TEST // VILLAINOUS

TEST // VILLAINOUS

Verfasst von Michael Tomiak am . Veröffentlicht in Brettspieltest

Hattest du schon als Kind Mitleid mit dem armen Prinz John, wenn er von Robin Hood mit seinen räuberischen Taten bloßgestellt wurde? Fandst du es auch unverschämt, wie Peter Pan mit dem armen Käpt’n Hook umgesprungen ist? Und bei der Herzkönigin aus Alice im Wunderland hattest du auch schon immer Verständnis dafür, dass sie sich durch das Benehmen der Untertanen in ihrem Reich zu drastischen Maßnahmen gezwungen sah? Ganz zu schweigen von den bösen Worten und Taten, denen Dschafar, Malefiz und Ursula ständig ausgesetzt waren? Lautet zumindest eine Antwort auf diese Fragen „JA“ bist du bei „Villainous“ genau richtig. Denn nun hast du die Chance, den vermeintlichen Helden alles zurückzuzahlen!

Ravensburger war so freundlich, uns ein Exemplar von „Villainous“ für einen Test zur Verfügung zu stellen.

Taucht ein in die zauberhafte Disney-Welt aus der Sicht legendärer Bösewichte

Zu Beginn wählt jeder einen Disney-Bösewicht, den er oder sie gerne spielen möchte. Zur Auswahl stehen Prinz John („Robin Hood“), Käpt’n Hook („Peter Pan“), die Herzkönigin („Alice im Wunderland“), Dschafar („Aladdin“), Malefiz („Dornröschen“) und Ursula („Arielle – Die kleine Meerjungfrau“). Jeder Spieler bzw. jede Spielerin bekommt jeweils einen eigenen Satz Bösewicht- und Schicksalskarten, ein Spielerbord, eine Spielfigur sowie einen Strategieguide, in dem u.a. auch das persönliche Ziel zum Sieg zu finden ist. Welcher Bösewicht als erster die Bedingungen für den Sieg erfüllt hat, erhält den Zuschlag zum größten Disney-Bösewicht. Zumindest solange, bis die nächste Partie gespielt wird.

Jeder Bösewicht hat sein eigenes Bord mit 4 Feldern, auf denen unterschiedliche Aktion angegeben sind, die in beliebiger Reihenfolge jeweils genau einmal genutzt werden können. Die Aktionen, die zur Verfügung stehen sind das Erhalten von Machtchips, das Ausspielen einer Karte, das Aktivieren von Fähigkeiten, das Ausspielen von Schicksalskarten der anderen Bösewichte, das Ziehen eines Gegenstandes oder Handlangers an seinem Tableau zu einem benachbarten Ort, das Ziehen eines Helden an seinem Tableau an einen benachbarten Ort, das Besiegen eines Helden oder das Abwerfen einer beliebige Anzahl an Handkarten, damit am Ende des Zuges neue Karten bis zum Handkartenlimit von 4 Karten nachgezogen werden können. Die verfügbaren Aktionen sind für alle Bösewichte unterschiedlich auf ihrem Bord verteilt. Ausgespielte Helden verdecken nach dem Auslegen die oberen Aktionen, wodurch diese nicht mehr verfügbar sind. Um einen Helden zu besiegen, muss die Aktion „Einen Helden besiegen“ gespielt werden, während Handlanger mit mindestens genauso vielen Stärkepunkten an demselben Feld wie der zu besiegende Held ausliegen müssen. Sowohl Held als auch Handlanger werden nach der Aktion auf die jeweiligen Ablagestapel gelegt.

