gibt auf jedem Fall seichtere Kennerspiel-Vertreter, die mit weniger Spielmaterial, weniger Wahlmöglichkeiten bei den Aktionen und ebenfalls weniger kleinteiligen Regeln auskommen. Aber alles lässt sich bei "Atiwa" wirklich gut handhaben, da jedem Spieler vier wirklich gut gestaltete Rundenablauf-Hilfen zur Verfügung stehen. Diese sind nicht überladen und bringen auf den Punkt, wann was passiert, wodurch man sich bereits in den ersten Partien sehr gut auf das eigentliche Geschehen und das Abwägen nützlicher Aktionen konzentrieren kann. Auch wenn einige Aktionsfelder beliebter sind als andere, hatten wir nie das Gefühl, uns nur mit einer Trost-Aktion begnügen zu müssen. Es stehen immer ausreichend sinnvolle Möglichkeiten zur Verfügung, die wiederum gut mit anderen Aktionen zusammen passen. "Atiwa" ist beileibe kein Mangelspiel, die Probleme der Verschmutzung unserer Plättchen und die eventuell mangelnden Ernährung lassen sich sehr gut kontrollieren und fallen damit nicht zu sehr ins Gewicht. Gefühlt geht es immer nur nach vorn: alles wird mehr, alles wird immer größer. Dabei ist das Spiel in bester Weise verzahnt, ganz so wie man es von einem Rosenberg-Spiel kennt.

 

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Vor allem hat mir aber gefallen, wie viele der Mechaniken einer Logik folgen, die den genauen Geschehnissen in Ghana entsprechen. Genau das ist für mich persönlich auch tatsächlich das Highlight des Spiels. Es fühlt sich alles sehr lebendig an und lässt für mich ein positives Spielgefühl entstehen. Auch wenn wir uns nicht wirklich vor Ort befinden und uns nicht selbst um die Wiederaufforstung kümmern: Das entsprechende Gefühl transportiert das Spiel ganz wunderbar. Nach wenigen Partien zeichnet sich jedoch das ab, was sich schon während der ersten Partie erahnen lässt: Sehr große Abweichungen nach links oder rechts lässt das Spiel gar nicht zu. Das ist aber für das, was das Spiel sein möchte, vollkommen in Ordnung und ist ideal dafür, das Spiel immer mal wieder, aber eben nicht ständig auf den Tisch zu bringen. Die Regeln sind vorbildlich geschrieben, das Holz- und Pappmaterial ist hochwertig und griffig und daher vermutlich sehr langlebig. Abzug in der B-Note gibt es trotzdem: "Atiwas" Spielertableaus haben wir auch in anderen Spielen schon in ähnlicher Form gesehen und da es sich um keine Double-Layer Boards handelt, ist die Gefahr relativ hoch, durch Stöße alles zu verrutschen. Die vorhandene Restmenge an Markern auf dem Board macht es aber relativ leicht nachzuvollziehen, wo alles wieder hin gehört. Schade ist auch, dass die Verschmutzungsthematik keine größere Rolle spielt. Zumindest eine Regelvariante hätte ich mir gewünscht, die geübtere Spieler dazu zwingt, sich mit diesem „gegen das Spiel“ Aspekt intensiver zu befassen. Hier wünsche ich mir sehr eine Erweiterung, die den Spielern mehr Steine in den Weg legt, vielleicht auch mit unterschiedlichem Handicap, um so den Wiederspielreiz vor allem für geübtere Spieler zu erhöhen - vor allem, da anzunehmen ist, dass Uwe’s Fanbase vorrangig aus Spielern besteht, die Anspruchsvolleres gewohnt sind.

 

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"Atiwa" dürfte einer recht großen Schnittmenge von Spielerinnen und Spielern gefallen. Mögt ihr Tiere? Mögt ihr Nachhaltigkeit als Thema im Brettspiel? Habt ihr gerade die ersten Einstiegs-Kennerspiele kennengelernt und lechzt nun nach mehr? Oder seid ihr einfach nur Rosenberg-Fan? Wenn ihr mindestens eine dieser Fragen mit "Ja" beantworten könnt, solltet ihr das Spiel in jedem Fall mal ausprobieren. Zumal ihr es auch lange liegen lassen könnt und dank des vorbildlichen Regelwerks, der Hilfen und der gut gewählten Ikonographie dann trotzdem schnell wieder ins Spiel findet. "Atiwa" hat mich sehr positiv überrascht, nur würde ich mir hier in größerer Besetzung wie zuvor beschrieben mehr Abwechslung wünschen. Ich freue mich zudem schon auf die Solo Herausforderungen, die an dieser Stelle noch ungetestet sind. Solitärspieler dürfen das Spiel in jedem Fall nochmal neu erleben, da auf bestimmte Vorgaben gespielt werden muss und dadurch ein interessantes Puzzlespiel entstehen dürfte.

 

Anmerkung: Dieser Artikel wurde inhaltlich nachträglich geändert, da ich fälschlicherweise annahm Uwe Rosenberg wäre persönlich in Ghana gewesen, tatsächlich jedoch war er nicht dort sondern war durch das Lesen eines entsprechenden Artikels persönlich motiviert ein Spiel zu dem Thema zu kreieren. Darüber hinaus hat er auch intensiv an einem Sachbuch zu diesem Thema gearbeitet welches in dem erklärenden Begleitheft beworben wird und Ende 2022 ebenfalls im Lookout Verlag erschienen ist.

 

wertung

 

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Tags: 1-4 Personen, Workerplacement, Kennerspiel

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