Kommentar zum Statement des Autors, der Hausverbot von Spiel des Jahres e.V. erhielt
Wir hatten, als erstes Medium darüber berichtet, dass der mit dem Kennerspiel des Jahres 2024 ausgezeichnete Autor Matteo Menapace ein tendenziell antisemitisches Symbol während der Auszeichnung trug. Es handelte sich dabei um die Palästinensische Wassermelone. Wer das noch nicht genau mitbekommen hat, dem empfehle ich unseren Beitrag zu dem Thema vom 23.07.2024.
Nun hat sich der Autor, wie er uns persönlich versprach mit einem Statement zu der Angelegenheit geäußert. Diese erschien am 26.07.2024 auf medium.com in englischer Sprache. Nun könnten wir diesen einfach unkommentiert onlinestellen, doch leider ist das nicht so einfach, denn im Statement fehlen klare Worte.
Der mit Deeple übersetzte Wortlaut wird im Anschluss an den Beitrag angefügt, für den Fall, dass er bei Medium.com auf einmal nicht mehr abrufbar sein sollte. Hier schon einmal der klare Hinweis, dass es keinesfalls meine Meinung widerspiegelt. Es dient einzig und allein als Informationsquelle um diesen Kommentar hier selbst einordnen zu können. Im Text habe ich die englischen Zitate verwendet, um jegliche Falschinterpretation auszuschließen.
Warum erst jetzt einen Beitrag dazu?
Es sind ein paar Tage vergangen, weil wir diverse Fachstellen und Stiftungen kontaktiert haben, die die Stellungnahme sachlich korrekt einordnen können. Mittlerweile haben wir von zwei Stellen Rückmeldung erhalten, der Rias Niedersachsen einer Meldestelle in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung direkt, die gegen Hass und Hetze aktiv ist. Wie uns die Rias mitteilte ist seit dem 07.10.2023 eine Häufung antisemitischer Vorfälle festzustellen, insbesondere des israelbezogenen Antisemitismus. Auch andere Meldestellen (z.B. NRW) bestätigten uns eine Häufung. Das Leben für jüdische Menschen ist auch in Deutschland mittlerweile sehr eingeschränkt, und vielen Ängsten geprägt. Es ist umso wichtiger bei diesem Thema genau hinzuschauen und sich von Schwarz-Weiß-Denken und Pauschalisieren zu distanzieren.
Was ist nun dran am Antisemitismus-Verdacht?
Ich wies in meinem Kommentar am 23.7.2024 zu dem Vorfall schon darauf hin, dass es mutmaßlich nicht automatisch antisemitisch ist, die Palästinensische Wassermelone zu tragen. Die Meldestelle Niedersachsen sieht das tatsächlich genauso: „Als RIAS stufen wir das Symbol der Wassermelone, wenn es etwa auf Stickern oder Demonstrationen ohne weiteren antisemitischen Kontext verbreitet wird, nicht als antisemitischen Vorfall ein“ schrieben sie auf unsere Nachfrage. Für den Verein Spiel des Jahres e.V. war es jedoch genug ein so aufgeladenes Thema in die Verleihung zu tragen, der Autor erhielt Hausverbot.
Die Stellungnahme - Eine Entschuldigung klingt anders
Matteo Menapace hat nun seine Sicht der Dinge geäußert. Er betonte das er seine Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung zeigen wollte. Er sehe das Zeichen als „a symbol of Palestinian resilience in the face of decades of oppression“ und nennt dann gleich zum Eingang den Shop, wo er den Sticker gekauft hat, und weist darauf hin, dass 100% der Gewinne für humanitäre Hilfe gespendet würden. Wer den Shop jedoch anklickt sieht schnell, dass es hier viele Produkte gibt, die palästinensische Farben, Logos und Sprüche tragen - auch Shirts mit der Aufschrift „Palestine will be free“ und „Research the Nakba“ (mit der Parole „The Nakba never ended“) werden hier verkauft.
Statt sich dann bei der Jury, dem Verlag oder dem Mitautoren zu entschuldigen erkennt er lediglich an, das Spiel des Jahres e.V. als deutsche Institution mit erhöhter Sensibilität auf Antisemitismusvorwürfe reagiere. „I take those allegations very seriously“ schreibt er. Zu den anderen Beteiligten schreibt er „These actions and views are entirely my own, and do not necessarily reflect those of anyone else involved with Daybreak / e-Mission.“
Dann weist er darauf hin, dass die Diskussion über den Aufkleber und eine antisemitische Interpretation dessen nur vom eigentlichen Problem ablenke, denn das Schlimme sei: tausende Menschen die von der Landkarte getilgt werden und dringend humanitäre und medizinische Hilfe benötigen.
„No human being or group of people should be erased because of their ethnicity, religion or nationality. I hope we can all agree on that.“ schreibt er.
Das hört sich gut an, oder?
Ich habe das gelesen und mein erster Gedanke war: „Eine klare Distanzierung hört sich aber anders an“. Warum stellt er nicht klar, dass es ihm nur um die Unterstützung von Zivilen Opfern geht? Stattdessen politisiert er auch sein Statement mit dem Vorwurf, Israel verübe einen Genozid. Denn Menapace sagt: „I want to draw attention to the reality of thousands of Palestinian people who are being wiped off the map, and are in dire need of humanitarian and medical services“ Die Vorwürfe haben auch aus der Sicht der Amadeu Antonio Stiftung eine klare Stoßrichtung – gegen den Staat Israel.
