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Test | Wilde Serengeti

Test | Wilde Serengeti

Tiere, Natur und Umwelt sind Themen, die in der Brettspielwert in den letzten Jahren enorm an Einfluss gewonnen haben. Dies ist in Anbetracht des gesellschaftlichen Diskurses über unsere Zukunft sicherlich nicht weiter verwunderlich; überrascht hat mich allerdings, die große Varianz an verschiedenen Spielen, die dabei entstanden sind. Thematisch fühle ich mich als Spieler nicht nur wegen der Aktualität angesprochen, sondern auch, weil es mich schon zu meiner Schulzeit sehr beschäftigt hat. Umso wichtiger finde ich es, dass solche Themen in Brettspielen behandelt werden und mich neue Einsichten gewinnen lässt. Wilde Serengeti widmet sich gezielt dem Thema Tier-Dokumentarfilm im namengebenden Teil Afrikas. Dass diese Art Film sich in den letzten fünfzig Jahren enorm gewandelt hat, wird selbst den weniger Interessierten nicht entgangen sein. Als großer Freund von Tierdokus war ich sehr gespannt, was sich der mir völlig unbekannte Autor Gunho Kim hier ausgedacht hat. Was ich dabei über das Spiel des Bad Comet Verlags herausgefunden habe, erfahrt ihr hier im Test.

 

info Das Spiel wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf die Bewertung hat dies keinen Einfluss!

 

 

 

Darum geht es

Stimmungsvoll erklärt uns die Spielregel, dass wir Filmemacher sind, mit dem Auftrag die jeweils beeindruckendste Tierdokumentation zu drehen, deren Finanzierung die Good Comet Society komplett übernehmen und anschließend der Welt präsentieren wird. Um dieses erstrebenswerte Ziel zu erreichen, müssen wir die meisten Erfolgspunkte sammeln. Antreten werden hierbei ein bis vier Filmemacherinnen und Filmemacher, wobei es für den Solo-Modus einige wählbare Herausforderungen zu meistern gilt.

 

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Das Spiel

Wir entscheiden uns für eine von zwei Seiten des Spielbrettes, welches uns in einem 7x7 Raster einen Ausschnitt der geografischen Landschaft der Serengeti zeigt, mit den Geländetypen Savanne, Gebirge, Gewässer und Wälder. Auf einem separaten Spielbrett, welches an das Hauptspielbrett angelegt wird, befinden sich acht Aktionsbereiche mit mehreren Einsetzplätzen.

 

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Die Einsetzplätze kosten unterschiedlich viel Geld beim Einsetzen. Wenn das günstigste gerade nicht verfügbar ist, weil eine andere Person dort steht, wählt man die teurere Alternative. Vier der acht Aktionsbereiche erlauben es uns, ein Tier vom Vorrat auf die Serengetilandschaft einzusetzen. Dabei wählen wir eines von jeweils drei Tieren aus den Kategorien Groß- und Raubtiere sowie Aas- und Pflanzenfresser. Die restlichen vier Aktionsbereiche erlauben uns das Versetzen eines bzw. Tauschen zweier Tiere, sowie das Nehmen von neuen Aufträgen. Diese werden aus einer offenen Auslage von sechs Auftragskarten gezogen, die bei Nichtgefallen auch einmal komplett abgeräumt werden kann, bevor man neue Aufträge auf die Hand nimmt.

Unser Spielbereich gestaltet sich recht übersichtlich. Neben einem „Filmstreifen“, wo wir erledigte Aufträge offen ablegen, sammeln wir hier außerdem verschiedene Marker, die es uns zusätzlich erlauben, Tiere auf dem Plan zu bewegen oder Bedingungen auf Aufträgen zu ignorieren. In einer fortgeschrittenen Variante lege hier außerdem unsere Produzenten Charakterkarte aus, die uns zu Spielbeginn verschiedene Vorteile gewähren oder am Ende des Spiels für das Sammeln bestimmter Dinge zusätzliche Punkte geben würde. Von anfänglich acht Auftragskarten dürft ihr zu Spielbeginn vier behalten und dann kann es auch schon losgehen.

 

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Gespielt werden sechs Drehtage, wie die Spielrunden hier heißen. Die Runde beginnt mit dem Erhalt von Geld und zusätzlichem Einkommen in Form von Effekt- und Futterködermarkern, die auf unseren bereits erledigten Auftragskarten zu sehen sind. Reihum zahlen wir innerhalb einer Runde eine Münze, um unsere einzige "Kamera" auf einem der Aktionsfelder einzusetzen und die Aktionen dort zu nutzen. Vor oder nach dieser einen Aktion dürfen wir beliebig viele Aufträge auf unserer Hand erfüllen und offen auslegen. Dabei erhalten wir Boni in Form von Effekt- oder Futterködermarkern oder Erfolgspunkte. Oft ist den Auftragskarten auch zu entnehmen, wie viele Erfolgspunkte zu Spielende ausschüttet werden, abhängig davon, wie viele von den geforderten Symbolen wir sammeln konnten.

