INTERVIEW // Friedemann Findeisen (Cantaloop)

INTERVIEW // Friedemann Findeisen (Cantaloop)

In den letzten Wochen haben wir uns verstärkt CANTALOOP gewidmet, dem shooting star des diesjährigen Spielejahrgangs. Neben dem Podcast, bei dem wir über das Spiel, seine Mechanismen und Story gesprochen haben, gab es auch bereits die Rezension zum Spiel.

Den Abschluss der „Cantaloop Wochen“ bildet nun das Gespräch mit dem Designer des Spiels, Friedemann Findeisen. Hier gibt er Einblicke in den Entwicklungsprozess des Spiels, welche Änderungen Teil zwei und drei beinhalten werden und er gibt einen kleinen Ausblick, wie es nach der bereits angekündigten Trilogie weiter geht.

 

Zauberer, Redner, Songwriter, Produzent, Coach, Buchautor, eigener YouTube Kanal, Musiker…Spieledesigner, ich glaube man kann dich als echten Tausendsassa bezeichnen. Wie kam es bei Dir dazu, dass Du Dich bei so vielen unterschiedlichen Aktivitäten nicht nur ausprobierst, sondern dich dauerhaft so einem breiten Spektrum widmest?

Das klingt schon abenteuerlich das so aufgelistet zu sehen, aber in meinem Kopf dient es alles den selben drei Zielen: Produkte kreieren, Fähigkeiten entwickeln und Menschen helfen. Wenn ich nicht kreiere, werde ich rastlos. Wenn ich nicht lerne, fühle ich mich leer. Und wenn ich nicht helfe, fühle ich mich undankbar. Gute Dinge passieren, wenn ich es schaffe, alle drei zu kombinieren. 

Für viele klingt so ein Lebenslauf unfokussiert, und wenn man sich über seinen Beruf definiert ist das auch so. Nur definiere ich mich nun mal nicht über meinen Beruf, sondern über meine Ziele. Und die versuche ich mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, zu erreichen - da ist es irrelevant, ob das Tool Musik, Film, Kartentricks, Stories, Spielmechanismen oder Sprache ist.

 

Was waren Deine Anfänge beim entwickeln von Brettspielen? Wie bist Du dazu gekommen?

Ich habe schon als Kind Brettspiele nachgebaut. Da wäre zum Beispiel eine Version von Bäumchen Schüttel Dich. Oder Das Schwarze Auge, das bei mir Imagine hieß - natürlich mit kruden Illustrationen von vielen sehr coolen Monstern und sehr vielen sehr coolen Laserkanonen. 

Als Teenager hat dann ein guter Freund seiner Freundin einen Monopoly-Klon gebastelt und da bin ich zum ersten mal auf die Idee gekommen, selbst ein Spiel zu entwickeln. Daraus wurde dann ein Roll & Move Spiel, bei dem man seine Nachbarn möglichst fies ärgern musste. Damals war das aber wirklich nur zum Spaß, ich hatte nie vor, das irgendwie zu veröffentlichen, aber das Feedback meiner Freunde war schonmal positiv. 

Ein gutes Jahrzehnt später, als ich den YouTube Channel Tabletop für mich entdeckte kam bei mir die Begeisterung für Brettspiele wieder auf, und ich designte mein erstes Spiel, bei dem ich auch daran dachte, es zu veröffentlichen.

 

Wieso hast Du Dich dem Genre Point & Click gewidmet? Hattest Du diese Art von Spiele früher selbst gespielt und ein Faible dafür?

Hinter dir, ein dreiköpfiges Ja! Meine ersten Spiele am PC waren Lernspiele mit Point & Click Elementen. Die meisten davon kennt kein Schwein, außer vielleicht noch Fritzi Fisch (übrigens vom Monkey Island Schreiber Ron Gilbert). Erst viel später kam ich dann zu Monkey Island, Leisure Suit Larry, Grim Fandango & co. Für meine eigene Spielereihe habe ich aber so ziemlich jedes Adventure gespielt, das ich finden konnte. 

Cantaloop startete sogar als klassisches PC Point & Click - ein Studentenprojekt, bei dem leider niemand die Deadlines eingehalten hat. Irgendwann hab ich das Projekt in die Tonne getreten und mir gesagt, dass ich das irgendwann noch fertig mache. 

