TEST // DER WEIßE HAI

TEST // DER WEIßE HAI

Verfasst von Deniz Jansen am . Veröffentlicht in Brettspieltest

Beim Thema Brettspiele fallen den meisten Menschen nicht sofort Umsetzungen von großen Blockbustern oder Videospielen ein. Hauptsächlich liegt das an den Umsetzungen aus den 1990er und frühen 2000er Jahren, die häufig nicht den besten Ruf genossen. Bei DER WEIßE HAI denkt man auch nicht gleich an ein Brettspiel, aber der Versuch der Umsetzung des Blockbusters in ein Brettspiel wurde dennoch gewagt. Reiht sich DER WEIßE HAI in die Geschichte der in Brettspiele umgesetzten Blockbuster und Videospiele der 1990er und 2000er Jahre ein oder hat sich der Mut gelohnt?

 

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Um diese Frage zu beantworten, wurde uns freundlicherweise eine Kopie des Spiels DER WEIßE HAI vom Ravensburger Spiele Verlag zur Verfügung gestellt. Dies hat natürlich keinerlei Einfluss auf diesen Test.

 

Darum geht es im Spiel

Bei DER WEIßE HAI teilt sich die Spielergruppe, bestehend aus 2-4 Spielern, in 2 Fraktionen auf. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Hais, während die anderen Spieler die Rollen seiner menschlichen Gegenspieler übernehmen. Dabei hat jeder Spieler eigene Aufgaben zu erfüllen und eigene Stärken, um das Team zu unterstützen. Beim Spielaufbau ist die Spielerzahl vorerst irrelevant, solange die Mindestanzahl an Spielern erreicht wurde (2), da alle Figuren gespielt werden. Bei 2 Spielern spielt ein Spieler den Hai und der andere Spieler übernimmt die Rolle aller 3 Menschen.

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Dem Film nachempfunden teilt sich das Spielgeschehen in zwei Akte auf, in denen es unterschiedliche Spielziele gibt. Im ersten Akt gilt es für den Hai, die ahnungslosen Schwimmer zu verspeisen, während die drei menschlichen Gegenspieler Quint, Brody und Hooper versuchen müssen, den Hai aufzuspüren, Strände zu schließen und die restlichen Schwimmer von ihrem Verderben zu bewahren. Spielerisch bedeutet dies, dass der Hai, ähnlich wie bei Scotland Yard oder anderen asymmetrischen Spielen, seinen Zug im Geheimen ausführt und den anderen Spielern danach sagt, ob und wo er Schwimmer gefressen hat oder ob er einfach nur geschwommen ist. Nur der Spieler des Hais weiß dabei, wo er sich befindet, da er seine Bewegungen in einer Tabelle festhalten kann, die nur er einsieht.

Dem Hai bleiben während seines Zuges insgesamt 3 Aktionen, von denen auch Aktionen doppelt ausgeführt werden können. Diese Aktionen kann der Hai nutzen, um ein Feld weit zu schwimmen (pro Aktion) oder einen Schwimmer zu fressen. Zum Beispiel kann der Hai 3 Schwimmer fressen, sich dabei aber nicht bewegen, 3 Felder schwimmen, aber niemanden fressen, oder eine Kombination aus diesen beiden Aktionen ausführen. Damit es nicht zu eintönig wird, hat der Hai 4 besondere Aktionen, die er jeweils nur einmal während des ersten Aktes einsetzen kann. Unter anderem kann er sich mit diesen Aktionen 3 Felder bewegen, anstelle des üblichen 1, alle Schwimmer an einem Ort auf einmal fressen oder sich unter dem Radar der Mitspieler befinden. Die Mitspieler wissen dabei nicht, welche konkrete Aktion der 4 möglichen Aktionen genutzt wurde, aber der Hai muss ansagen, dass eine solche Aktion genutzt wurde.

