TEST // CHAMPIONSHIP FORMULA RACING
Der Geruch von Benzin liegt in der Luft. Du lässt das geschäftige Treiben aus der Boxengasse hinter dir und versuchst dich zu fokussieren. Motoren brummen in freudiger Erwartung. Dein Blick ist starr auf die rot leuchtenden Ampeln gerichtet. Endlich Grün! Blitzschnell drückt dein Fuß das Gaspedal durch und der Wagen rollt unter ohrenbetäubendem Lärm los. Alles läuft nach Plan. Du lässt zwei deiner Konkurrenten hinter dir und übernimmst die begehrte Führungsposition. Wirst du sie bis zum Ende halten können? CHAMPIONSHIP FORMULA RACING ist ein Spiel für 1-12 Spieler. Das Spiel ist eine Neuauflage des in den Siebzigern erschienen SPEED CIRCUIT. Der Verlag verspricht eine Rennsimulation, die ein intensives Formel 1 Erlebnis bieten soll. Ob dies gelingt, erfahrt ihr im folgenden Testbericht.
CHAMPIONSHIP FORMULA RACING wurde von uns gekauft.
Dies hat keinen Einfluss auf unsere Bewertung!
Bleifüße aufgepasst
Zur Vorbereitung des Spiels suchen sich die Spieler eine von vier Rennstrecken aus und einigen sich darauf, wie viele Runden gefahren werden sollen.
Jeder Spieler erhält seine Spielfigur sowie je ein Geschwindigkeits- und Fahrerkartendeck. Danach kommt es auch schon zur ersten schweren Entscheidung für die Rennteilnehmer, die gravierende Auswirkungen auf den Verlauf des Rennens hat: die Zusammenstellung des Wagens. Mit Hilfe des Fahrerkartendecks stellt jeder im Geheimen sein Auto zusammen. Dabei werden folgende sechs Werte festgelegt: Beschleunigung, Bremsleistung, Höchstgeschwindigkeit, Startgeschwindigkeit, Fahrerfähigkeit und Reifenqualität.
Dabei gibt es einen Haken. Natürlich kann nicht einfach der perfekte Formel-1-Bolide ohne Einschränkungen zusammengeschraubt werden. Auf jeder der Fahrerkarten ist ein sogenannter Set-Up-Punktewert von -1 bis +2 aufgedruckt. Die zum Zusammenbau verwendeten Karten dürfen zusammengerechnet den Punktewert von zwei nicht überschreiten. Entscheidet sich ein Spieler beispielsweise dafür, dass sein Wagen die maximale Höchstgeschwindigkeit fahren kann, muss er an anderen Stellen Abstriche machen.
Bevor das Rennen losgeht, erhält jeder Spieler, je nach den zuvor gewählten Karten, Skill- und Wear-Token, die für die Fähigkeiten des Fahrers bzw. den Reifenabrieb stehen und später im Rennen Würfelproben ersparen bzw. erleichtern können. Außerdem können sie dazu verwendet werden, um direkt vor dem Rennen bei einer Auktion auf einen guten Startplatz zu bieten.
Nach der erwähnten Auktion und dem Platzieren der Spielfiguren auf den Startplätzen beginnt nun das Rennen. Eine Runde (damit ist eine Spielrunde und keine Rennrunde gemeint) besteht aus drei Phasen:
1.Planungsphase: Jeder Spieler sucht sich eine Karte aus seinem Geschwindigkeitsdeck aus und legt sie verdeckt vor sich ab. Auf den Karten dieses Decks sind die Werte von 20 – 220 mph in Zwanzigerschritten aufgedruckt. Dabei steht 20mph für ein Feld und 220 mph für elf Felder, die das Auto bewegt werden darf. Grundsätzlich darf ein Spieler nur maximal um den Wert beschleunigen bzw. bremsen, der auf seiner entsprechenden Fahrerkarte abgebildet ist.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Ein Spieler hat zu Beginn seinen Wagen mit Hilfe des Fahrerkartendecks mit einem Beschleunigungswert von 80 mph, einer Bremsleistung von 40 mph und einer Maximalgeschwindigkeit von 180 mph ausgestattet.
