TEST // ESCAPE PLAN

TEST // ESCAPE PLAN

Verfasst von Deniz Jansen am . Veröffentlicht in Brettspieltest

Kohle eingesackt, Komplizen alle geflohen und das Fluchtauto lief bestens. Der Bankraub war ein voller Erfolg! So oder so ähnlich könnte die Vorgeschichte von ESCAPE PLAN lauten. Nur gibt es ein Problem: Die Polizei hat durch ihre Quellen Wind von der Sache bekommen und riegelt alle Fluchtwege der Stadt ab. Nun heißt es also, das Geld aus seinen Verstecken zu holen und die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen! Jeder kämpft für sich allein und wenn ein ehemaliger Komplize als Ablenkung für die Polizei dient, ist das vermutlich nur von Vorteil. Aber wie spielt es sich, aus einer Stadt zu fliehen, während einen die Polizei auf Schritt und Tritt verfolgt?

 

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Um diese Frage zu beantworten, liegt uns ein von brettspiel-news.de gekauftes Exemplar des Spiels ESCAPE PLAN von Eagle-Gryphon Games vor. Dies hat natürlich keinen Einfluss auf diese Rezension!

 

Darum geht es im Spiel!

Bei ESCAPE PLAN schlüpfen die Spieler in die Rolle von Bankräubern, die nach einem erfolgreichen Coup all ihre Raffinesse einsetzen müssen, um so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich aus den Tresoren und Lagerhäusern zu holen und damit zu verschwinden. Dabei arbeiten 2-5 Spieler zu jedem Zeitpunkt gegeneinander, da sich nur einer zum Schluss das meiste Geld sichern kann. Der Clou an der Sache ist, dass das Spiel auch ein Wörtchen mitzusprechen hat und dadurch auch jeder Spieler verlieren könnte. Aber nun erst einmal langsam und Schritt für Schritt.

 

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Zu Beginn des Spiels sucht sich jeder Spieler eine von fünf Spielerfarben aus und nimmt sich die entsprechenden Spielfiguren und das farbige Spielertableau. Auf dem Spielertableau befinden sich die wichtigsten Informationen der eigenen Spielfigur. Das Einkommen, die Gehilfen, das Inventar und die Gesundheit des eigenen Charakters kann dabei anhand eines kurzen Blickes ermittelt werden. Das tatsächliche Geld der Charaktere befindet sich hinter einem Sichtschutz, die diese Informationen vor den Mitspielern verborgen halten, während die Informationen der Spielertableaus auch für die Mitspieler immer offen sind.

 

 

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Ist dies geschehen, erhält jeder Mitspieler eine „Escape Plan“-Karte, die vor den anderen Spielern verborgen werden sollte. Nach dem Bankraub haben die Spielfiguren ihr Geld nämlich überall in der Stadt verteilt, um auf Nummer sicher zu gehen. Auf der eigenen „Escape Plan“-Karte steht für jeden Spieler nun individuell, in welchen Etablissements oder in welchem Safe House er das Geld versteckt oder investiert hat. Das Ziel der Spieler ist es, im Laufe des Spiels so viele dieser auf der Karte angegebenen Gebäude zu besuchen, das Geld dort abzuheben und damit schlussendlich aus der Stadt zu fliehen. Das Fliehen aus der Stadt wird aber von den Polizisten erschwert.

Zum einen befinden sich SWAT- und FBI-Agenten sowie Beamte des Polizeireviers überall in der Stadt, zum anderen verriegeln die Polizisten mit voranschreitender Spielzeit insgesamt 2 der 3 Ausgänge aus der Stadt. Dafür wird zu Beginn des Spiels eine von 6 Ausgangskarten ungesehen aus dem Spiel entfernt. In jeder Runde werden dann 2 Ausgangskarten aufgedeckt, wobei ein Ausgang mit 2 offenen Ausgangskarten verschlossen ist. Der Ausgang, dessen zweite Karte zu Beginn aus dem Spiel entfernt wurde, zählt damit als der Fluchtpunkt.

