TEST // WATERGATE
Am 18.06.1972 führte ein Einbruch in einen Gebäudekomplex in Washington D.C. dazu, dass am Ende der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein Amt niederlegte. Der Name des Präsidenten ist Richard Nixon und der des Gebäudekomplexes WATERGATE. Unter dem Namen Watergate-Affäre ging der Vorfall als einer der größten Politskandale in die Geschichte ein. Dank Autor Matthias Cramer hat nun jeder die Chance, zu beweisen, dass er skrupelloser als Nixon ist und den Skandal erfolgreich aussitzt bzw. den gleichen Kampfgeist wie Woodward und Bernstein besitzt und den Sumpf im Weißen Haus trockenlegt.
Wir haben WATERGATE für diese Rezension zu vergünstigten Konditionen gekauft. Dies hatte keine Auswirkung auf unsere Wertung zum Spiel.
The key was the secret campaign cash, and it should all be traced!
Im reinen 2-Personen-Spiel WATERGATE übernimmt eine Partei die Rolle der Journalisten, während die andere die Nixon-Administration übernimmt. Während die Journalisten versuchen, Nixon auf dem Spielbrett über eine lückenlose Beweiskette mit zwei Informanten zu verbinden, ist es das Ziel der Administration, Nixon bis zum Ende seiner Amtszeit im Amt zu halten, indem Beweise vernichtet und Beweisketten unterbrochen werden.
Eine Spielrunde beginnt mit der Vorbereitungsphase. Wer die Initiative auf seiner Seite hat - zu Beginn des Spiels immer die Journalisten - zieht 5 Karten von seinem eigenen Nachziehstapel, die andere Partei 4 Karten. Wechseln kann die Initiative immer zum Ende einer Runde in der Auswertungsphase, und zwar je nachdem, wo sich der Initiativemarker auf der Rechercheleiste befindet. Sollte der Nachziehstapel einmal leer sein, wird der Ablagestapel gemischt und zum neuen Nachziehstapel. Die Nixon-Seite zieht zusätzlich noch 3 Beweismarker verdeckt aus dem Beutel und legt diese in die Mitte der Rechercheleiste. Während die Nixon-Administration immer die Möglichkeit hat, sich die verdeckten Beweismarker anzusehen, können die Journalisten nur bei den offenen Markern deren Farbe sehen.
Weiter geht es mit der Kartenphase, in der beide Seiten die Möglichkeit haben, abwechselnd jeweils eine Karte aus der Hand zu spielen, beginnend mit dem Spieler, der die Initiative auf seiner Seite hat. Karten bieten in dieser Phase jeweils 2 Möglichkeiten. Mit dem oberen linken Einflussteil können Plättchen oder Marker auf der Rechercheleiste bewegt werden. Mit dem unteren Aktionsteil können die angezeigten Aktionen direkt ausgeführt werden. Karten werden solange ausgespielt, bis keine der beiden Parteien mehr Handkarten besitzt.
Beim Bewegen von Markern auf der Rechercheleiste kann gewählt werden, ob der Initiativ- oder der Momentummarker um die angegebenen Schritte in die eigene Richtung bewegt wird. Die Rechercheleiste hat in der neutralen Mitte den Wert 0 und geht in Richtung beider Parteien bis jeweils 5. Wer zu Beginn der Auswertungsphase den Initiativmarker in seinem Bereich hat, erhält die Initiative. Wer in der Auswertungsphase den Momentummarker in seinem Bereich liegen hat, bekommt den Marker. Hat Nixon insgesamt 5 Marker auf seiner Momentumkarte gesammelt, hat er den Skandal verhindert und erfolgreich seine Amtszeit überstanden. Sollte einer der Marker während der Runde eines der Endfelder mit der 5 erreichen, sichert sich der jeweilige Spieler bereits vorab den Marker.
