TEST // Der Unterhändler
Es ist ein gewöhnlicher Samstagabend für mich. Die Stadt dreht bei der Hitze durch und ganz besonders dieser Viktor Hades, der sich in dem Gebäude mit einer Reihe Geiseln verschanzt hat. Bevor das Sonderkommando mit der Stürmung beginnt oder, was fatal wäre, der Geiselnehmer seine Gefangenen tötet, habe ich nun die letzte Chance, den Tag zu retten.
Meine Waffen sind meine scharfe Zunge und mein spitzer Verstand, mein Werkzeug das Telefon, über das ich Kontakt zu dem Kriminellen aufnehmen kann. Ich muss ihn unter allen Umständen ruhig halten und beruhigen. Wenn die Situation eskaliert, kann alles sehr schnell vorbei sein.
Gebt mir ein Telefon und eine Verbindung zu diesem Bastard…
Bei „Der Unterhändler“ handelt es sich um ein reines Solospiel, in dem ihr in die Rolle eines Verhandlungsführers bei einer Geiselnahme schlüpft. Eure Aufgabe ist es, einen von drei wählbaren Geiselnehmern nebst möglichem Komplizen solange hinzuhalten, bis sich die geforderte Anzahl an Geiseln in Sicherheit befindet. Schaffen könnt ihr dies mit einer Kombination aus Würfeln und Karten, wodurch die Situation beruhigt werden kann oder weiter eskaliert. Umso beruhigter die Lage ist, umso mehr Würfel und Möglichkeiten habt ihr. Eskaliert die Verhandlung, fallen verfügbare Würfel weg und es werden zudem Geiseln getötet. Gewonnen ist das Spiel, wenn alle Geiseln aus der Gefangenschaft befreit wurden, die Hälfte der Geiseln befreit sind und der Geiselnehmer ausgeschaltet wurde. Ob durch tödliche Gewalt oder reines Verhandlungsgeschick, ist egal. Verlieren kann das Gute allerdings auch, wenn mehr als die Hälfte der Geiseln getötet wurde, der Geiselnehmer entkommt oder in der Eskalationsphase keine Karten mehr nachgezogen werden können.
Jeder Geiselnehmer bringt sein eigenes Set an Karten mit, die unterschiedliche Forderungen an den Unterhändler stellen. Es gibt Haupt- und Fluchtforderungen, besondere Eigenarten, die beachtet werden müssen. Die generellen Aktionen werden über das Eskalationsdeck geregelt, das in der Regel Änderungen am Gefahrenniveau vornimmt oder aber gleich Geiseln tötet. Dem Unterhändler steht eine Auswahl aus 22 Verhandlungskarten zur Verfügung, aus denen er je nach verfügbaren Verhandlungspunkten auswählen kann. Erfolgreich gespielt werden die Karten, wenn ein darauf angezeigtes Würfelergebnis erzielt wird. Bei einem Fehlschlag wird es böse, die entsprechende Konsequenz steht auch auf der Karte. Ausgeglichen werden können schlechte Würfelergebnisse durch den Einsatz von Karten, was dann allerdings bedeutet, dass diese nicht mehr für ihre aufgedruckten Fähigkeiten genutzt werden können.
Eine Runde ist in jeweils 3 Phasen gegliedert. Es geht los mit der Verhandlungsphase, in der Verhandlungskarten gespielt werden können. In der Regel bedeutet dies, eine Karte auszuwählen und anschließend einen Bedrohungswurf durchzuführen, um zu sehen, ob die Aktion gelungen ist. Zusätzlich kann auf eine Forderung des Geiselnehmers eingegangen werden, was auf der einen Seite einen Vorteil bedeutet, allerdings auf der anderen Seite auch einen in der Regel nicht ganz unwichtigen Nachteil mit sich bringt. Anschließend folgt die Kaufphase, in der Verhandlungspunkte ausgegeben werden können, um frische Karte anhand ihres aufgedruckten Wertes für die nächste Runde auf die Hand zu nehmen. Nicht ausgegebene Verhandlungspunkte verfallen am Ende der Kaufphase. Abschließend folgt die Eskalationsphase, in der eine Karte vom Eskalationsstapel gezogen und ausgeführt wird. Diese kann u.a. neue Forderungen, eine Steigerung des Gefahrenniveaus oder die Ermordung von Geiseln beinhalten. Teils hängt die Anzahl der Effekte auch davon ab, inwieweit Forderungen bereits erfüllt wurden. Die letzte Karte des Eskalationsstapels ist immer der Wendepunkt und bietet noch einmal eine letzte Chance, das Spiel noch zu gewinnen. Nach dieser steht noch eine letzte Runde zur Verfügung, in der bereits in der Verhandlungsphase Punkte zum Kaufen von Verhandlungskarten ausgegeben werden können, welche dann auch direkt zur Verfügung stehen. Schafft ihr es trotzdem nicht, das Ziel zu erreichen, hat das Böse gesiegt und der Held reitet nicht in den Sonnenuntergang.