 

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Die Auftragskarten gibt es in drei verschiedenen Ausführungen. Entweder sollen wir Tiere in der richtigen Reihenfolge in einer geraden Linie stehen haben, Tiere um ein anderes Tier kreisförmig anordnen oder es sollen die abgebildeten Tiere auf bestimmten Landschaftsfeldern stehen. In den Runden 4, 5 und 6 werden Ereignisse abgewickelt: In allen drei Runden erleben wir "die große Flucht". Dazu wird eine Fluchtkarte gezogen und gemäß den Anweisungen auf der Karte entfernen wir von abgebildeten Feldern Tiere vom Plan, da dieser sich bis dahin oft reichlich mit Tieren gefüllt hat. In den Runden 4 und 6 werden außerdem Preise in Form von zusätzlichen Erfolgspunkten vergeben.

 


thorben meinung 

 

Normalerweise fällt es mir von allen Hypes losgelöst, nicht sehr schwer, eine eigene Meinung zu einem Brettspiel zu bilden und anschließend auch eine Empfehlung abzugeben. Selbst dann nicht, wenn sich ein Spiel nur in einer langen Reihe gehobener Durchschnittskost einreiht. Bei Wilde Serengeti ist das anders. Ich selber gehöre vermutlich mit zur Zielgruppe von Wilde Serengeti. Dass es sich hier thematisch nicht um eingesperrte Tiere dreht, sondern diese sich in ihrer natürlichen Umgebung befinden, frei bewegen und von uns Menschen beobachtet und gefilmt werden sollen, finde ich als Spielidee überragend.

 

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Visuell hebt sich das Spiel sehr positiv von vielen anderen Spielen ab. Um nur einige Beispiele anzuführen, die mein Herz im Sturm eroberten: Das Cover der Spielanleitung ist aufgemacht wie das Filmplakat einer Dokumentation, die demnächst im Kino meines Vertrauens zu sehen sein könnte. Der 3D-Felsen auf dem der kleine Hornvogel als Rundenmarker weiterzieht um damit anzuzeigen in welcher Runde wir uns befinden und die bedruckten "Animeeples" haben einen unbeschreiblichen Aufforderungscharakter, den ich in dieser Form bei vielen anderen Spielen oft vermisse. Auf der anderen Seite ist Wilde Serengeti ein Puzzlespiel, bei dem wir Aufträge so sammeln und kombinieren müssen, dass durch Einsetzen und Bewegen von Tieren diese möglichst oft erfüllt werden können. Auch Puzzlespiele liebe ich, sowohl konventionelle wie auch diejenigen, die sich in Brettspielen in Form von Plättchenlegen oder Enginebuilding verbergen. Und doch will Wilde Serengeti bei mir überhaupt nicht zünden. Wir haben das Spiel zu viert, zu zweit und als Solovariante intensiv getestet um mögliche versteckte Potenziale aufzudecken - leider ohne positives Endergebnis.

 

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Woran liegt das?

Zunächst einmal muss man sich die Auftragskarten, die Dreh- und Angelpunkt des Spiele sind, sehr genau ansehen. Schon zu Beginn des Spiels müssen wir uns für vier von acht Karten auf der Hand entscheiden. Anfangs fällt uns die Auswahl noch recht leicht, da noch kein Tier auf dem Plan steht und wir die Aufträge so kombinieren, dass sie möglichst gut kombinierbar sind. Ich wähle also möglichst viele Aufträge, die dieselben Tiere zeigen oder mich möglichst gleiche Sets von Symbolen sammeln lassen, sowie Aufträge die Markereinkommen generieren, um mir zukünftige Aufträge zu erleichtern. Im Verlauf des Spiels füllt sich dann der Plan mit den insgesamt zwölf verschiedenen Tierarten und wir ergreifen Gelegenheiten Auftragskarten zu schnappen, die unsere Sammelsymbole zeigen oder weitere spielerische Vorteile bieten, die jetzt gerade erfüllbar sind.