 

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Die Stadt befindet sich dabei als modulares Spielfeld in der Tischmitte und wird dabei Runde für Runde von den Spielern erweitert. Nach Spielerreihenfolge können die Spieler ein Stadtplättchen so legen, dass das Stadtplättchen an 2 weitere Stadtplättchen und mindestens eine Geländeart angrenzt. Auf diesen Stadtplättchen befinden sich dabei allgemeine Flächen für Gebäude oder ein Safe House, das der Spieler daraufhin nach Belieben platzieren darf. Zum Beispiel muss Sabine unbedingt zur Disco und legt in dieser Phase ein Stadtplättchen mit freiem Gebäudeort so aus, dass ihre Spielfigur dort leicht hinkommt. Nun muss sie nur noch die Disco dort platzieren und kann diese dann in ihrem Zug besuchen. Während eines Zuges stehen den Spielern 2 verschiedene Aktionen zur Verfügung. Gehen und Rasten. Nutzen sie die Aktion gehen, können sie sich insgesamt 3 Bewegungspunkte weit bewegen. Hier wird absichtlich das Wort Bewegungspunkte verwendet, weil es keine „normale“ Felderbewegung gibt, sondern ein Bewegungspunkt verbraucht wird, wenn die Geländeart gewechselt wird.

 

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Geht Sabine zum Beispiel aus dem Park in ein Wohngebiet und daraufhin in ihre Disco, hat sie insgesamt 2 Bewegungspunkte verbraucht (ParkàWohngebietàDisco). Dabei ist es egal, wie lang ein Gebiet ist. Ein Park kann zum Beispiel die ganze Stadt umfassen, sodass die Spieler durch die ganze Stadt gehen können, ohne auch nur einen Bewegungspunkt zu verbrauchen. Die Komplexität kommt durch die Bundesagenten und Polizisten ins Spiel. Verlassen die Spieler ein Hexagonfeld, auf dem sich Polizisten befinden, erhalten sie einen Schadenspunkt, solange sie diesen Polizisten nicht durch Ausrüstung oder angeheuerte Gangmitglieder ablenken können. Befinden sich ein Polizist und jeweils ein SWAT- und FBI-Agent auf dem Feld, ergeben sich schon 3 Schadenspunkte. Erhalten die Spieler mehr Schadenspunkte als sie Leben zur Verfügung haben, wird einer ihrer Gehilfenflächen auf ihrem Spielertableau mit einer Handschellenkarte gesperrt, was zum Ende des Spiels einen Nachteil bedeutet.

Besuchen die Spieler ein Etablissement, können sie entscheiden, ob sie ihr Geld direkt abholen oder mehr Geld zum Ende des Spiels erhalten möchten (je nach „Escape Plan“-Karte). In beiden Fällen nehmen die Spieler einen Block von ihrer Einkommensleiste und legen diesen an die entsprechende Stelle, um zu signalisieren, welche Aktion sie durchführen. Dabei wird das Einkommen mit jedem Block geringer, da sie ja immer mehr Geld von Gebäuden abheben, in die sie investiert haben. Danach wählen die Spieler eine Gehilfenkarte aus der Auslage und fügen diese ihrem Spielertableau hinzu. Diese Karten können benutzt werden, um spezielle Effekte zu aktivieren. Diese kosten dabei aber Geld und werden nach dem Benutzen verbraucht. Erst mit der Aktion „Rasten“ können verbrauchte Gehilfen wieder aktiviert werden.

 

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Gehen die Spieler in ein Safe House können sie sich, nachdem sie ihren Einkommensmarker dort wie bei den anderen Gebäuden platziert haben, eine einmalige Fähigkeit anstatt eines Gehilfen nehmen. Um diese zu wählen, muss der angegebene Geldwert sofort bezahlt werden, die Verwendung kann aber bis zum richtigen Augenblick hinausgezögert werden. Zusätzlich bekommen die Spieler einen Schlüssel. Mit diesem Schlüssel können die Spieler einen Safe im örtlichen Supermarkt öffnen. Insgesamt gibt es dabei 3 Farben (Grün, Braun und Schwarz), bei denen jede Farbe für eine andere Wertigkeit des Tresors steht. Um so höher die Wertigkeit, desto schwerer ist dieser zu öffnen. Öffnen die Spieler einen Tresor, nehmen sie sich entsprechende Plättchen und wählen aus diesen eines aus. (In diesen Tresoren sind meist sehr hohe Geldbeträge, im schlimmsten Fall sind sie jedoch leer.