Beträgt die momentane Geschwindigkeit des Spielers nun bereits 80 mph, darf er in dieser Runde auf bis zu 160 mph beschleunigen, da dies seine Maximalgeschwindigkeit zulässt. Er kann seinen Boliden aber auch durch seine Bremsleistung gefahrlos auf 40 mph herunterbremsen.
Risikobereite Spieler können noch mehr aus ihren Autos herausholen. Es darf auch etwas mehr beschleunigt oder die Maximalgeschwindigkeit überschritten werden, als es dem Spieler lt. seinem Set-Up eigentlich erlaubt wäre. Dazu muss jedoch in der zweiten Phase ein Würfeltest abgelegt werden, der nachhaltigen Schaden am Wagen verursachen und im Wiederholungsfall sogar zu einem Totalschaden und somit zum Ausscheiden führen kann.
Auch wenn stark abgebremst werden muss, können die Spieler aufs Ganze gehen. Es kann bis zu 80 mph zusätzlich abgebremst werden. Dies kostet jedoch wertvolle Wear-Tokens, sorgt für zusätzliche schweißtreibende Würfelproben und kann außerdem zu zeitraubenden Drehungen auf der Strecke führen.
2.Bewegungsphase: Beginnend mit dem Führenden bewegen die Spieler ihre Rennwagen nun um so viele Felder, wie es die gewählte Geschwindigkeitskarte anzeigt. Zieht ein Spieler in seinem Zug in eine Kurve, muss Folgendes beachtet werden: Jedes Kurvenfeld zeigt eine Höchstgeschwindigkeit in mph an. Wird diese überschritten, muss der Spieler, je nach Höhe der Überschreitung Wear-Tokens abgeben und/oder Würfelproben ablegen. Können die geforderten Tokens nicht abgegeben werden oder fallen die Würfel unglücklich, scheidet der Spieler aus dem Rennen aus. Das passiert auch automatisch, wenn das Speed-Limit in den Kurven um 80mph oder mehr überschritten wird.
Nützlich für die Kurvenfahrten sind die mit roten und grünen Pfeilen eingezeichnete Ideallinien. Wird diese getroffen und gehalten, erhöht sich die Geschwindigkeitsbegrenzung der Kurvenfelder etwas.
Die Bewegungsphase ist die actionreichste des Spiels. Hier können die Rennfahrer Windschatten für zusätzliche Bewegung nutzen und zu halsbrecherischen Überholmanövern ansetzen. Es kann aber auch zu spektakulären Crashs und zu gefährlichen Drehungen auf der Strecke kommen.
3.Aufräumphase: Die Spieler legen benutze Tokens beiseite und nehmen ihre Geschwindigkeitskarten wieder auf die Hand. Nur die in Phase 1 gewählten Karten bleibt liegen, um die momentane Geschwindigkeit der Rennwagen für alle sichtbar anzuzeigen.
Diese drei Phasen werden wiederholt, bis alle Spieler entweder im Ziel oder ausgeschieden sind. Wie üblich bei Autorennen gewinnt der Spieler, der nach der vorher festgelegten Anzahl von Runden die Ziellinie als erster überquert.
Was ist in der Box?
CHAMPIONSHIP FORMULA RACING beinhaltet zwei doppelseitig bedruckte Spielpläne und somit vier Rennstrecken, die sich spielerisch deutlich voneinander unterscheiden. Die Spielpläne und das Spieldesign sind zugunsten der Übersichtlichkeit und Spielbarkeit recht bieder und schnörkellos gehalten. Die zwölf Rennwagen in unterschiedlichen Farben sind aus stabilem Plastik und fühlen sich in der Hand wertig an. Tokens sind in ausreichender Zahl vorhanden.
Leider gibt es nur für acht Spieler Fahrer- und Geschwindigkeitsdecks. Bei einer Partie mit 9-12 Spielern muss somit mit Zetteln und Bleistiften Abhilfe geschaffen werden, was auch problemlos funktioniert.
