BSN INTERVIEW // DOMINIQUE METZLER

BSN INTERVIEW // DOMINIQUE METZLER

In der aktuellen Interview-Serie haben wir auch die Geschäftsführerin des FRIEDHELM-MERZ VERLAGS um ein Interview gebeten. Wir sprachen über die anstehende SPIEL.digital, fragten Eckdaten ab aber auch etwas Persönliches. Insgesamt ein interessantes Gespräch, das einen Einblick hinter die Kulissen der von vielen geliebten Brettspielmesse gibt und zeigt, wie viel Arbeit auch in einer digitalen Version steckt.

Wer seine Meinung zur SPIEL.digital kundtun möchte, kann dies hier tun...

 

Guten Tag Frau Metzler, Sie sind die Geschäftsführerin des Friedhelm Merz Verlages und damit die Chefin der alljährlichen Messe SPIEL in Essen. Wie alle Messeveranstaltungen wurde aufgrund der Corona-Pandemie auch die alljährliche Messe in Essen abgesagt. Nun gibt es die SPIEL.digital, die virtuelle Alternative. Wie ist der Stand der Dinge, wird alles wie geplant fertig?

Heute haben wir den 1. Oktober und mir wird ganz schwindelig, wenn ich daran denke, was noch alles fertig werden muss. Wir, als auch die Firma cosee, die für uns die Programmierung der SPIEL.digital umsetzt, arbeiten seit Wochen unter einem unglaublichen Zeitdruck.  Aber selbstverständlich wird alles wie geplant an den Start gehen.

 

Wieviel Zeit hatten Sie von der Entscheidung zur digitalen Version bis zur Realisierung, hatten Sie schon vor der Absage der physischen Messe Pläne in der Hinterhand?

Am 18. Mai 2020 haben wir bekanntgegeben, dass die SPIEL ins nächste Jahr verschoben wird. 24 Stunden später haben wir dann die SPIEL.digital angekündigt. Damals war noch nicht so wirklich klar, wie diese digitale Ausgabe im Detail aussehen soll. Max Metzler hatte sich bereits seit ungefähr drei Jahren damit beschäftigt, wie man die SPIEL sinnvoll digital ergänzen könnte. Einiges hatten wir ja schon auf der SPIEL 19 angefangen umzusetzen. So haben wir 2019 beispielsweise erstmals an allen Messetagen von der Messe gestreamt. Panels wurden ausgebaut und aufgezeichnet. Für den EDUCATORS’ DAY galt das gleiche. Doch eine Messe mit all ihren unterschiedlichen Aspekten virtuell umzusetzen, das ist schon noch einmal eine ganz andere Hausnummer. Dies Konzept musste dann in kürzester Zeit gestaltet werden und als Ausschreibung an die Entwickler gehen. Die Ausschreibung erfolgte dann am 27. Mai 2020. Geplanter Projektstart in der Ausschreibung war der 15.6.2020. Diesen Starttermin haben wir einhalten können. Erst danach konnten wir überhaupt an die Aussteller herantreten. Man sieht also, in welch schwindelerregendem Zeitdruck dies alles erfolgen musste.

 

Wie viele Menschen arbeiten derzeit daran, die digitale Messe stattfinden zu lassen?

Alle Mitarbeiter des Friedhelm Merz Verlages sowie etwa 17 Personen des digitalen Teams. Je nachdem in welcher Entwicklungsphase wir uns befanden, waren das mal mehr, mal weniger Personen.

 

Haben Sie andere digitale Messen wie die Gencon oder die Gamescom verfolgt und eventuell Rückschlüsse zu Ihrer Veranstaltung ziehen können?

Selbstverständlich haben wir uns andere Veranstaltungen angeschaut. Lernen konnten wir allerdings nur beschränkt, da das Konzept der SPIEL.digital bereits von Anfang an viel umfangreicher geplant wurde. Wir haben aber die Community an der Entwicklung der Plattform teilhaben lassen und diese um Feedback gebeten. Da waren viele hilfreiche Kommentare dabei, für die wir sehr dankbar sind.

 

Mit wie vielen Besuchern ist zu rechnen? Wagen Sie eine Prognose, oder ist das noch nicht möglich?

Schwer zu sagen. Wir bekommen aber viele Kommentare von Besuchern in den sozialen Netzwerken, die uns begeistert mitteilen, dass die SPIEL für sie bisher zu weit weg war und dass sie nun endlich einmal an einer Messe teilnehmen können. Es kann also sein, dass wir noch einmal mehr internationale Besucher begrüßen dürfen, als das bisher der Fall war.

 

Ist Ihre IT-Infrastruktur ausreichend, um sehr viele gleichzeitige Zugriffe auf Video-Streams zu verkraften?

Ja, das ist sie. Zumal viele Dinge zwar in die SPIEL.digital eingebunden sind, aber eigentlich auf anderen Plattformen wie zum Beispiel YouTube laufen. Insgesamt kann man sagen, dass unser IT-Partner cosee ein erfahrenes Unternehmen ist, das auf den zu erwartenden Ansturm gut vorbereitet ist.

 

Außer dem Angebot zahlreicher Streams, was wird noch ein Kernaspekt der SPIEL.digital sein?

Das Konzept der SPIEL.digital ist sehr umfangreich und versucht, die reale Messe und die unterschiedlichsten Bedürfnisse von Besuchern und Ausstellern zu berücksichtigen. Wir erschaffen eine Plattform, auf der sich alle Beteiligten aktiv einbringen können. Das sind Aussteller, Medienschaffende, Besucher, Läden, Spielegruppen und Brettspielcafés.