Ausgestattet wie die Dorfpolizei oder wie ein SEK?
Das Material läuft unter dem Motto „Übersichtlich, aber gut“. Die gute Handvoll Karten ist stabil, nutzt sich nach mehrmaligem Spielen aber bei den Verhandlungskarten ein wenig ab. Das Spielbrett ist aus stabilem Karton gefertigt, die Meeples und die Würfel sind aus Holz. Die Verpackung ist relativ groß für den überschaubaren Inhalt, bietet so aber zumindest noch reichlich Platz, um Erweiterungen ebenfalls direkt mit aufnehmen zu können. Die Anleitung ist gut gegliedert, durchgehend bebildert und erklärt klar und leicht verständlich die Spielregeln.
“Der Unterhändler“ ist ein sehr fesselndes und unterhaltsames Solospiel. Die Atmosphäre einer Geiselnahme wird klasse auf den Spieltisch transportiert und auch ohne Lesen der Flavortexte hatte ich immer das Gefühl zu wissen, worum es hier geht. Mit jeder verlorenen Geisel stieg die Anspannung, mit jeder Bewegung auf der Bedrohungsskala wurde ich unruhiger und versuchte, meinen nächsten Schritt noch besser abzuwägen, und überdachte meine Strategie. Beim Ausspielen der Karten stellte sich immer die Frage, wie hoch man pokern soll und ob Karten ausgegeben werden sollten, um das Würfelergebnis zu erhöhen, oder diese doch besser noch auf der Hand zu behalten, um sie in der nächsten Runde aus dem Ärmel zu ziehen. Zusätzlich muss stets ein Auge auf den erspielten Verhandlungspunkten liegen, da man ansonsten schlimmsten Falls eine Runde lang nur Däumchen drehen kann. Und zu guter Letzt sollte auch der Bedrohungsmarker nach Möglichkeit im grünen Bereich liegen, damit die maximale Anzahl an Würfeln genutzt werden kann.
Allerdings gab es natürlich auch klare Frustmomente, was beim Einsatz von Würfeln und dem zufälligen Ziehen von Karten auf der Hand liegt. Doch egal wie groß der Frust bei aufeinanderfolgenden schlechten Würfelergebnisse auch war, durch die Karten gibt es zumindest immer eine gewisse Einflussmöglichkeit, solange nicht allzu hoch gepokert wird. Das macht auch ein wenig den Reiz aus und am Ende ist es am besten, ein wenig zu wagen, ohne dabei zu sehr alles auf eine Karte zu setzen. Niederschmetternd kann dann allerdings das Ziehen der Eskalationskarte ausfallen, da es hier teils doch sehr drastische Aktionen gibt, die ohne Einflussmöglichkeit hingenommen werden müssen und mit einem Schlag die nächste Runde nachhaltig verschlechtern. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass es hier um eine Geiselnahme geht und da passieren nun einmal unvorhergesehene, dramatische Dinge.
Der Wiederspielwert ist relativ groß, allerdings sind die im Grundspiel zur Verfügung stehenden Eskalationskarten (21 rote und 6 goldene für die Wendungen) sowie die 22 Verhandlungskarten auf Dauer durchaus ein wenig eintönig. Für längere Motivation ist es von daher absehbar, auf die mittlerweile auch in Deutsch verfügbaren Erweiterungen zugreifen zu müssen. Aber bereits das Grundspiel hat mir persönlich sehr viel Spaß gemacht und es gehört eindeutig zu den Solospielen, die man auf dem Schirm haben sollte, wenn mal keine Spielpartner am Spieltisch verfügbar sind. Ah, Moment…ich muss jetzt Schluss machen. Ich habe gerade die Meldung erhalten, dass ein gewisser Gonzalo Herrera Geiseln genommen und sich mit ihnen verschanzt hat. Ich glaube ich muss hier eingreifen…
Bilder zum Spiel
Tags: Solospiel, Kartenspiel, Würfelspiel, Handmanagement, Deckbauspiel