Als ich dann meine Liebe für Brettspiele wieder entdeckte und so Spiele wie EXIT und Unlock! raus kamen, gingen meine Gedanken zurück zu Cantaloop. Und wie so oft bei den besten Ideen war alles innerhalb weniger Minuten da: Das Layout des Buches, die Rotfolie, die Karten als Items - alles ganz klar. Ich habe mich sofort hingesetzt und den Prototyp gebastelt. 

Ein paar Illustrationen aus den Studentenzeiten gab es ja noch und die, die mir noch gefehlt haben habe ich einfach in einem Online Interior Designer eines Möbelhauses entworfen. Die Illustratoren haben sogar Einiges aus meinen Prototypen-Bildern übernommen. Darum hat der Gefängnisdirektor auch so einen seltsamen Geschmack, was Einrichtungsgegenstände angeht. ;)

 

Cantaloop ist momentan in aller Munde und erhält sehr gutes Feedback. Kommt das Ausmaß dieses Erfolgs für dich überraschend?

Das klingt jetzt nicht grade bescheiden, aber eigentlich nicht, nein. Wir haben im Vorfeld schon so viel positive Resonanz zum Spiel erhalten, erst vom Verleger, dann von den Testspielern, dann auf den Messen... Einfach nur die Line „Point & Click als Brettspiel" hat bei vielen schon direkt gezündet. 

Natürlich habe ich auch Panik geschoben, dass Cantaloop einfach untergeht. Was, wenn der Escape Room Hype schon vorbei ist? Ich hatte Cantaloop ja schon 2018 gepitcht, und seit da an auf die Veröffentlichung gewartet. Da geht einem schon viel durch den Kopf. Und dann kam auch noch die Adventure Games Serie von Kosmos raus - und war soweit ich weiß nicht übermäßig erfolgreich. Da macht man sich natürlich schon Sorgen. Zudem habe ich ja bereits 4 weitere Spiele für die Serie geschrieben und es wäre wirklich ein Jammer, wenn die nicht veröffentlicht würden. 

Aber wenn man so viel Herzblut in ein Projekt steckt, und so einen Top, Top, Top! Redakteur wie Grzegorz an seiner Seite hat, dann kann eigentlich nicht viel schief gehen.

Ein erfolgreicher Musikproduzent hat mal gesagt ein Hit ist ein Song, bei dem die Begeisterung, die beim Schreiben da war, auch noch in der finalen Produktion zu hören ist. Und bei Cantaloop war die Begeisterung bei uns allen wirklich von Anfang an da, und ist über 3 Jahre Produktion nicht von unserer Seite gewichen. 

 

Wie gestaltete sich die Suche nach einem Verlag für das Spiel, als Neuling ohne Namen in der Branche ist das sicherlich nicht ganz so leicht oder?

Ha! Kein Vergleich mit der Musikindustrie! Tatsächlich habe ich die Brettspiel-Industrie immer als sehr offen und freundlich wahrgenommen. Sind halt auch (fast) alles Nerds, und mit denen habe ich mich schon immer gut verstanden. 

Bei meinem ersten Spiel bin ich noch sehr naiv an's Pitchen ran gegangen, und habe mir eine lange Liste an „Nein"s angelegt, aber daraus habe ich wahnsinnig viel gelernt, sowohl für's Pitchen, als auch für das Spiel. Ich bin sehr froh, dass ich so naiv war, und es einfach gemacht habe. 

Und Cantaloop wurde dann auch wirklich sofort abgenommen - Mittwoch habe ich den Prototypen gebastelt, Freitag habe  ich ihn Lookout gezeigt und Samstag kam schon das grüne Licht. 

 

Welche Optimierungspotentiale nimmst Du aus dem Feedback von Band eins für die weiteren Bände mit? Kann auf deren Produktionsprozess überhaupt noch Einfluss genommen werden?

Oh, massig! Es gab so viel Feedback von Rezensenten, das beim Playtesting nie zu Tage kam. Sowieso werden die Seiten - auch schon beim Nachdruck von Teil 1 - dicker werden und ein paar andere kleine Produktionsverbesserungen wird es auch geben. 

Für mich als Autor sind aber vor allem die inhaltlichen Verbesserungen interessant. 