Die Anleitung erklärt den Spielablauf gut, jedoch lässt sie vereinzelt noch Fragen offen, zum Beispiel ist die Windschattenregel nicht gut erläutert. Außerdem ist der Aufbau der Anleitung etwas unlogisch. Einige wichtige Punkte stehen zu weit hinten im Regelheft. Das führt dazu, dass so manches erst nach dem kompletten Lesen der Anleitung Sinn ergibt. Positiv hervorzuheben ist die Schnellstart-Anleitung, die einem den Einstieg ins Spiel erleichtert und die wichtigsten Punkte übersichtlich zusammenfasst.
CHAMPIONSHIP FORMULA RACING ist eine überzeugende Rennsimulation. Die Regeln sind schnell erklärt und die Runden spielen sich flüssig. Nichtsdestotrotz ist das Spiel sehr strategisch. Der Wagen muss passend zur Strecke zusammengestellt werden und es muss gut geplant werden, wann und wie die Tokens eingesetzt werden. Dazu muss ständig abgewogen werden, ob es sich lohnt, einmal das Risiko eines Würfelwurfes einzugehen. So kommt es immer wieder zu hoch spannenden Situationen, etwa wenn sich ein Spieler dazu entschließt, alles zu riskieren, um einen entscheidenden Vorteil im Renngeschehen zu erlangen.
CHAMPIONSHIP FORMULA RACING funktioniert tatsächlich in jeder Spielerzahl problemlos. Am meisten Spaß bringt es, wenn sich viele Spieler um den Tisch versammeln und sich ein heißes Rennen liefern. Selbst in Vollbesetzung mit zwölf Spielern hält sich die Downtime in Grenzen, da die Planungsphase gleichzeitig gespielt wird und die beiden anderen Phasen sehr reibungslos durchgeführt werden können. Aber auch in kleinen Gruppen bringen die Partien großen Spaß.
Auch Solospieler kommen auf ihre Kosten. Es kann gegen bis zu vier historische Dummy-Fahrer angetreten werden. Diese werden durch ein ausgeklügeltes und abwechslungsreiches System simuliert und das funktioniert nach etwas Eingewöhnung richtig gut. Diese Dummys können auch im Mehrspielerspiel mit eingebaut werden, um das Fahrerfeld zu vergrößern.
Die vier verschiedenen Strecken bieten viel Abwechslung, da sie sich ganz unterschiedlich spielen und zum Ausprobieren verschiedener Strategien einladen. Für ein komplexeres und noch strategielastigeres Spiel, können dem Spiel auch noch Boxenstops und verschiedene Reifenarten hinzugefügt werden. Damit kommen auch erfahrene Spieler nach mehreren Partien noch voll auf ihre Kosten.
Der Einstieg in das Spiel ist nicht ganz so leicht. Anfänger werden Probleme haben, ein gutes Auto passend zur Strecke zusammenzustellen und sind gegenüber erfahrenen Spielern deutlich im Nachteil, wenn nicht sogar chancenlos. Dafür gibt es aber in der Anleitung eine optional Handicap-Regel, durch die den erfahrenen Spielern weniger Punkte zum Bau des Boliden zur Verfügung gestellt werden. Das sorgt für einen fairen Ausgleich.
Bei der Gestaltung des Spiels bin ich hin und her gerissen. Einerseits kann ich die Entscheidung, den Spielplan und die Karten so schlicht wie möglich zu halten, sehr gut nachvollziehen. Aber andererseits würde eine schön gestaltete Rennstrecke mit Zuschauertribünen für mehr Rennatmosphäre sorgen. Da hätte ein Zwischending dem Spiel sicher gutgetan.
Brettspieler, die eine gewisse Motorsport-Affinität besitzen und auf der Suche nach einer sehr guten Rennsimulation sind, können bei CHAMPIONSHIP FORMULA RACING bedenkenlos zugreifen. Leider besteht bei Spielern, die beim Begriff Monza an eine Käsesorte denken, die Gefahr, dass das Spielgeschehen als etwas zu trocken empfunden wird. Wer Rennsportmuffel an das Thema heranführen will, kann einen Blick auf das auch sehr gute und eher „arcadigere“ Formula D wagen.
CHAMPIONSHIP FORMULA RACING hält, was es verspricht und macht dabei, außer bei kleineren Schwächen in der Anleitung und dem etwas biederen Design, alles richtig.
Bilder vom Spiel
Tags: 1-12 Spieler, Karten, Autorennen, 30-120 Minuten