 

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Nachdem der Hai sein Mittagessen zu sich genommen hat, versuchen die Gegenspieler, den Hai mit Signalfässern zu bewerfen, ihm mit den Fässern gewisse Wege zu versperren oder das bereits angesprochene „Radar“ zu nutzen, um eine ungefähre Ahnung zu erhalten, wo sich der Hai befindet. Hooper ist dabei der Spezialist für das Radar. Hooper ist eine der 2 Figuren, die sich mit einem Boot auf dem Wasser befinden und damit dem Hai sein Territorium streitig machen. Mit dem Radar kann Hooper, wenn er dafür eine Aktion nutzt, den Hai-Spieler fragen, ob er sich an der gleichen Position befindet wie Hooper oder an einem angrenzenden Feld ist. Ist dies geschehen und (im Bestfall) die Position des Hais etwas eingegrenzt worden, ist die Zeit für Quint gekommen.

Quint ist der zweite Bootsfahrer und für die Signalfässer zuständig. Diese Signalfässer haben zwei wichtige Funktionen. Zum einen können Fässer dem Hai Wege erschweren, da sie als Signalgeber dienen, wenn ein Hai auf ein Feld kommt, auf dem sich auch ein Fass befindet. Andererseits können die Fässer genutzt werden, um den Hai damit zu bewerfen, was enorm wichtig für die menschlichen Spieler ist (dazu später mehr). Der dritte Mann der Runde ist Brody. Brodys Revier ist die Insel und er ist hauptsächlich dafür zuständig, dass immer genug Fässer zur Verfügung stehen. Zusätzlich kann auch Brody ein Fernglas benutzen, um, ähnlich wie beim Radar, eine mögliche Position des Hais zu ermitteln. Der erste Akt kann schlussendlich auf zweierlei Weise enden. Entweder trifft Quint zweimal mit seinen Fässern oder der Hai frisst insgesamt 9 Schwimmer. Je nachdem, was als erstes geschieht, gewährt es den jeweiligen Fraktionen Vor- und Nachteile. Umso mehr Schwimmer der Hai frisst, desto mehr Bonuskarten hat er für den zweiten Akt und desto weniger Karten haben die anderen Mitspieler. Schnelles „Fasswerfen“ ist hier also gefragt.

 

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Im zweiten Akt ändert sich das Spiel schlagartig. Ähnlich wie im Film befinden sich die Spieler nicht mehr auf der Insel Amity, sondern auf dem Schiff „Orca“ und stehen nun von Angesicht zu Angesicht dem großen weißen Hai gegenüber. Das Ziel ist es nun für die Menschen, dem Hai insgesamt 18 Schadenspunkte zu verursachen, während der Hai versucht, das Schiff oder alle Besatzungsmitglieder zu fressen. Dafür werden das Spielfeld mit der Insel umgedreht, 6 Schiffskarten auf den dafür vorgesehenen Plätzen platziert und die Spielertableaus umgedreht. Nun erhalten alle menschlichen Spieler Ausrüstungskarten, je nachdem, wie schnell sie den Hai stoppen konnten, und der Hai erhält ebenfalls Fähigkeitskarten, die er braucht, um dem Schiff schneller Schaden zuzufügen.

In Akt 2 werden nun zu Beginn einer Runde sogenannte „Auftauchen“-Karten gezogen und offen auf dem Spielfeld platziert. Diese Karten geben beiden Fraktionen wichtige Informationen. Zum einen kann auf diesen Karten gesehen werden, an welchen Punkten des Schiffes der Hai angreifen kann, zum anderen weiß der Hai anhand der Karten, wie viele Würfel er für einen Angriff auf diesen Teil des Schiffes erhält und wie seine Verteidigung dort aussieht. Im Geheimen wählt der Hai nun eine dieser 3 Positionen aus und sagt an, ob er auch eine Fähigkeitskarte ausspielen möchte oder nicht. Die 3 Mitspieler entscheiden nun, welche Position sie verteidigen möchten und wer welche Waffe einsetzen möchte. Ist dies geschehen, deckt der Hai seine Wahl auf, woraufhin die Gegenspieler den Hai attackieren können, wenn sie die richtige Wahl des Ortes getroffen haben. Nach dem Angriff greift der Hai das Boot an und versucht, Teile des Bootes zu zerstören. Ist ihm dies gelungen, indem er zum Beispiel einen hohen Wert mit den speziellen Schadenswürfeln gewürfelt hat, wird der Teil des Bootes zerstört und Spieler die sich auf diesem Teil des Bootes befinden, fallen ins Wasser. Sobald ein Spieler ins Wasser fällt, kann der Hai diesen direkt angreifen, wobei der Spieler ab einer gewissen Schadensmarke stirbt und damit aus dem Spiel ausscheidet.