Es wird ab Cantaloop 2 etwas weniger Locations geben, dafür mehr NPCs (Non-Player Character), mit denen der Spieler sprechen kann. Cantaloop 1 wirkte schlussendlich dann doch ein wenig leblos auf mich, daher diese Änderung. Außerdem heißt das, dass ich mehr Dialoge schreiben darf, was mich immer sehr freut. 

Apropos Dialoge: Bei Teil 1 sind die Dialoge noch sehr geballt im ersten Akt. Akt 2 und 3 sind dann fast ausschließlich Puzzles - das werden wir ab Cantaloop 3 anders machen. Das heißt, wenn ich in Zukunft ein Puzzle löse, schalte ich dadurch öfter einen Dialog frei. Sprich: Mehr Belohnungen, wenn ich etwas richtig gemacht habe. 

Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen kleinen Verbesserungen auf unserem Schirm. Wenn wir unseren Job gut gemacht haben, werden SpielerInnen davon aber nur etwas merken, wenn sie wieder zu einem früheren Teil zurückkehren. 

Natürlich werden wir all die Dinge, die die Spieler so an Teil 1 lieben, fortführen: Auch in Teil 2 wird es natürlich wieder Achievements und viel Humor geben. 

 

Wann ist die Veröffentlichung von Band zwei und drei geplant?

Teil 2 ist praktisch fertig, es geht nur noch um die Produktion. Durch Corona haben leider einige Fabriken ihre Türen geschlossen, was dazu führt, dass die, die noch da sind jetzt doppelt so viel Arbeit haben - da ist es schwer, mit Cantaloop den Fuß in die Tür zu kriegen. Aber mein letzter Stand ist: Cantaloop 2 wird dieses Jahr noch rauskommen, und hoffentlich rechtzeitig für Essen 2021. 

Teil 3 ist bereits als Prototyp spielbar, momentan noch von mir „illustriert" *hust* gekritzelt *hust*. Da wird jetzt erstmal mein Redakteur Grzegorz einen längeren Blick drauf werfen und dann gehen wir in die Playtesting-Phase. Von meiner Sicht aus ist Teil 3 etwa zu 70% fertig. Jetzt kommen noch Rewrites, Fülltext (die ganzen nicht-essentiellen Lines), Illustration, und so weiter. 

 

Hast Du bereits weitere Visionen (neue Mechanismen, etc.) die Du in künftigen Abenteuerbüchern (sollte es diese geben) umsetzen möchtest? Falls ja, welche (falls das verraten werden darf)?

Ich bin immer daran interessiert, das Konzept zu erweitern, solange der nostalgische Point & Click Kern erhalten bleibt. 

So wird es in Zukunft zum Beispiel die Möglichkeit geben, das Spiel im „Easy Mode" durchzuspielen. Da gibt das Spiel noch ein wenig mehr Hilfestellung, aber eben nicht in Form eines abstrakten Hilfesystems, sondern nahtlos in die Story eingebunden. Da kann man sich dann auch als Point & Click Newbie an das Spiel wagen - die Puzzles sind ja teilweise schon sehr schwer. 

In Cantaloop 2 wird es ein Minigame geben - Hook muss schließlich lernen, wie man hackt. Das zu designen war für mich ein echtes Highlight. Ich kann schon mal warnen: Es wird eine Reihe an echt harten Puzzles (Aber natürlich ist die Hilfesektion wieder mit dabei, wenn man wirklich nicht weiter kommt)!

In Cantaloop 3 werden wir dann erstmals die Möglichkeit haben, die drei verschiedenen Charaktere zu spielen. Das gibt dem ganzen nochmal einen neuen Dreh, weil sich die Figuren teilweise sehr unterschiedlich spielen. 

Vladomyr, die Vampir-Story, wird das erste alleinstehende Spiel, wird aber in Länge den 3 Cantaloop Teilen in nichts nachstehen. Für mich war hier die Herausforderung so viel Spiel wie möglich aus so wenig Assets wie möglich zu quetschen, und das führt zu einem sehr „tiefen" Spielgefühl wie ich finde. Das wird wirklich was für die Cracks, denen Cantaloop zu einfach war. Aber einen Easy Mode wird es natürlich auch hier geben. 

