TEST // STEAMOPOLIS

TEST // STEAMOPOLIS

Verfasst von Christian Backe am . Veröffentlicht in Brettspieltest

Der Bürgermeister einer dampfenden Metropole ist zwischen die Zahnräder dieses großen Molochs geraten. Ein Mord? Ein Unfall? Völlig egal! Wer wird sein Amtsnachfolger, ist die Frage, die eine Partie STEAMOPOLIS beantworten wird.

 

infos zum spiel

STEAMOPOLIS wurde uns freundlicherweise kostenlos von CORAX GAMES zur Verfügung gestellt.
Auf unsere Bewertung hat das keinen Einfluss.

 

Voller Dampf voraus

 

In 60 bis 90 Minuten versuchen 2 bis 4 SpielerInnen ab 12 Jahren, neue BürgermeisterIn von STEAMOPOLIS werden. Mit ihren Luftschiffen bereisen sie die verschiedenen Stadtteile von STEAMOPOLIS, verbessern dazu laufend ihr Gefährt und sammeln letztlich die Stimmpunkte der Bürger. Autor ist Gerhard Hecht und illustriert wurde dieser Stahlkoloss von Dennis Lohausen.

 

Ordentlich Druck machen

 

Alle erhalten ein eigenes Luftschiff mit Drucksteinen, zwei Maschinenteilen und drei Schmarotzern. Jeder zieht einen zufälligen Kandidaten mit Startressourcen. Und schon kann es losgehen.

Das große Spielbrett zeigt die acht Etagen von STEAMOPOLIS mit den jeweiligen Stadtteilen und Märkten. Jeder Stadtteil ist ein Aktionsfeld, auf dem ein Druckstein eingesetzt werden kann. Um die jeweilige Etage bereisen zu können, muss jedoch genug Druck im Kessel sein. Durch die Aktion „Druck machen“ können die eigenen noch nicht eingesetzten Drucksteine versetzt werden. Entspricht die Zahl des Druckfeldes mindestens der des Stockwerkes, kann der Druckstein mit der Aktion „Ein Ziel festlegen“ dort eingesetzt werden. Sollte der Druck höher sein, als das gewünschte Stockwerk erfordert, kann der überzählige Druck durch die verbauten Maschinenteile des Luftschiffs geleitet werden. Dadurch erhalten die SpielerInnen die abgebildeten Ressourcen - Kristalle oder Zahnräder - oder andere Boni.

 

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Im Laufe des Spiels können neue Maschinenteile erworben und im Luftschiff verbaut werden. Um diese Teile kaufen zu können, ist das Zurückholen der eigenen Drucksteine mit der Aktion „Alle Ziele anfliegen“ nötig. Zusätzlich muss dann auf die jeweilige Stadtteilaktion verzichtet werden. Maschinenteile können als Banner hinten am Luftschiff dienen, oder die Maschine des Luftschiffs erweitern. Die Kosten unterscheiden sich je nach Einsatzort und Höhe der Stufe des Maschinenteils.

Banner bringen dabei Stimmpunkte abhängig vom bisherigen Spielverlauf. Die orangenen Banner bringen Stimmpunkte für jedes Maschinenteil im Luftschiff, türkisfarbene geben Punkte für die Anzahl bereits beförderter Reisegäste und violette Banner zählen doppelt und bringen Punkte entsprechend der Banneranzahl.

 

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Sobald keine Passagierplättchen mehr zur Verfügung stehen oder drei Märkte leer gekauft wurden, erhalten alle einen finalen Spielzug. Dann folgt die Endwertung. Neuer Bürgermeister wird derjenige mit den meisten Stimmpunkten.

 

Das Material

Nebst einem sehr großen doppelseitigen Spielbrett und vier unterschiedlich gestalteten Luftschiffen besteht STEAMOPOLIS aus einer riesigen Menge Maschinen-, Fahrgast- Kandidaten- und Bonusplättchen. Alle Teile sind gut gestanzt und aus fester Pappe. Zusätzlich zum eigentlichen Spielmaterial sind vier gestaltete Pappstreifen zum Unterteilen der Spieleschachtel enthalten. Zwei Steckschachteln ohne Deckel für die hölzernen Zahnräder und die Plastikkristalle liegen auch bei.

 

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Das Spielermaterial muss teilweise noch mit Stickern versehen werden. Das ist jedoch schnell gemacht und die Aufkleber halten gut. Eine doppelseitige Spielhilfe für jede SpielerIn mit Zugübersicht und Symbollegende erleichtert gerade die ersten Partien. Die seitenstarke deutsche Anleitung liest sich sehr gut und bietet viele Beispiele. Zusätzlich liegt auch ein Übersichtsblatt mit Kurzerklärung der einzelnen Aktionsfelder bei, das in den ersten Partien ebenfalls sehr hilfreich ist. Teile des Materials sind für ein separat erhältliches Solospiel gedacht und erfüllen für das Grundspiel keinerlei Zweck.