Damit die Herzkönigin aus „Alice im Wunderland“ gewinnen kann, muss sie einen erfolgreichen Abschlag machen. Hierzu hat sie Abschlagkarten im Deck, die sie als Aktion spielen kann. Bevor sie dies tun kann, muss sie zunächst Kartenwächter als Handlanger ausspielen und über eine „Fähigkeit aktivieren“-Aktion in Krockettore verwandeln. Liegt an allen 4 Orten mindestens 1 Krockettor kann die Herzkönigin einen Abschlag versuchen, wofür sie 5 Karten zieht und den Wert der Karten addiert. Liegt dieser unter der Gesamtstärke aller Krockettore, hat sie gewonnen. Die MitspielerInnen können über Schicksalskarten u.a. dazwischenfunken, indem sie Tore verschieben oder über die Grinsekatze Krockettore in einfache Handlanger zurückdrehen. Käpt’n Hook hat die Aufgabe, Peter Pan zu besiegen, wozu er diesen aber erst einmal finden muss. Und zwar zwischen den Karten im Schicksalsdeck. Wenn Gegner das Schicksalsdeck von Käpt’n Hook spielen und Peter Pan aufdecken, müssen sie diesen ebenfalls sofort auslegen. Ausgelegt wird Peter Pan immer ganz rechts am Teufelsast. Damit Käpt’n Hook das Feld nutzen kann, muss er es zunächst über die „Karte von Nimmerland“ aus seinem Bösewichtdeck entriegeln. Anschließend muss er Peter Pan mittels der „Feinde verschieben“-Aktion auf das Meermädchenlagunen-Feld verschieben, wo er ihn schlussendlich nach den normalen Kampfregeln besiegen kann. Gestört wird Käpt’n Hook dabei u.a. über Verspotten-Karten aus seinem Schicksalsdeck, wodurch andere Gegner als erstes besiegt werden müssen, während Peter Pan über andere Karten immer weiter verstärkt werden kann.

Dschafar und Ursula müssen beide für den Sieg bestimmte Karten unter ihre Kontrolle bringen. Für Dschafar ist es dabei notwendig, zunächst den „Skarabäus-Anhänger“ auszuspielen und dadurch den Schlosschip von der Wunderhöhle zu entfernen. Sobald die Wunderlampe an der Wunderhöhle ausliegt, erscheint dort automatisch Dschinni. Nachdem die Wunderlampe an den Sultanspalast gezogen wurde, gilt es noch Dschinni zu hypnotisieren. Durch Schicksalskarten wie Abu oder Aladdin kann die Wunderlampe immer wieder der Kontrolle von Dschafar entzogen werden und wenn Dschinni noch nicht hypnotisiert ist, kann dessen Stärke immer weiter erhöht werden, wodurch es immer schwieriger wird, ihn unter seinen Bann zu bringen. Hypnotisieren kann Ursula nicht, dafür aber Helden mit Knebelverträgen ausstatten, was ihre Art zu kämpfen ist. Wenn Helden mit einem Knebelvertrag an einen auf der Karte genannten Ort bewegt werden, gelten sie als besiegt. Um als Siegerin aus dem Wettkampf zu gehen, muss Ursula Dreizack und Krone in ihre Höhle bringen. Das ist allerdings nicht ganz so einfach, weil entweder Ursulas Höhle oder der Palast verschlossen sind. Nur über die „Gestaltwandel“-Karte besteht die Möglichkeit, das Schloss zwischen den beiden Orten zu verschieben. Verkompliziert wird die Geschichte über Schicksalskarten wie Grimsby, der das Schloss beim Ausspielen verschieben kann, oder Arielle, die das Verschieben von Gegenständen verhindert. Zusätzlich erscheint beim Ausspielen des Dreizacks noch König Triton, der sich den Dreizack direkt schnappt und so zunächst mittels Knebelvertrag besiegt werden muss.

Um mit Malefiz den Sieg zu erringen, muss an jedem Feld in ihrem Königreich ein Fluch ausliegen. Das Problem dabei ist, dass GegenspielerInnen über das Schicksalsdeck zahlreiche Möglichkeiten haben, dieses zu verhindern bzw. ausgelegte Flüche wieder zu bannen. Leichteres Spiel hat Prinz John, dessen einzige Aufgabe es ist, 20 Machtchips zu sammeln. Da das Feld für den Erhalt von 3 Machtchips nicht von Helden blockiert werden kann, ist ein relativ schnelles Ansammeln von Machtchips auf diesem Feld in jeden 2. Zug möglich. Über Schicksalskarten können Machtchips zwar aus Prinz Johns Besitz zu einem anliegenden Helden befördert werden. Sobald dieser besiegt ist, kommt jedoch jeder einzelne Chip gleich wieder zurück in den Besitz des Prinzen.