Beim Bewegen von Beweismarkern ist es nur möglich, solche Marker zu bewegen, die einer der auf der Karte angezeigten Farben im Einflussteil der Karte entsprechen. Werden mehrere Farben angezeigt, muss sich der Spieler für eine entscheiden. Bei der Nixon-Administration ist dies leicht, da sie stets weiß, welche Farben auf der Leiste zur Verfügung stehen. Solange die Marker noch nicht bewegt wurden, sind diese allerdings verdeckt. Möchten die Journalisten einen Beweismarker bewegen, müssen sie eine Farbe aus dem Einflussteil der gespielten Karte nennen. Die Nixon-Seite muss wahrheitsgemäß antworten, ob diese vorhanden ist. Ist sie das, wird der entsprechende Marker umgedreht und um die entsprechenden Schritte auf der Leiste bewegt. Gibt es mehrere Beweismarker mit der gleichen Farbe, kann die Nixon-Seite frei wählen, welchen sie aufdeckt. Benötigt werden die Beweismarker von den Journalisten, um am Ende der Auswertungsphase eine lückenlose Beweiskette zwischen Nixon und einem Informanten auf dem vernetzten Spielbrett herzustellen.
Beim Aktionsteil der Karten gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Spiel zu beeinflussen. Nach dem Spielen eines Ereignisses, muss die Karte anschließend aus dem Spiel genommen werden, während beim Spielen anderer Aktionen, die Karte auf dem Ablagestapel landet. Zu den häufigsten Aktionen der Karten zählt das Bewegen von Markern auf der Rechercheleiste. Wichtig ist es auf Seiten der Journalisten, über Aktionskarten Informantenplättchen auf das Spielbrett mit der Fotoseite nach oben auszulegen, während die Nixon-Administration versucht, die Plättchen auf ihre inaktive Seite zu legen, wodurch keine Verbindung zu Nixon möglich ist. Es gibt zusätzlich noch Reaktionskarten, die auf Aktionen der Gegenpartei hin ausgespielt werden können und in der Regel das Ausspielen bestimmter Karten verhindert.
In der abschließenden Auswertungsphase werde zunächst alle Beweismarker von dem 0-Feld der Rechercheleiste entfernt. Anschließend wird die Initiative an Hand der Position des Initiativmarkers vergeben. Gleiches geschieht mit dem Momentummarker. Der Initiativmarker und ein neuer Momentummarker aus dem Vorrat werden auf das neutrale 0-Feld gelegt. Ist kein Momentummarker mehr im Vorrat verfügbar, hat die Nixon-Administration es geschafft, das Spiel zu gewinnen. Ist dies nicht der Fall, können nun die Beweismarker am Beweisplan angepinnt werden.
Die Journalisten versuchen, eine Kette von Markern zwischen Informanten und Nixon auszulegen, während die Nixon-Administration dies zu unterbinden versucht. Wer die Initiative auf seiner Seite hat, beginnt. Zu beachten beim Auslegen ist, dass nur Marker, welche zumindest eine übereinstimmende Farbe zur Notiz auf dem Spielplan haben, ausgelegt werden dürfen. Während die Journalisten ihre Marker offen auslegen, legt die Nixon-Administration ihre Marker verdeckt ab. Die Farbregelung muss dabei trotzdem beachtet werden! Schaffen es die Journalisten, eine durchgehende Kette mit offen ausgelegten Plättchen zwischen zwei aktiven Informanten und Nixon auszulegen, haben sie den Präsidenten gestürzt und das Spiel gewonnen. Ist dies nicht der Fall, geht es weiter mit der Vorbereitungsphase der nächsten Runde.
Historisch wertvoll
Das Material in der Schachtel fällt relativ überschaubar aus. Neben dem gefalteten Bord mit Beweisplan und Rechercheleiste sind dort noch 9 Momentum-, 1 Initiativ- und 36 Beweismarker zu finden. Zusätzlich gibt es zu jedem Informanten 7 Fotoplättchen. Die insgesamt 44 Karten in widerstandsfähigem Material beinhalten jeweils 20 Karten für jede Partei, jeweils 1 Momentumkarte pro Partei sowie 1 Initiativ- und 1 Übersichtskarte für die Rundenabfolge. Vorbildlich ist es, dass Frosted Games einen Stoffbeutel zum Nachziehen der Beweismarker beigelegt hat und nicht, wie es bei anderen Spielen leider oftmals der Fall ist, die Spieler in die Pflicht nimmt, selbst einen Nachziehbehälter bereitstellen zu müssen.