STEAMOPOLIS ist ein Kennerspiel mit einer soliden Mechanik. Zunächst lässt man sich leicht durch das Luftschiff und die Drucksteine darüber täuschen, dass Druck wichtiger sei als Kristalle und Zahnräder. Doch das ändert sich schon in den ersten Runden, denn es mangelt nur selten an Druck in den Kesseln. Die Qual der Wahl ist Programm und fast immer ist ein schmerzliches Abwägen zwischen Stadtteilaktion oder Marktbesuch nötig. Dabei kann eine SpielerIn leicht einmal in eine Denkparalyse verfallen. Ist dann ein Plan gefasst und der erste Schritt ausgeführt, zwingen die Züge der MitspielerInnen durch blockierte Felder im nächsten Zug schon wieder zum Grübeln.

 

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Wer Spaß an komplexen Worker Placement Spielen hat und eine funktionierende Maschinerie aufbauen möchte, kann mit STEAMOPOLIS durchaus seine Freude haben. Dennis Lohausen hat gute Arbeit geleistet und ein ansehnliches Spiel mit seinen Illustrationen geschaffen. Die Ikonografie ist, bis auf wenige Ausnahmen, intuitiv und dank der beiliegenden Spielerhilfen kann jede verbleibende Unklarheit schnell beseitigt werden. Doch bleibt der Großteil des Spielmaterials ein Wirrwarr aus Röhren und Schläuchen in Silber und Gold. Auf manchen Maschinenteilen muss auf kleinste Rohre geachtet werden und das Ableiten des Drucks ist zwar gut nachvollziehbar, bleibt aber etwas trist. Das Spiel braucht einige Zeit für den Aufbau, wobei die Statuen völlig unnötig sind und den Aufbau dadurch unnötig verlängern.

Die Pappboxen für Zahnräder und Kristalle sind zwar etwas groß, aber für den Aufbau und den Spielablauf selbst eine gute Sache, da nichts herumfliegt. Trotz der beträchtlichen Stärke der Anleitung ist diese erstaunlich gut lesbar und führt mit zahlreichen Beispielen gut ins Spielgeschehen ein.

 

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Ein böses Sprichwort lautet: „Mach ein paar Zahnräder drauf und nenn’ es Steampunk.“ Und leider fällt auch STEAMOPOLIS für mich genau in diese Kategorie. Es hat nichts von der hoffnungsvollen Romantik und dem Erfindergeist des Steampunks, sondern ist ein düsterer Entwurf einer alternativen Gesellschaft auf Dampfbasis. Kenner des Films „Metropolis“ werden nicht nur im Titel des Spiels Parallelen erkennen.

Die SpielerInnen gleichen eher kaufwütigen „Schrauber-Prollitikern“ mit Taxilizenz als aufstrebenden PolitikerInnen. Es wird keine Rede gehalten oder mit Interessengruppen verhandelt. Stattdessen erhalten die SpielerInnen Stimmpunkte für bunte Banner und aufgemotzte Maschinen. Wie oberflächlich müssen die Bürger dieser Stadt sein? Die Boni der einzigen beiden Fahrgäste sind immer gleich. Gerade angesichts der vielen verschiedenen Maschinenteile ist das schade. Weshalb der Wahlkampf endet, sobald alle Fahrgäste befördert oder drei Märkte leer gekauft worden sind, lässt sich logisch auch nicht begründen. Sicher mag das alles gemein klingen, spiegelt aber meine Enttäuschung über die lieblose und schlecht durchdachte Geschichte des Spiels wider.

 

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Eine andere Darstellung des Spielbrettes, beispielsweise als Landkarte mit verschiedenen Städten, hätte ich passender gefunden. Ermöglicht es der steigende Dampfdruck doch, größere Distanzen zu überwinden. Statt der Wahl eines Politikers, hätte es auch der Wettstreit um den Chefposten einer Firma sein können. Schließlich fehlt es gerade bei der Beförderung der Passagiere an Sinn und Abwechslung, da sie stets den gleichen Bonus bringen. Reizvoller wären verschiedene Boni gewesen. Der Steampunk versucht, neue Technologien mit Retrodesign zu verbinden, bis auf Dampf existiert jedoch keine andere Technik. Teslaspulen, Elektrifizierung, Phasenverschiebungen und andere Spielereien wären denkbar gewesen, fehlen aber gänzlich. Viele der Maschinenteile gleichen sich zu sehr in ihren Funktionen und lassen die Welt des Spiels flach erscheinen.

STEAMOPOLIS ist ein solides Kennerspiel mit guten Entscheidungen und vielen Möglichkeiten. Es ist ein gutes Worker Placement Spiel mit Engine building. Aber das Thema ist leider völlig austauschbar und karrikiert sich an einigen Stellen selbst.

 

Wertung zum spiel

 

Bilder vom Spiel

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Tags: Set sammeln, Steampunk, 60-90 Minuten, Handmanagement, Worker Placement, 2-4 Spieler

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