Das Spiel kann nun auf 3 Arten enden: Entweder zerstört der Hai das komplette Schiff, der Hai frisst alle Menschen oder die Menschen töten den Hai.

 

Was ist in der Box?

Das Spielmaterial von DER WEIßE HAI gliedert sich genre-typisch in die verschiedenen Kartenarten, einige Papp-Marker und Spielfiguren. Letztere sind jedoch keine „normalen“ Spielfiguren, sondern kommen mit 2 kleinen Booten, 3 verschiedenfarbigen Meeples und einem kleinen Haimaul, das das berühmte Filmplakat imitiert, als Marker für den weißen Hai daher. Die „Auftauch“-, Ausrüstungs- und Fähigkeitskarten, die für den zweiten Akt gebraucht werden, sind jeweils in einer so großen Anzahl vorhanden, dass sich die Karten in verschiedenen Spieldurchläufen nicht zwangsläufig wiederholen und dadurch etwas Variation eingebracht werden kann.

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Das Design und das Artwork lehnen sich klar an den Film der 70er Jahre an. Vieles wurde unmittelbar Filmszenen nachempfunden und der Grafikstil erinnert an ein sehr simples und schlichtes Design der 70er Jahre. Die Qualität des Spielmaterials ist sehr gut. Die Spielschachtel enthält zudem ein simples Sortiersystem aus Pappe, um einige essentielle Spielmaterialien zu trennen. Der Druck der Karten sowie der Druck auf der „Figur“ des weißen Hais sind sehr scharf und besitzen sehr satte Farben. Der einzige Kritikpunkt hierbei ist, dass die Karten sehr dünn sind und keine Verstärkung durch Plastik besitzen. Es ist also ratsam, bei erhöhter Nutzung auf Schutzhüllen oder sonstige Schutzmittel zurückzugreifen, um bleibende Schäden zu vermeiden.

Auch das Regelbuch ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar erklärt es die Regeln sehr ausführlich und verständlich, jedoch werden eher lesefaule Spieler hier von einer ganzen Wand aus Text erschlagen, die nur selten von Bildern durchbrochen wird. Alternativ wird jedoch auf ein YouTube-Video auf dem offiziellen YouTube-Kanal von Ravensburger verwiesen, bei dem die Regeln in einem etwa 30 minütigen Video von den YouTubern Hunter und Cron erklärt werden.


 

deniz meine meinung überschrift

Ich möchte erst gar nicht lügen. Als ich das Spiel DER WEIßE HAI auf meinen Tisch bekam, musste ich vor lauter Verwirrung erst einmal laut lachen. „Wer kam denn auf DIESE Idee?!“ ging mir dabei nicht nur einmal durch den Kopf. Da ich außerdem nie ein großer Fan des Films bzw. der Filme war, könnte man meinen, dass die Voraussetzungen für diesen Test denkbar schlecht waren. Zum Zwecke der journalistischen Integrität diese Zweifel beiseite schiebend widmete ich mich dem Spiel dennoch so unvoreingenommen, wie ich es vermochte, und wurde durchaus überrascht. Als Hai bekommt der Spieler wirklich das Gefühl, eine übermenschliche Fressmaschine zu sein, die eine große Bedrohung für die Menschen auf Amity darstellt. Besonders im ersten Akt ist diese „Übermacht“ deutlich, da Quint, Brody und Hooper meist panisch im Dunkeln stochern, um den Hai endlich zu erwischen. Besonders gefährlich ist es, wenn der Hai von einem erfahrenen Spieler gespielt wird, da der Hai sich dadurch seine sehr wichtigen Boni für den zweiten Akt besonders gut verdienen kann. Sobald der zweite Akt erreicht wird, ändert sich dieses Verhältnis schlagartig. Die bisherige Position des Hais wendet sich plötzlich zum negativen und er muss sehen, wie seine Gegenspieler immer mehr an Land gewinnen. Dabei ist es aber niemals unfair. Weder der Hai noch die 3 Spieler sind in ihren jeweiligen Phasen hoffnungslos unterlegen und ein Sieg ist für jeden zu jederzeit greifbar.