Spieglein, Spieglein an der Wand….

Welch ein Fest für die Augen von Disney-Fans „Villainous“ doch ist! Bords und Karten sind mit zahlreichen Motiven im künstlerischen Stil der Animations-Filmvorbilder versehen und die Spielfiguren sind große, stilisierte Kunststofffiguren, die leicht dem jeweiligen Bösewicht zuzuordnen sind. Im Karton befindet sich ein Sortiersystem aus Kunststoff, in dem sämtlicher Inhalt des Spiels gut verstaut werden kann. Der Kessel, in dem die Machtpunkte liegen, ist optisch durchaus passend, materialtechnisch aber eher besorgniserregend. Ich befürchte, dass der Kessel das Teil in der Box ist, das am schnellsten kaputt gehen wird, da es kaum Strapazen standhalten dürfte. Auch die Faltblätter mit den Strategieguides sind aus normalem Hochglanzpapier, welches recht schnell abgegriffen sein dürfte. Das restliche Material in Form von Papptafeln und Karten ist durchweg stabil und sollte auch beim Spiel mit jüngeren Familienmitgliedern nicht gleich Schaden nehmen.

Das Covermotiv der Box gehört mit zum Schönsten, das ich in letzter Zeit auf einem Deckel gesehen habe. Malefiz, die sich in schattenhaftem Schwarz auf dem mattgrünen Hintergrund abzeichnet, zusammen mit dem Schriftzug nach bester Disney-Manier, das ist schon feinster Eyecandy für Disneyfreunde. Die Anleitung ist gut gegliedert und mit zahlreichen erklärenden Bildern versehen. Die ohnehin schon nicht allzu komplizierten Regeln werden schnell und übersichtlich vermittelt, weswegen ein Losspielen nach dem Auspacken recht schnell möglich sein sollte. Wer möchte, kann sich die Regeln auch über ein Video mit Cron von Hunter & Cron erklären lassen. Die URL ist auf dem Handbuch angegeben.


Was habe ich mich gefreut, als ich zum ersten Mal Bilder von „Villainous“ gesehen habe. Allein das Cover hatte mich gleich fest im Griff und ich wollte mehr über dieses Spiel erfahren. Dass die SpielerInnen in die Rolle von großen Disney-Bösewichten schlüpfen und dabei die Möglichkeiten haben, die Helden verlieren zu lassen, hörte sich mehr als nur interessant an. Und es ist durchaus ein wenig taktisches Geschick vonnöten, um seinen Bösewicht als erstes ans Ziel zu bringen. Ein Mittel zum Zweck ist dabei das Sabotieren seiner MitspielerInnen, was bei weniger gefestigten GegnerInnen durchaus schon mal zu Diskussionen bis hin zum Ende einer brüchigen Freundschaft führen kann.

Aber leider, leider gibt es deutliche Probleme in der Spielmechanik. Zunächst einmal fühlt es sich so an, als würde jeder für sich spielen. Die gesamte Mechanik wirkt relativ solitär. Daran ändert auch das gelegentliche Spielen von Schicksalskarten am Bord eines anderen Bösewichtes nur wenig. Ein weiteres Problem stellt das Balancing der Ziele dar. Je mehr Spieler am Spiel teilnehmen, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Partie endlos in die Länge zieht, da relativ viele Schicksalskarten gespielt werden können, wodurch mühsam aufgebaute Flüche oder Krockettore wieder abgebaut werden. Daran ändert selbst die Zusatzregel, das in einem 5 oder 6 SpielerInnen-Spiel niemals der gleiche Bösewicht zweimal hintereinander das Ziel von Schicksalsaktionen sein darf, nur wenig. Recht schnell bekommt man als SpielerInnen eine Idee davon, wie Sisyphus sich beim Rollen seines Steines in Richtung Bergspitze gefühlt haben muss.