Auf Spielefans warten in den verschiedensten Sprachen angebotene virtuelle Spieltische, an denen sie die Neuheiten wie auf der realen Messe ausführlich testen können. Auch auf den geliebten Spieleerklärer, der in das Spiel einführt und bei Rückfragen hilft, muss niemand verzichten. Möglich wird das alles durch die Integration von Online-Plattformen wie Board Game Arena oder Tabletopia, auf denen Brettspielbegeisterte wie an einem realen Spieltisch spielen. Beide Plattformen stellen Besuchern der SPIEL.digital kostenlose Premium-Zugänge zur Verfügung. Wer kurz vor Weihnachten auf der Suche nach einem passenden Geschenk ist, kann die Messeneuheiten auch sofort kaufen. Um nur eine kleinen Teil der Programmpunkte zu nennen: es wird von den Verlagen Promos für die Besucher geben. Es wird Fragestunden mit Autoren geben. Es wird sogar Turniere geben, die auf der Messe abgehalten werden. Und vieles mehr.

Wichtig finde ich aber auch den Programmpunkt „SPIEL Local“. Brettspielläden, -cafés und größeren Spieletreffs geben wir die Möglichkeit, sich kostenlos auf der Messe zu präsentieren, wenn sie im Gegenzug während der Messelaufzeit ein kleineres Brettspielevent veranstalten. Es wird Spielern also auch möglich gemacht, einige der Neuheiten auf diesen Events kennenzulernen.

Und nicht zuletzt halte ich den Businessbereich für Fachbesucher für einen wichtigen Kernaspekt der Messe.

 

Was werden Sie dieses Jahr am meisten vermissen, bezogen auf die SPIEL?

Da weiß ich gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. Den Besucherandrang in den Morgenstunden, das Öffnen der Hallen, die vielen begeisterten Gesichter. Und lachend würde ich sagen, zwischenzeitlich sogar den Essensgeruch in der Galeria.

 

Was wird in Ihren Augen den Reiz der SPIEL.digital ausmachen, was sind die Vorteile?

Das neue Erlebnis, das viel Spaß machen kann. Die Neuheiten ziemlich übersichtlich präsentiert zu bekommen, aber auch in den Themenwelten, die wir geschaffen haben, auf Entdeckungstour zu gehen. Die hohe Internationalität. Die Chatmöglichkeiten mit Verlagen, die zur Verfügung stehen. Ich glaube, viele Besucher können nun viel intensiver mit ihrem Lieblingsverlag mal ins Gespräch kommen, als das auf der realen Messe in dem ganzen Gewusel möglich ist.

 

Wie viele Verlage beteiligen sich dieses Jahr und gibt es schon eine Wasserstandsmeldung zur Anzahl der Neuheiten?

Wir begrüßen mehr als 400 Aussteller aus 41 Nationen. Spieleneuheiten waren es gestern rund 1.200. Dazu kommen noch die ganzen Neuheiten wie Rollenspielbücher, Inlays und vieles mehr. Hier lag die Wasserstandmeldung gestern bei rund 300 Produkten. Insgesamt also 1.500 neue Dinge, die es zu entdecken gibt. Wir gehen aber davon aus, dass es noch etwas mehr werden.

 

Auf der Webseite der SPIEL.digital rufen Sie derzeit zu Spenden für die SPIEL.digital auf, ohne weitere Erläuterung. Aus welchem Grund, muss man sich Sorgen um die Zukunft machen?

Die SPIEL.digital wird für Besucher kostenfrei sein und wir hoffen, sie alle haben viel Spaß auf unserer neuen Messe. Wir sind im Vorfeld so oft gebeten worden, doch bitte eine Spendenmöglichkeit einzurichten, damit alle, die das möchten, auch etwas geben können. Dies haben wir nun gemacht und freuen uns selbstverständlich über jede Spende. Für uns ist es natürlich im Moment auch nicht einfach. Wir veranstalten nur die SPIEL und haben auf unabsehbare Zeit keine Einnahmen, denn die SPIEL.digital hat sehr viel Geld gekostet, das wir nicht über Ausstellergebühren gegenfinanzieren können. Wie lange wir das durchhalten müssen, ist leider auch völlig unklar. Wenn wir die SPIEL im nächsten Jahr wieder nicht veranstalten können, wird da ein Zeitraum zusammenkommen, in dem das Überleben nicht einfach sein wird.

 

Gibt es Pläne, sich für die Zukunft vielseitiger aufzustellen, abseits vom „Produkt“ SPIEL Messe?

Im Moment ist auch das nicht so einfach, denn wir benötigen gerade alle unsere Kräfte für die SPIEL.digital. Danach wird es in die unmittelbare Planung zur SPIEL  21 gehen müssen, auch wenn diese dann vielleicht gar nicht stattfinden kann. Wir lieben diese Branche und die Menschen dahinter. Ich selbst habe fast mein ganzes Leben für die SPIEL gearbeitet. Da gibt man nicht so schnell auf. Wenn es aber gar nicht mehr weiter gehen sollte, dann müsste man sich natürlich auch anderweitig orientieren. Aber soweit ist es ja Gott sei Dank noch nicht.

 

 Vielen Dank für Ihre Zeit und hoffentlich auf ein gesundes Wiedersehen im Jahr 2021!

 

>>> UMFRAGE ZUR SPIEL.digital und Herbstneuheiten

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Tags: SPIELdigital20, Event, Interview, Branche

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