 

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Durch verschiedene Herangehensweisen obliegt es der Kontrolle des Spielers, wie viele Tresorkarten er im Vorfeld begutachten kann. Mehr Vorbereitung bedeutet sehr viel höhere Chancen). Die Interaktion der Spieler bezieht sich auf zwei große Teile: Gebäude und Spielende. Betritt ein Spieler ein Feld, auf dem sich bereits ein anderer Spieler befindet, steigt seine Bekanntheit. Der Spieler mit der meisten Bekanntheit beginnt auch die Spielrunden, hat jedoch am Ende des Spiels mit vielen Minuspunkten zu rechnen, wenn er es übertreibt. Zusätzlich schließt ein Ort, sobald eine gewisse Spieleranzahl den Ort besucht hat. Ist ein Ort geschlossen, kann dieser Ort nur noch mit einem Schlüssel besucht werden, den es in einem Safe House gibt. Am Ende des Spiels müssen die Spieler, wie bereits erwähnt, aus dem einzig noch freien Ausgang der Stadt fliehen. Während der erste Spieler noch kostenlos fliehen kann, müssen seine Mitspieler dafür tief in die Tasche greifen, damit sie die Polizisten am Ausgang noch bestechen können.  Insgesamt hat ESCAPE PLAN 3 feste Runden, die immer in der gleichen Reihenfolge ablaufen, wodurch ein relativ fester Zeitumfang von ungefähr 2 Stunden eingehalten werden kann.  

 

Der 1-Spieler- und 2-Spielermodus

Beim 1- und 2- Spielermodus werden 2 bzw. 1 KI-Charakter dem Spiel hinzugefügt, um ein 3-Spieler-Spiel zu simulieren. Diese haben ein eigenes Bewegungsdeck und bewegen sich je nach aufgedeckter Karte. Dabei unterliegen sie keinerlei Bewegungspunktbeschränkung und ignorieren Polizisten, da sie ebenfalls als Polizist zählen. Für die menschlichen Spieler wird es dadurch noch etwas komplexer, da sie nun mit einem Verfolger arbeiten müssen, der ihnen den Weg nicht leichter macht. Besonders im 1-Spielermodus hat der Hauptgegner eigene Endpunkteregeln, die der Variante noch einen weiteren Kniff geben.

 

Was ist in der Box?

ESCAPE PLAN wird in einer riesigen Spielbox ausgeliefert, die förmlich aus allen Nähten platzt. Sie enthält 5 Spielertableaus, 9 Schlüssel, 6 Gebäudeplättchen, 3 Safe House-Plättchen, 14 Stadtplättchen, 45 Einkommensmarker (9 pro Farbe), 30 Polizeifiguren, 5 Spielfiguren und eine große Auswahl an Karten und weiteren Markern jeglicher Art. Besonders die Verarbeitung der Spielfiguren ist dabei hervorzuheben. ESCAPE PLAN setzt dabei nicht auf standartisierte Spielfiguren, sondern besitzt eine Fülle von speziellen Figuren mit eigenen Formen und Aufdrucken. Die Gangmitglieder, die während des Spiels angeheuert werden können, besitzen eigene kleine Holzfiguren in Form von Motorradbikern.

 

 

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Jeder Polizist besitzt einen kleinen Schlagstock und ein Schild und jede Spielfigur trägt einen kleinen Geldkoffer mit sich herum. Die Spielertableaus, das Geld und generell alles aus Pappe ist sehr dick und stabil verarbeitet. Auf dem Spielertableau befinden sich Einlassungen für Marker, die das Spielfeld sehr überschaubar und geordnet wirken lassen. Die enthaltenen Regelbücher (Deutsch/Englisch) erklären das Spiel gut, obwohl sich in der deutschen Variante einige Grammatik- und Rechtschreibfehler eingeschlichen haben, die teilweise den Griff zur englischen Variante nötig machen. Für Lesefaule gibt es aber auch eigens von Eagle-Gryphon Games beauftragte Youtube-Erklärvideos, die das Spiel etwas visualisierter erklären.

 


 