Die Anleitung ist ein kleines Highlight. Nicht nur, dass sie sehr gut strukturiert ist, zahlreiche Bebilderung und Beispiele zur Verdeutlichung der Regeln beinhaltet und den Spieleinstieg dadurch leicht macht. Nein, das ganz große Plus ist der historische Teil, der mehr als die Hälfte der 24 Seiten einnimmt. Hierin gibt es u.a. zu jeder einzelnen Karte interessante Hintergrundinformationen. Zu jedem Informanten, jedem Mitverschwörer und jedem Journalisten gibt es einige interessante Fakten. Zu jedem Ereignis gibt es eine Einordnung, wie sich dieses in den Skandal einfügt. Auf 7 Seiten wird abschließend noch einmal die gesamte Watergate-Affäre geschildert, gefolgt von einigen Fußnoten einzelner Geschehnisse.
Wenn WATERGATE auf den Tisch kommt, darf niemand auf einen friedlichen Spieleabend hoffen. Autor Matthias Cramer hat es geschafft, die ganze Schärfe des Skandals in ein Brettspiel zu verpacken. Die Aktionen, die sich beide Parteien immer wieder um die Ohren hauen, sind durchaus scharfe Munition und gerade von Seiten der Nixon-Administration sind hier einige Tiefschläge zu erwarten. Doch auch die Journalisten müssen nicht allein mit der Feder auskommen und können ihrerseits die eine oder andere Aktion ins Feld führen, um der Nixon-Administration die Zornesröte ins Gesicht zu treiben. Das Spiel schafft es sehr gut, die verbissene Auseinandersetzung der Watergate-Affäre in ein Spiel zu verpacken.
Die Mechanik des Spiels ist zwar nicht sonderlich komplex, dafür aber effektiv. Es gehört ein wenig strategisches Gespür dazu, die richtige Karte zur richtigen Zeit zu spielen. Durch Reaktionskarten können mächtige Aktionen verhindert und Karten aus dem Spiel genommen werden. Für das Platzieren der Beweismarker ist es notwendig, schon im Vorfeld darauf zu achten, die passende Initiative beim Auslegen zu haben. Bei den Journalisten muss ein Gleichgewicht zwischen dem Auslegen von Beweismarkern und dem Verhindern des Erlangens von Momentummarkern durch die Nixon-Administration gefunden werden. Die Nixon-Seite muss gegenläufig denken, hat dabei allerdings den großen Vorteil, dass die Zeit auf ihrer Seite ist. Durch das Leeren des Momentumvorrats in jeder Runde, wird der Skandal Stück für Stück erfolgreich ausgesessen.
WATERGATE ist ein schnelles Strategiespiel von überschaubarer Dauer, das sich ideal als Opener oder Abschluss für einen Spielabend zu zweit eignet. Wer sich für den Watergate-Skandal interessiert, darf ein deutlich tieferes Spielerlebnis erwarten, bei dem die Thematik mehr greift als Mechanik. Das ist dann auch der Grund, warum ich nicht gerne die Nixon-Administration spiele. Ich möchte einfach kein Präsident sein, der lügt, seine Gegner denunziert und sein Amt dafür missbraucht, seinen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen. Gerade in der heutigen Zeit ist das etwas, wovon die Welt schon mehr als genug hat. Ich kann mich nur der Danksagung des Autors am Ende der Anleitung anschließen, in der er ausführt: „Danke an alle Medien, egal ob Zeitung, Fernsehen oder digitaler Form, die sich mit dem Wesentlichen statt mit Bullshit beschäftigen.“
Durch die tiefe Einbindung in den geschichtlichen Kontext und der Verbindung jeder Karte zu tatsächlichen Ereignissen und Begebenheiten, ist WATERGATE etwas besonderes. Mich hat das Spiel so sehr mit dem Thema gepackt, dass ich mir nicht nur den historischen Teil der Anleitung nach dem Spielen durchgelesen, sondern zudem auch gleich „Die Unbestechlichen“ in den Blu-ray-Player eingelegt habe. Wenn es ein Spiel schafft, einen so mit einem Thema zu packen, kann es einfach nur einiges richtig gemacht haben.
Bilder zum Spiel
Tags: Geschichtch, 2 Spieler, Strategie