Branche | CMON erntet Shitstorm wegen NFT-Handel
Wer am 16.8.2022 in sein E-Mail-Postfach geschaut hat und in der Vergangenheit schon mal ein Spiel von CMON auf Kickstarter unterstützt hat, wird die E-Mail mit dem Betreff „Resend - We Got your Back! Free Digital Cards from Monsoon!“ wahrgenommen haben. Hier bietet CMON allen ehemaligen Unterstützerinnen und Unterstützern ein „Give away“ für einen Gesamtwert von zwei Millionen US$ an.
Personen, die Geschenken von Unternehmen von Natur aus kritisch gegenüberstehen, werden das Kleingedruckte lesen und feststellen, dass das Geschenk eine digitale Packung mit sieben Sammelkarten ist, die ansonsten einen Verkaufspreis von 10 US$ haben wird. Wer das gelesen hat, wird sich vielleicht fragen, was das überhaupt für eine Firma ist, die unter dem Namen „Monsoon Digital“ als Partner von CMON für die Aktion verantwortlich ist.
Eine Antwort ist im Presse-/News-Bereich von cmon.com zu finden. Schon im September 2021 verkündete der Verlag die Zusammenarbeit mit der neu gegründeten Firma zum Zwecke „[…] mit der Blockchain-Technologie etwas anderes und Einzigartiges (zu) machen".
Geoff Skinner, CMONs SVP of Marketing & Entertainment: "Wie auch bei unseren Tabletop-Spielen steht der Kunde im Mittelpunkt. Die Ziele, die wir uns für dieses neue Sammlererlebnis gesetzt haben, sind einfach: Es muss einfach zu bedienen und zugänglich sein, es muss ein besonderes, personalisiertes Erlebnis bieten, und vor allem muss es Spaß machen. Zu diesem Zweck arbeiten wir mit unseren besten Spieldesignern, Grafikern und Künstlern zusammen, um unser erstes Blockchain-Produkt auf der unglaublichen Plattform von Monsoon zu entwickeln."
NFT abseits der Brettspiele
Seit dieser Aussage hat sich viel getan im Bereich NFT-Wertschöpfung. Reihenweise sind Videospielproduzenten mit NFT-Plänen gescheitert. Oftmals kam es nicht einmal zur geplanten Veröffentlichung, weil die jeweiligen Communitys sich gegen solche Pläne reflexartig sträubten. Den entstandenen Image-Verlust nahmen Publisher oder Softwarehersteller mehr als Bedrohung wahr, als das die Aussicht auf mögliche Gewinne es hätte rechtfertigen können.
Höchstens Personen, die in dem Handel mit einzigartigen Objekten eine Chance auf schnelle Gewinne witterten, griffen hier und da zu. Abseits der Spielbranche sorgen manche NFT-Betrugsmaschen für Aufsehen, zum Beispiel unter Influencern (z.B. Montana Black), die bei ihrer Community für solchen Token warben und den Followern somit satte Verluste bis Komplettverlust des Geldes einhandelten.
Was sind NFTs überhaupt?
NFT ist die Abkürzung für Non-Fungible Token, also ein nicht austauschbarer digitaler Gegenstand. Es handelt sich dabei um einen digitalen Beleg über den Besitz eines digitalen oder realen Gegenstandes. Die Person, die diesen digital nur einmal existierende Gegenstand besitzt, wird in einer dezentralen und damit möglichst fälschungssicheren Datenbank abgelegt. Die Datenbank ist auch aus dem Bereich Kryptowährung bekannt und wird Blockchain genannt.
Wer sich nun fragt, warum so ein Aufwand um digitale Token gemacht wird, dem kann gesagt werden, dass so der zentrale Handel und Austausch digital ermöglicht wird. Es wird möglich, dass zum Beispiel Künstler digitale Kunst verkaufen können und Kunden nur Zugriff auf eine limitierte Anzahl haben oder das Kunstwerk sogar ein Unikat ist. Wie bei Kunstwerken aus der realen Welt ließe sich dann das Bild später verkaufen, idealerweise mit Gewinn. Die Käuferin oder der Käufer werden nach Abschluss des Handels als neue Inhaber der Rechte in der Datenbank hinterlegt.
Das besondere im Vergleich zum Handel mit Kunst aus der realen Welt ist der, dass die kunstschaffende Person als Inhaber der Ursprungrechte eintragen kann, an jedem Weiterverkauf zu partizipieren.
Kein Wunder also, dass sich so viele Softwareentwickler schon die Hände rieben und fleißig NFTs einführen wollten. Über diesen Weg könnten sie endlich auch am Handel mit gebrauchten Videospielen partizipieren.
Der CMON Shitstorm
Nun nach fast einem Jahr Zeit, die verstrichen ist, startete der Verkauf von digitalen Kartenpacks zur Spielserie „Zombicide“. Wer sich bei mon.sn/packs mal genauer umschaut wird schnell sehen, dass es rund 5.000 Regular Pack zum Preis von 10 US$ zu kaufen gibt. Aber das ist nur die erste Stufe! Die zweite Stufe kostet 50 US$, um eine von rund 500 verfügbaren Packs zu kaufen. Abermals für sechs rare Karten, von denen eine die Option bietet, als „Legendary Card“ eingestuft zu sein. Für 400 US$ können geneigte Fans dann das „Collectors Pack“ erwerben, um noch seltenere Karten und eine Legendary Card zu kaufen. Das war wohl auf 50 Packs beschränkt (Anm. d. Red.: am 17.8.2022 um 00:33 sind noch immer 49 verfügbar).
Auf Twitter wurde dann ein Countdown angekündigt, ab wann es „Zombicide Master“ zu kaufen gibt. Der erhielt bis 1 Uhr Nachts, am 17.8.2022 „21 Gefällt mir“ Angaben und eine größere Menge an negativer Kommentare. Tatsächlich fand sich kein einziges positives Feedback unter der Ankündigung. Viele der Einzelmeinungen versprach nie wieder ein Kunde bei CMON zu werden. Bemerkenswert, dass kaum herauszulesen ist, warum eigentlich. Es schimmert das Argumente Ethik durch, ohne weiter zu spezifizieren, was an NFTs aus Sicht des Users verwerflich sein soll.
Das ist schon ein wenig schade, denn zu wissen was Kunden grundsätzlich abschreckt an NFTs, hätte sicherlich noch mal einen besseren Eindruck vermitteln können, auch in Richtung Verlag.
Was an diesen NFTs stören kann
Die digitalen Karten, die hier verkauft werden, haben keinerlei spielerischen Wert. Sie sind und bleiben digitale Güter, die in einem realen Spiel keine Verwendung haben werden. Im Prinzip könnten sie nur als Wertanlage gelten, um Gewinn damit zu machen.
Doch ob eine Person, die 400 US$ für sechs digitale Token ausgibt, jemals damit Gewinn einzustreichen kann, ist mehr als fraglich.
Wenn reale Brettspiele zum Beispiel mit einem NFT verknüpft werden sollten, wäre ein Handel nur noch über die Handelsplattform von Monsoon möglich. Der Verlag könnte dann, sofern er möchte, vom Handel mit gebrauchten Spielen mitprofitieren. Ein anonymes Kaufen und Verkaufen ist dann nicht mehr möglich.
Quellen
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