TEST // CHICAGO 1875; CITY OF THE BIG SHOULDERS

TEST // CHICAGO 1875: CITY OF THE BIG SHOULDERS

Verfasst von Fabian König am . Veröffentlicht in Brettspieltest

1871: Chicago steht in Flammen. Ein verheerender Brand zerstört große Teile der Innenstadt. Etwa acht Quadratkilometer brennen bis auf die Grundfesten nieder. Der entstandene Schaden ist derart katastrophal, dass, nachdem das Feuer endlich gelöscht wurde, darüber abgestimmt wird, ob die Stadt aufgegeben und an anderer Stelle neu erbaut werden soll. Aber die Bürger beschließen, ihre Stadt nicht einfach abzuschreiben, sondern sie wiederaufzubauen. In den nächsten 50 Jahren erlebt Chicago ein goldenes Zeitalter. Kannst auch du vom Aufschwung profitieren? In Chicago 1875 schlüpfen die SpielerInnen in die Rollen von Industriellen der Stadt und wetteifern um das größte Vermögen.

CHICAGO 1875 wurde uns freundlicherweise von QUINED GAMES kostenlos zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinerlei Einfluss auf unsere Bewertung.

 

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Lasst uns die Ärmel hochkrempeln

 

Das Spiel wird über fünf Runden gespielt. Eine Runde stellt in etwa eine Dekade dar. Wer am Ende über das meiste Geld im Privatvermögen verfügt, gewinnt das Spiel.

Die SpielerInnen verfügen zu Beginn über ein geringes Startkapital sowie einen Anteil von 30 % einer Firma und damit auch deren Direktion. Nun geht es darum, innerhalb der fünf Runden möglichst viel Geld in die eigene Tasche zu erwirtschaften. Wichtig ist dabei, dass die einzelnen SpielerInnen zum einen über Geld verfügen, das in ihren Firmen steckt, zum anderen aber auch ein privates Vermögen besitzen. Beides wird stets getrennt voneinander behandelt.

 

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Eine Runde besteht aus folgenden fünf Phasen:

The Stock Phase: Am Anfang jeder Runde haben die SpielerInnen die Möglichkeit, Anteile im Wert des aktuellen Aktienwerts an den eigenen und an den Firmen der anderen Spieler zu erwerben oder abzustoßen. Diese Anteile werden entweder direkt von der Firma oder aus dem Bankvorrat gekauft. Abgetretene Anteile gehen an die Bank. Durch den Verkauf sinkt der Aktienwert der jeweiligen Firma abhängig von der Anzahl der Anteile, die abgestoßen werden. Außerdem können in dieser Phase, mit Einsatz von eigenem Kapital, neue Firmen gegründet werden.

The Building Phase: Die Spielenden bekommen zufällig Gebäude zugeteilt, von denen sie genau eines bauen können.

The Action Phase: Diese Phase besteht aus klassischem Worker-Placement. Die SpielerInnen setzen ihre Partner auf Aktionsfelder. Die Aktionsmöglichkeiten sind dabei vielfältig: Die Spielenden stellen Arbeiter ein, steigern die Attraktivität ihrer Firmen, sammeln Kapital, rekrutieren Manager und Vertriebler, kaufen Investitionsgüter oder zahlen Dividenden aus, um den Aktienwert zu steigern.
Außerdem können die Partner auf eigene Gebäude und die der anderen SpielerInnen gesetzt werden. Dadurch werden bestimmte Vorteile erworben, z.B. Ressourcen vom Heumarkt oder die Automatisierung eigener Fabriken. Außerdem erhält der/die BesitzerIn des Bauwerkes einen kleinen Bonus.

 

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The Operating Phase: In der Reihenfolge der Firmenattraktivität werden in den Fabriken Güter produziert und im Anschluss damit die Bedürfnisse der Stadt Chicagos gedeckt. Für die Produktion werden passende Ressourcen benötigt, die mit Firmenkapital erworben oder auf dem Heumarkt gegen anderen Güter ertauscht werden können. Wurden genügend dieser Ressourcen erworben, kann produziert werden. Sollte eine Fabrik voll automatisiert sein, produziert diese mehr Güter.
Nun können die hergestellten Güter direkt vertrieben werden. Leider können diese nicht unendlich zum Maximalpreis verkauft werden. Durch zufällig gezogene Plättchen wird der Bedarf an den entsprechenden Gütern bestimmt. Zu Beginn ist es noch leicht, seine Güter sogar mit einem Bonus zu verkaufen. Gegen Ende des Spiels ist die nahende Wirtschaftskrise deutlich zu spüren und sollte der Markt bereits mit einer Ware überschwemmt sein, bringen die SpielerInnen diese nur noch zum halben Preis an den Mann.
Nach dem Verkauf kann der/die BesitzerIn der Firma entscheiden, ob das gerade erworbene Geld komplett in der Firma bleiben soll oder unter den Anteilseignern verteilt wird. Ersteres hat negative Konsequenzen auf den Aktienwert. Sollte sich der/die SpielerIn jedoch entscheiden, Teile des Gewinns als Dividende auszuschütten, werden diese entsprechend der Anteile an die SpielerInnen oder die Bank ausgezahlt. Dafür steigt aber auch der Aktienwert, je nach Höhe des Gewinns.

 

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The Cleanup Phase: In der letzten Phase werden die komplett befüllten Bedarfsplättchen entfernt und (falls noch vorhanden) durch neue ersetzt. Außerdem wird der Ressourcenmarkt und das Angebot an Investitionsgütern aktualisiert.