Und dann ist da noch das Spiel an dem ich grade arbeite. Das wird schon sehr anders werden, da hier der Fokus mehr auf der Story liegt. Cantaloop und Vladomyr sind ja 70% Puzzle und 30% Story - bei diesem Spiel wird das genau andersrum sein. Damit geht dieses Spiel eher Richtung moderne Point & Clicks wie Little Misfortune. 

 

Sind die Abenteuer nach dieser Trilogie zu Ende oder könntest Du Dir vorstellen weitere Geschichten / Abenteuer zu entwickeln?

Ich habe sogar schon 2 weitere Geschichten geschrieben. Diesmal aber nicht als Trilogie. Eigentlich hatte ich ja Cantaloop auch als Einteiler konzipiert und gepitcht. Jetzt bin ich sehr froh, dass wir jedem Akt viel Zeit gegeben haben. Dadurch haben wir noch viel verbessern können. Nur hat die Story darunter etwas gelitten. 

Das erste Spiel, was es nach Cantaloop geben wird, ist dann sogar NOCH mehr LucasArts Style. Eine abgedrehtere Welt mit Cartoon Rätseln („Mondlogik"), das auch jüngere Spieler problemlos spielen können. In der Hauptrolle: Ein Vampir in seiner Mid-Life Crisis. Auch das ist bereits zu 70% fertig. 

Und dann ist da noch das Spiel, an dem ich grade arbeite. Das ist für mich die wichtigste Story, die ich bisher geschrieben habe. Ich will hier nichts spoilern, aber es war wie beim Erfinden von Cantaloop: Alles war innerhalb von 10 Minuten komplett da, und ich glaube, dass das wirklich was Besonderes wird.

 

Glaubst Du, dass nun auch andere Verlage auf den Zug der Point & Click Abenteuer aufspringen werden? Falls ja, wie stehst Du dazu?

Bestimmt - ich hoffe ja auch, dass ich mit Cantaloop eine Art Revival der alten Point & Clicks starten kann. Also je mehr Verlage aufspringen, desto besser. Ich hoffe nur, dass nicht das gleiche passiert wie am PC: Dass die Spiele irgendwann ohne Herz produziert werden, durch unlösbare Puzzles in die Länge gezogen oder - genauso blöd - zu einfach werden, die Stories/Dialoge schlecht geschrieben sind, das Puzzle Design zu linear ist, etc. 

Leider kann ich Leute, die Point & Clicks oder sogar generell Puzzle Spiele hassen, wirklich gut verstehen! Es ist halt nicht jedes Spiel so gut wie Thimbleweed Park. Am PC gibt es so viele schlechte Point & Clicks, da hoffe ich einfach, dass uns das bei Brettspielen erspart bleibt. 

Wer Lust hat, selbst ein Point & Click zu schreiben, kann sich aber sehr gerne über meine Website (friedemannfindeisen.de) bei mir melden. Ich habe mich sehr lange und eingehend mit dem Thema beschäftigt und helfe gerne wo ich kann. Es gibt wirklich ne ganze Menge Dinge, an die man denken muss, die nicht so offensichtlich sind. Und vielleicht hat Lookout sogar Interesse daran, es zu veröffentlichen!

 

Welche Auswirkung hat der Erfolg des ersten Bands auf Deine anderen Projekte? (Wirst Du den Fokus jetzt mehr auf Spieleentwicklung richten und bei anderen Projekten kürzer treten).

Es ist natürlich toll, dass Cantaloop so erfolgreich ist, aber die Motivation ist für mich immer ein cooles Produkt zu erschaffen. Schlussendlich ist es der Spaß am Schreiben und Puzzles ausdenken, der mich vorantreibt. Die Vorstellung, wie jemand ein Rätsel löst und aufschreit „OH SHIT, ICH GLAUB ICH HAB'S!"

Daher wird sich bei mir nicht viel ändern. Ideen für neue Geschichten gibt es genug. Momentan habe ich ja schon viel vorgearbeitet, daher kann ich mir den Luxus erlauben, nur dann zu schreiben, wenn mir die richtige Geschichte zufliegt. So ist Cantaloop ein gutes Ventil, wenn ich von meinen anderen Jobs die Schnauze voll habe und andersrum. 

 

Quelle (Foto): https://friedemannfindeisen.de/

 

Tags: Interview

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