Der Nahost-Konflikt ist nicht nur alt, sondern kompliziert. Doch eine Regel, gilt hier wie in allen Kriegen: es gibt nur Verlierer – auf beiden Seiten. Am meisten leiden immer die Ärmsten, schwächsten und schutzlosesten Zivilisten.
Diesen Blick auf den Konflikt scheint Menapace nicht zu haben. Sein Statement ist mit einigen Tagen Verzögerung erschienen und es muss davon ausgegangen werden, dass es sehr bewusst formuliert war. Es ist also umso erschreckender, dass hier das einfache pauschalisierende Schwarz-Weiß-Denken eingesetzt wurde – damit meine ich die Maxime „Entweder ist man für etwas oder gegen etwas“. Die unendlich vielen Grautöne die auch zur Wahrheit gehören werden ausgeblendet. Gerade ein Mensch, der anspruchsvolle Spiele, mit vielen kleinen Regeln erfindet sollte doch wissen: es gibt keine einfachen Antworten bei komplexen Themen, kein Ja oder Nein.
Somit bleibt es bei seiner diffusen politischen Äußerung, die das wirkliche Leiden in den Hintergrund rücken lässt. Es bleibt der fade Beigeschmack, dass hier eine Veranstaltung bewusst missbraucht, wurde um politische Themen zu setzten. Wichtig ist mir dabei: das ist ein Unterschied zu humanitären Zielen, die darauf abzielen Zivilisten zu helfen, die Opfer von Krieg geworden sind.
Wenn wir auf die moralische Ebene gehen, ist es wirklich traurig zu sehen, wie er mit den Menschen umzugehen scheint, die sein zum Teil erstellte Kunstwerk e-Misson mitzuverantworten haben. Es gibt keine Entschuldigung bei seinem Mitautor oder bei seinem Verlag. Es scheint ihn nicht zu berühren. Nur festzustellen, dass seine Meinung nicht ihre Meinung ist, reicht da bei weitem nicht aus.
Es reicht dann auch nicht aus, sich auf die Position zurückzuziehen, dass alles bedeutungslos scheint, vor all dem Leid, das auf der Welt passiert. In seinem Satz „However, debating the shape of the sticker and pushing for an antisemitic interpretation is a distraction“ Macht er genau das: Wir diskutieren über Aufkleber, statt über Dinge, die wirklich wichtig sind.
Sicherlich hat er damit teilweise Recht. Doch was ist die Grundlage für ein friedliches Miteinander, wie jeder Mensch gerne leben will, egal an welchem Ort auf der Welt? Das sollte er als Spieleautor bestens wissen: es sind Spielregeln, auf die sich alle geeinigt haben. Was hat Herr Menapace getan? Er hat sich genau an diese nicht gehalten. Wie soll man jemanden vertrauen, jemanden unterstützen, der einfach über die Regeln des Vereins hinweggeht, der ihn mit dem größten Titel auszeichnet, den es im Bereich Brettspiel zu erlangen gibt? Wie soll man mit einem Menschen Sympathien empfinden, der gleichzeitig einfach das Vertrauen ehemaliger Kollegen missbraucht? Die Antworten muss jeder für sich finden. Meine Antworten habe ich bereits gefunden.
Eigentlich sind politische Themen nicht Gegenstand dieses Magazins, aber durch diese Aktion bleibt es unausweichlich dieses Thema bis zum Ende zu begleiten.
Das ist die übersetzte Stellungnahme von Matteo Menapace
Mit meiner Entscheidung, am Sonntag auf der Bühne des Spiel des Jahres (SdJ) einen Wassermelonen-Aufkleber zu tragen, wollte ich meine Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung zeigen.
Die Wassermelone ist ein Symbol für die Widerstandsfähigkeit der Palästinenser im Angesicht jahrzehntelanger Unterdrückung. Ich habe den Aufkleber von Wear The Peace gekauft, einer Organisation, die 100 % ihrer Gewinne für humanitäre Hilfe spendet.
Ich erkenne den aktuellen und historischen Kontext an, der dazu geführt hat, dass SdJ als deutsche Institution mit erhöhter Sensibilität auf Antisemitismusvorwürfe reagiert. Ich nehme diese Vorwürfe sehr ernst.
Eine Debatte über die Form des Aufklebers und eine antisemitische Interpretation lenkt jedoch davon ab. Stattdessen möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Realität tausender palästinensischer Menschen lenken, die von der Landkarte getilgt werden und dringend humanitäre und medizinische Hilfe benötigen.
Kein Mensch und keine Gruppe von Menschen sollte aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität ausgelöscht werden. Ich hoffe, wir können uns alle darauf einigen.
Alle Menschen haben Frieden und Gerechtigkeit verdient. Ich glaube, dass dies erst möglich sein wird, wenn das beendet ist, was der Internationale Gerichtshof kürzlich als unrechtmäßige Besatzung definiert hat. Was wir als Bürger westlicher Nationen tun können, ist, Druck auf unsere Regierungen auszuüben, damit sie die Verantwortung für ihre historische Rolle in diesem Unrecht übernehmen und unsere Komplizenschaft mit ihrer Finanzierung und Ermöglichung von Kriegsverbrechen beenden.
Diese Handlungen und Ansichten sind ausschließlich meine eigenen und spiegeln nicht notwendigerweise die der anderen an Daybreak / e-Mission beteiligten Personen wider.
Quelle