Bei vier Spielern am Tisch ist bei den Tieren auf dem Plan und den Aufträgen so viel Bewegung enthalten, dass es oft erst Sinn macht, seinen Zug zu planen, wenn man selbst an der Reihe ist. Und da stellt man erschreckend oft fest, dass die eigenen Optionen gar nicht so gut sind und sich Pläne nicht wirklich umsetzen lassen. Manchmal jedoch wurden mir vor meinem Zug die Figuren so günstig bewegt oder aufgestellt, dass ich in mancher Runde drei Aufträge auf einmal erfüllen konnte. Doch das Gefühl ist immer dasselbe, nämlich, dass dies gerade doch sehr zufällig entstanden ist. Diese Momente erlebt man in Partien mit hoher Spielerzahl tendenziell häufiger, denn es wird mehr auf dem Spielplan bewegt als im Solospiel oder zu zweit, wo sich derartige Gelegenheiten so gut wie gar nicht ergeben und man einfach darauf hoffen muss, die richtigen Aufträge zu erhalten. Überhaupt fällt die Häufigkeit der Aktionswahl "Alle Aufträge abräumen, sechs neue auslegen und einen davon nehmen" alarmierend hoch aus. Auch als Gelegenheits- oder Kennerspieler:innen hat man hier schnell das Gefühl, dass dieses Spiel irgendwie nicht richtig funktioniert, denn jeder fischt die ganze Zeit nach neuen passenden Aufträgen, um die Setboni für das Spielende so gut wie möglich auszureizen.

 

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Nach einigen Partien habe ich ein ungefähres Gefühl davon erhalten, welche Aufträge Pflichtkäufe sind und welche man lieber liegen lässt. Nur sehr selten gibt es Augenblicke wo jemand anderes mir eine Aktion oder Karte weggeschnappt hat. Oft komme ich mit meinen Sets einfach nicht weiter, weil die entsprechenden Karten nicht kommen wollen oder aber abgeräumt wurden, ehe ich die Gelegenheit hatte zuzuschlagen. Glück und Zufall sind einer der drei großen Spaßkiller des Spiels, der fehlende Spannungsbogen und das Überprüfen von Aufträgen die anderen beiden. Etwa beginnend mit Runde 2, spätestens aber in Runde 3 habe ich ständig acht bis zehn Aufträge mit den auf den Plan befindlichen zehn bis fünzehn Tieren und deren Positionen gegenzuprüfen. Das macht keinen Spaß, das ist Arbeit und obendrein noch völlig unspannend. Nicht nur, weil meine Möglichkeiten zur Beeinflussung sehr begrenzt sind, sondern auch weil das Prinzip Auftrag nehmen, prüfen und erfüllen als tragendes Element für guten Spielspaß nicht ausreicht.

 

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In der Solovariante wird das Spiel dahingehend angenehmer, als dass ich die Bewegung auf dem Plan allein steuere. Hier hat man allerdings erkannt, dass das für das Bestreiten einer Partie gar nicht ausreicht, also "hilft" hier die Regel, dass zu Beginn des Spiels bereits 8 Tiere auf dem Spielplan stehen. Diese soll ich gerade so setzen, wie ich möchte, noch bevor ich irgendeine Auftragskarte gesehen habe. Leider hilft mir das meistens überhaupt nicht. Benötigte Tiere stehen dann zwar schon auf dem Plan, bewegen muss ich sie aber in der Regel trotzdem noch um Aufträge zu erfüllen. Futterködermarker um Tiere zu bewegen, erhalten im Solospiel daher einen besonders hohen Stellenwert. Spätestens ab Runde 4 ist die Lust am Weiterspielen dann aber gänzlich verflogen. Wegen der wilden Prüferei am Tisch ist bis dahin oft bereits eine ganze Menge Spielzeit verstrichen und wenn es nun blöd läuft, flüchten über die Hälfte der Tiere vom Plan und müssen später neu aufgestellt werden. Die Notwendigkeit dazu begreift jeder, der am Tisch sitzt, denn der Plan ist dann oft so voll, dass einem beim Prüfen schwindelig wird. Doch diese völlige Neubewertung, in dem Moment wo man nun endlich ungefähr weiß, welches Tier für welchen Auftrag verschiebbar ist, frustet genau so sehr wie die Unüberschaubarkeit des Geschehens in dem Moment vor der großen Flucht.

Das Spiel wirkt unfertig und bedarf in meinen Augen der professionellen Überarbeitung eines erfahrenen Verlages. Ich hoffe sehr, dass sich noch einmal jemand an dieses Spiel heranwagt, es weiterentwickelt, an den richtigen Stellen entschlackt und um unterhaltsame Mechaniken erweitert, damit wir uns auf eine tolle zweite Edition freuen können.

 

 

wertung

 

 

 

 

 

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