 

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Ravensburger hat dem Spiel jedoch einen „Kommentar“ gegeben, den ich nicht einfach so „unterschreiben“ kann: „Ein Strategiespiel voller Spannung!“. Spannung? Ja, wenn die Spielergruppe stimmt, absolut. Wir haben uns in unserer Spielergruppe auch den Spaß gemacht, die Titelmusik und Soundeffekte des Films nebenbei laufen zu lassen. Aber „Strategiespiel“? Natürlich besitzt DER WEIßE HAI sehr viele strategische Elemente, die besonders für Strategiespieler ansprechend sein könnten, aber „Strategiespiel“ ist deswegen noch lange nicht die erste Beschreibung, die mir für dieses Spiel in den Sinn kommt. Besonders die Würfelergebnisse in Akt 2 und die Fähigkeiten und Ausrüstungskarten bringen einen nicht kontrollierbaren Zufallseffekt in das Spiel ein, dem die Spieler nur minimal mit „Strategie“ entgegenwirken können. Die Reihenfolge der „Auftauchen“-Karten kann dabei den entscheidenden Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Besonders die „Übermacht“ der menschlichen Spieler im zweiten Akt lassen den Hai eher auf Spielfehler seiner Mitspieler oder sein eigenes Glück hoffen. DER WEIßE HAI ist eher ein kooperatives Spiel, bei dem jedes Zahnrad funktionieren muss, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu führen. Durch die ganz eigenen Stärken der Spielfiguren fühlt sich jeder Mitspieler nützlich und kann sich aktiv an der Planung der Gruppe beteiligen. Und der Hai? Ist es schlimm, dass er sich im zweiten Akt eher unterlegen fühlt? Nein! Dafür, dass er im zweiten Akt seine Stärke etwas einbüßt, hat er im ersten Akt eine Übermacht, die ihm so leicht keiner nehmen kann. Einen „Sieg“ hat der Hai damit also schon. Besonders wegen der Thematik des Films (und dadurch auch des Spiels) ist es der Atmosphäre sogar zuträglich, wenn der Hai verliert. Der Hai muss nur das beste aus seiner Situation machen. So viel Schaden wie möglich anrichten, seine Gegenspieler gegeneinander ausspielen und so viele „Omnomnom“-Geräusche wie möglich machen, sind hier die Devise. Für wen ist DER WEIßE HAI also nun geeignet?

Fans der Filme können bedenkenlos zugreifen. Auch Spielergruppen, die ein kooperatives Erlebnis teilen wollen, das es in einem solchen Ausmaß bisher eher selten gegeben hat, dürften mit diesem Spiel ebenfalls ihre Freude haben. Pure Strategen, die hier auf ein strategisches Meisterwerk gehofft haben, bei dem alles vom strategischen Talent der Mitspieler abhängt, werden hier jedoch enttäuscht. Zwar beinhaltet das Spiel zweifelsohne strategische Elemente, und das sollte auch jedem Spieler klar sein, aber um ein reines Strategiespiel handelt es sich nicht.

 

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Bilder vom Spielmaterial

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Tags: Kinofilm, Detektiv, 60 Minuten, Kämpfen, Bluffen, 2-4 Spieler

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