Nach Ende der fünften Runde findet die Abschlusswertung statt. Durch fünf Zielplättchen, die am Anfang des Spiels zufällig gezogen wurden, können die SpielerInnen noch 200$ je Plättchen verdienen.

 

Die Mittel zum Erfolg

An dem Spielmaterial gibt es wenig auszusetzen. Das Spielbrett ist sehr minimalistisch gestaltetet, aber sehr stylisch und übersichtlich. Die Illustrationen sind schön gezeichnet und passen sehr gut zum Thema Industrialisierung. Es sind viele Holzkomponenten enthalten. Besonders der „Priority Deal marker“ in Form einer Dampflok ist äußerst schön geraten. Das Spielgeld ist leider nur, ganz monopolyesk, aus dünnem Papier.

Die Anleitung ist sehr gut geschrieben. Zuerst werden die einzelnen Spielkomponenten erklärt, dann werden die Phasen nacheinander übersichtlich dargestellt. Dazu gibt es viele mit Bildern veranschaulichte Beispiele. Im hinteren Teil der Anleitung ist eine Übersicht zu finden, die die Funktionen der Gebäude und Investitionsgüter, von denen es doch einige gibt, erklärt.


Um eines vorweg zu klären: CHICAGO 1875 ist kein Spiel für jedermann. Es ist für SpielerInnen gemacht, die Wirtschafts- und Handelsspiele mögen und auch mit dem Thema „Industrialisierung“ etwas anfangen können. Alle anderen werden sich vermutlich langweilen. Wenn sich die SpielerInnen aber vollkommen darauf einlassen können, erwartet sie ein sehr gut funktionierendes Börsenspiel, dessen Mechanismen perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Ich persönliche habe das Spiel genossen. Es macht Spaß, die Attraktivität der Firmen zu steigern und dafür wertvolle Boni zu bekommen, den Wert der Aktien klettern zu sehen oder auch von einer fetten Dividendenzahlung zu profitieren.

 

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Die Interaktion unter den Spielenden ist sehr hoch, da es möglich ist, sich direkt in die Firmen seiner Konkurrenten einzukaufen und an deren Erfolg teilzuhaben. Außerdem kann durch den Verkauf von Anteilen der Aktienwert der Konkurrenzfirmen gedrückt werden. Im fortgeschrittenen Spiel können sogar die Firmen der anderen übernommen werden, sobald ein/e SpielerIn mehr Anteile besitzt als der/die aktuelle BesitzerIn.

Es gibt sehr viele unterschiedliche strategische Möglichkeiten, die zum Sieg führen können. Fahre ich beispielsweise eine Ein-Firmen-Strategie und versuche, diese möglichst wertvoll zu machen, gründe ich viele Firmen und bediene den ganzen Markt oder streue ich meine Kapital in möglichst viele Konkurrenzfirmen? Alles KANN funktionieren.

Sehr interessant finde ich auch den Aspekt, dass nur das Geld im persönlichen Vermögen zur Endwertung herangezogen wird. Alles was bei Spielende in den Firmen liegt, zählt einfach nicht. Daher muss im Laufe des Spiels darauf geachtet werden, auch in die eigene Tasche zu wirtschaften. Investitionen aus dem eigenen Vermögen sollten trotzdem nicht gescheut werden, da sonst die eigenen Firmen von der Konkurrenz schnell abgehängt werden. Ein Glücksfaktor ist kaum vorhanden. Lediglich beim Ziehen der Gebäude und beim Bestimmen der Bedarfe kommt ein leichter Glücksanteil ins Spiel, der aber marginal ist.

 

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Aufgrund der recht umfangreichen Spielanleitung habe ich mit einem etwas sperrigen Spielablauf gerechnet. Dies mag auf die erste Runde mit neuen SpielerInnen zutreffen, aber insgesamt sind die Phasen logisch aufeinander aufgebaut. Ab der zweiten Runde läuft es dann flüssig und die Wartezeit für jeden Spieler ist gering. Eine Ausnahme bildet jedoch die „Operating Phase“. Bis jede Fabrik ihre Waren produziert hat, die Waren verkauft und alle Dividenden ausgezahlt wurden, vergeht schon sehr viel Zeit und der Ablauf wird dadurch gehemmt.

Während des Spiels muss viel mit Prozenten gerechnet werden. Das kann mitunter sehr anstrengend sein. Für weniger starke Kopfrechner empfiehlt es sich einen Taschenrechner bereit zu legen.

Den Umgang mit dem Papiergeld empfand ich während meiner Testpartien als furchtbar. Alles war unübersichtlich und sehr fummelig. Daher meine Empfehlung: Spielt das Spiel mit Pokerchips, falls ihr welche zur Hand habt. Es macht das Spielerlebnis wesentlich angenehmer.

Das Spiel zu zweit ist nicht empfehlenswert, da es von den Interaktionen der SpielerInnen lebt. Mindestens zu dritt sollte man sein, aber die Vollbesetzung (4 Spieler) bringt den größten Spaß. Sattelfeste Englischkenntnisse werden zumindest für das Regelstudium vorausgesetzt. Das Spielmaterial selbst ist größtenteils sprachneutral.

Jede/r der gerne Wirtschaftssimulationen à la Food Chain Magnate oder Brass spielt, sollte mal einen Blick auf dieses Spiel wagen.

 

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Bilder zum Spiel

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Tags: Worker Placement, Wirtschaftsspiel, 2-4 Spieler, Eurogame, Strategie

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