deniz meine meinung überschrift

Sobald der Name Vital Lacerda in der letzten Zeit irgendwo erscheint, löst das bei vielen Spielern von Kenner- und Expertenspielen eine emotionale Reaktion aus. Viele vergöttern seine Arbeit, andere können mit dieser eher weniger anfangen. Ob man es glauben mag oder nicht, gehört ESCAPE PLAN zu einem seiner leichten Spiele, obwohl es keinesfalls ein „leichtes“ Spiel im allgemeinen Sinne darstellt. Die Komplexität dieses Spiels ist für Neueinsteiger meist besonders schwer zu umfassen, da die Erklärung des Spiels bereits mindestens 45 -60 Minuten beansprucht und das Spiel in den meisten Fällen erst bei mehrmaligem Spielen vollends verstanden wird. Der Umfang der Aktionsmöglichkeiten und die Auswahl an verschiedenen Strategien und Mechaniken machen ESCAPE PLAN zu keinem Spiel, das „mal eben“ bei einem Spieleabend auf dem Tisch landet, außer die Gruppe weiß, was sie tut. ESCAPE PLAN gehört auch zu einem der Spiele, bei dem ich als Spieltester taktisch reduzieren muss, um keinen 1000-Seiten Roman zu verfassen, da es einfach zu viele Mechaniken und Regeln gibt, die es zu erklären gilt.

 

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Aber warum sollte ich nun ESCAPE PLAN überhaupt spielen? Nun ja, sobald die Materie des Spiels durchdrungen wurde und die Regeln endlich vollends verstanden sind, stellt sich ESCAPE PLAN als ein Spiel ungeahnter Tiefe und Atmosphäre dar. Der größte Pluspunkt ist, dass ESCAPE PLAN kein Bankräuber-Thema hat. Es IST das Bankräuber-Thema. Jede Aktion, jeder Zug, jede Karte, jede Mechanik fühlt sich richtig an und spielt absolut in die Atmosphäre rein. Die Thematik ist dabei nicht einfach austauschbar, wie es in vielen anderen Fällen ist, sondern stellt eine nahezu perfekte Symbiose zwischen Spiel und Thema dar. Die Tiefe des Spiels kommt zwangsläufig durch die Mechanik, dass jeder Spieler verlieren kann, indem er es nicht schafft, aus der Stadt zu fliehen. Eine reine Chaos-Runde, in der ein Spieler eher wenig darüber nachdenkt, wie er zum Schluss aus der Stadt entkommt, endet sehr schnell damit, dass er geschnappt wird und nicht mehr an der Endwertung teilnimmt. (Ich habe es versucht, es hat aber nicht so gut geklappt. Ein genereller Plan ist also gar nicht einmal so schlecht.) Das Spiel stellt sich damit als Wettlauf gegen die anderen Spieler dar, wobei dies erst richtig realisiert wird, sobald die Zielgrade in Sichtweite ist. Ein Vor- und Nachteil zugleich ist die Spieleranzahl. ESCAPE PLAN merkt man an, dass es für mindestens 3-4 Spieler konzipiert wurde, da sich erst hier das volle Potential entfaltet. Der Einzelspielermodus hat für uns absolut nicht funktioniert, da die Regeln viel zu schwammig und nicht ausgereift genug waren. Besonders der Umstand, dass sich die beiden KI-Charaktere maximal 1 Feld vom eigenen Charakter weg bewegen dürfen, endet darin, dass die beiden dem Spieler alles verbauen und er teilweise keine Möglichkeit hat, irgendetwas zu machen. Beim 2-Spielermodus ist dies etwas besser geregelt, da zwei Spieler gleichzeitig von der KI genervt werden. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Besonders zum Erlernen des Spiels bietet sich dieser Modus an.

Auch auffällig an ESCAPE PLAN ist, dass es teilweise Mechaniken gibt, die die Komplexität unserer Meinung nach unnötig in die Höhe treiben. Warum es diese Mechaniken gibt, kann zwar leicht erkannt werden, jedoch empfanden wir die Implementierung teilweise etwas zu umständlich. 

 

Was bleibt nun also noch zu sagen?

ESCAPE PLAN ist ein sehr besonderes Spiel, das jedem Spieler, der sich die Mühe macht, es vollständig zu lernen und zu beherrschen, ein wirklich schönes und atmosphärisches Erlebnis bietet. Besonders mit der richtigen Spielergruppe kann dieses Spiel wirklich schöne Spieleabende gestalten und zu einem Glanzstück einer Expertenspielsammlung werden. Spieler, die jedoch eher gemütlichere Abende verbringen möchten, ohne währenddessen ihren Doktor in Kriminologie zu machen, und des Öfteren auch mit kleineren Gruppen spielen, können zwar einen Blick riskieren, sollten dies aber mit Vorsicht genießen. ESCAPE PLAN weiß, welche Spieler es ansprechen möchte, und bleibt bei dieser Linie auch sehr konsequent.  

 

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Bilder vom Spiel

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Tags: Ressoucenmanagement, 60-120 Minuten, Wettrennen, 1-5 Spieler, Worker Placement

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