Auch die Aktionsmöglichkeiten sind auf Dauer relativ eintönig. Die Auswahl der 3 für den Zug zur Verfügung stehenden Felder verliert recht schnell ihren Reiz und lässt erkennen, wie eingeschränkt die Möglichkeiten sind. Am meisten hat mich am Ende der immens hohe Glücksafaktor gestört, die passenden Karten ziehen zu müssen, um voranzukommen. Hat Käpt’n Hook z.B. das Glück, die „Karte von Nimmerland“ auf der Hand zu haben, während eine Schicksalskarte ihn dazu zwingt, seine Handkarten abzulegen, bedeutet dies für ihn, den Bösewichtstapel auszuspielen und zu hoffen, dass die Nimmerland-Karte im neu zusammen gemischten Bösewichtstapel oben liegt und nach dem Ziehen nicht wieder gleich auf dem Ablagestapel landet. Im Grunde hängen alle Bösewichte mittel bis stark von bestimmten Karten in ihrem Deck ab. Liegen elementare Karte am Ende des Stapels, gibt es kaum eine andere Möglichkeit, als frustriert zu warten. Einzige Ausnahme ist hierbei Prinz John, der im Grunde sogar ganz ohne sein Deck gewinnen kann, sofern nicht allzu starke Schicksalskarte ausliegen.

Ich habe „Villainous“ wirklich sehr gemocht, als ich es zum ersten Mal in meinen Händen hielt und es auspackte. Jeder der Bösewichte hat ein wunderbar auf die Figur abgestimmtes Set. Ebenso sind Helden, Ereignisse, Handlanger und der Weg zum Sieg liebevoll auf die jeweiligen Bösewichte abgestimmt. Hier wurde sich sehr viel Mühe gegeben, jeden Bösewicht so thematisch wie möglich zu gestalten, was auch wunderbar gelungen ist. Beim Spielen ist diese Liebe dann bei mir allerdings immer mehr dem Frust gewichen. Umso mehr MitspielerInnen am Tisch sitzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, in einem stundenlangen Patt zu verharren. Wer dem Ziel am nächsten ist, dürfte ziemlich schnell das Schicksalsziel der anderen werden und bald wieder von vorne anfangen dürfen. Wer darüber hinaus die passenden Karten für sein persönliches Ziel gar nicht erst zieht, schiebt schon viel eher den Frust vor sich her, und ist dann doppelt gefrustet, wenn er seinem Ziel endlich nähergekommen ist und dann als nächster zum Schicksalsziel der anderen wird. Lediglich Prinz John ist mit seinem Münzen sammeln ein wenig geschützt vor dem ganz großen Frust, stellt in Sachen Taktik und Spielspaß dann aber auch den am wenigsten interessanten Bösewicht dar.

So wunderschön die Optik von „Villainous“ auch ist und so liebevoll jeder Bösewicht mit seinem Zubehör auch zusammengestellt wurde, so enttäuschend sind am Ende das nicht vorhandene Balancing und die fehlende Variabilität bei den Aktionen. Gerade bei Partien, die sich wie in einer Endlosschleif in die Länge ziehen, sind die Probleme des Spiels nicht zu übersehen. Es hat einen immens großen Reiz, jeden Bösewicht und die Eigenart, ihn zu spielen, zu erleben. Sobald es dann aber nichts neues mehr zu entdecken gibt und sich alles zu wiederholen beginnt, sind der Reiz und größten Teils auch der Spielspaß futsch.

Bilder zum Spiel

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Tags: Disney, Thematisch, Film/TV, 2-6 Spieler, Variable Helden-Fähigkeiten, Handmanagement, Fantasy, Kartenspiel

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